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Wohlstandsverwahrlosung?

johko

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17. August 2003
Beiträge
248
Anläßlich des Bundestagswahlkampfes 1998 in Cuxhaven bescheinigte der damalige Bundeskanzler (der jetzige und der nächste werden es ebenso tun!)der sogenannten Aufbaugeneration,"großartig" zu sein. Dazu mein Kommentar als Leserbrief an die CUXHAVENER NACHRICHTEN und vor allem die Antwort eines offensichtlich Betroffenen darauf:
Mein Leserbrief vom 21.7.98

WOHLSTANDSVERWAHRLOSUNG

Angesichts der momentanen Situation komme ich eher zu der Ansicht, die Generation, die Deutschland aufgebaut hat, ist - höflich ausgedrückt - ziemlich unbedarft gewesen. In bester Absicht hat sie im Windschatten der Mauer und unter dem Schutz der Alliierten den Turmbau von Babel in teutonischer Gründlichkeit nachvollzogen. Und damit muß ich mein Urteil revidieren:
Jede Generation ist genauso großartig, wie die Zeit, in der sie lebt, es zuläßt. Die nächste Generation wird hoffentlich großartig sein im Bestreben, den hinterlassenen Müll und Schutt zu entsorgen. Und das ist nicht nur materiell aufzufassen. Als ehemaliger Lehrer und Erzieher in einem Internatsgymnasium konnte ich erleben, welche Wohlstandsverwahrlosung die "Aufbau"generation ihren Kindern vererbt hat.
Aber auch das ist letztlich nicht gewollt, sondern, wie die Geschichte und der Niedergang aller bisher "höher" entwickelten Kulturen gezeigt hat, ein natürlicher Vorgang. Ich bin überzeugt, daß ein deutscher Bundeskanzler unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit genug Bildung haben müßte, zumindestens privat ähnlich zu denken. Aber die Welt wird nun mal von denen regiert, die sich Honig ums Maul schmieren lassen wollen.
Und die Generation der Enkel wird aus Pietät und in Erwartung des materiellen Erbes noch einige Jahre bis zum Tod der letzten Großeltern warten, um deren Denkmäler anzukratzen, sofern nicht vorher schon ihre Brüder und Schwestern aus weniger privilegierten Kreisen für deren Abriß gesorgt haben. Einen Ausgleich stellt die Natur immer her, dazu braucht sie keine Politik! Wie heißt es im Volksmund? Hochmut kommt vor dem Fall?
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Eine Erwiderung von Klaus ******, Cuxhaven:

Unbelehrbare Ignoranz

Dieser Artikel zeugt von einer Einfältigkeit, die allenfalls in einem Narrenhaus ihresgleichen sucht. Wer die Leistungen unserer Nachkriegsgeneration/en mit der Hinterlassenschaft von Müll und Schrotthaufen vergleicht, kann sicherlich nicht mit normalen Maßstäben gemessen werden. Wenn der Autor dieses Artikels zudem noch auf seine frühere Schulmeistertätigkeit "als Lehrer und Erzieher an einem Internatsgymnasium" hinweist, sollte es den Leser nicht wundern, daß unserer Jugend zunehmend das Opfer des Bildungsnotstandes wird.
Wenn Herr K. die einmaligen Aufbauleistungen unserer Altvorderen als Turmbau von Babel bezeichnet, so zeugt diese Einstellung von einer unbelehrbaren Ignoranz, oder er muß - als unsere Städte in Schutt und Asche zertrümmert wurden - auf einem anderen Planeten gelebt haben. Wer die qualmenden Trümmerlandschaft unserer Großstädte hautnah als flüchtender Augenzeuge erlebt hat, dem muß diese "außerirdische" Betrachtung wie ein Beitrag zur Holocaustverleugnung vorkommen. Rätselhaft bleibt in diesem Artikel auch die Logik seiner Schlußfolgerungen, möglicherweise könnte der plötzliche Hitzeeinbruch hierfür eine Erklärung liefern.
Mit der Überschrift hat Herr K. allerdings ins Schwarze getroffen: Man kann sich keine bessere Kennzeichnung für die aufgestellten Thesen wünschen:"Wohlstandsverwahrlosung".
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Ich lass das mal so stehen und erwarte "eure" Meinungen dazu.
 
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Original geschrieben von johko
Als ehemaliger Lehrer und Erzieher in einem Internatsgymnasium konnte ich erleben, welche Wohlstandsverwahrlosung die "Aufbau"generation ihren Kindern vererbt hat.

Was verstehst Du denn genau unter der Wohlstandsverwahrlosung die die Aufbaugeneration ihren Kindern angedeihen lies?
 
WOHLSTANDSVERWAHRLOSUNG bedeutet für mich eine psychische Verwahrlosung bei gleichzeitigem materiellen Überfluss. Das Erscheinungsbild von ca. 20 Prozent der (nur männlichen) Zöglinge ähnelte dem in der Bronx, dabei waren die Eltern sogenannte VIP´s: Unbedingtes Mißtrauen jedem Neuen gegenüber, permanente Gewaltvorstellungen und Angstzustände, verbunden mit mangelndem Bewußtsein für "soziales" Verhalten. Manchmal hatte ich das Gefühl, wilde Tierkinder würden eingeliefert, die z.T. auch nur mit dem Messer unter dem Kopfkissen schlafen konnten und heftige Auseinandersetzungen hatten.
Was sie dann erwartete, waren bis zur Volljährigkeit eine mit Stacheldraht eingezäunter Gebäudekomplex mit Fußball- und Tennisplatz, den sie unter von Montag früh bis Samstag mittag nur verlassen durften, wenn sie ein Elternteil abholte. Ein 10jähriger Junge konnte sogar sein Elternhaus sehen. Er wurde von den Geschäftsleuten allerdings so gut wie nie abgeholt. Die sogenannte Freizeit innerhalb des Zauns betrug übrigens 3 Stunden am Tag. Wer im Unterricht auffiel, durfte diese - durchaus auf Wunsch der Eltern - bei gewissen gefürchteten Kollegen isoliert mit Abschreiben von Lehrbuchseiten verbringen - gern auch gleich eine ganze Woche lang. Ich habe mich immer dagegen ausgesprochen - deshalb habe ich jetzt viel Zeit.

DAs war vor 18 Jahren . Wie es JETZT ist, weiss ich nicht. Das ist für dieses Thema auch nicht von Belang.
 
Zuletzt bearbeitet:
Original geschrieben von johko
WOHLSTANDSVERWAHRLOSUNG bedeutet für mich eine psychische Verwahrlosung bei gleichzeitigem materiellen Überfluss.

Kann es sein dass manche Erwachsene "vergessen" Ihren Kindern Werte und Sinn zu vermitteln?

War das aber früher wirklich anders?
Die Menschen waren stärker in ein gesellschaftliches Korsett eingebettet das Ihnen Halt vermittelt hat. Halt, aber nicht unbedingt Sinn.
 
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Es gab immer wieder neue AUFBAU-Zeiten, in denen es nicht anders war - stets gefolgt von Zeiten des daraus resultierenden Niederganges. Die Verwahrlosung ist dabei sowohl bei Armen wie bei Reichen eingetreten. Es hat auch immer welche auf einem MITTELWEG gegeben, die dann aber wohl eher als Sand im Getriebe fungiert haben.

meint Sandkorn Johko
 
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