AW: Was genau ist Philosophie
Philosophie ist nicht genau, Wahrheit zu suchen, diese Suche zu beantworten und nicht zu beenden.
Was meint ihr?
Michael Josef Sommer
Hallo Michael,
"Bei dem Versuch, Philosophie zu definieren, stößt man auf ganz charakteristische Schwierigkeiten, die im Wesen der Philosophie selbst begründet liegen. [...] Bis heute ist es nicht gelungen, eine Methode als 'die' philosophische Methode zu etablieren, noch viel weniger, einen umfassenden Gegenstandsbereich für sie anzugeben. [...] Stattdessen ist ein charakteristischer Zug von ihr [der Philosophie], dass sie das einmal Akzeptierte stets aufs Neue befragt und bereits erzielte Einsichten wieder infrage stellt. [...] Das Staunen über das scheinbar Einfache steht am Anfang allen Philosophierens. [...] Dennoch bedeutet Philosophie nicht unverbindliches Gerede über Beliebiges. Sie steht vielmehr - und das ist schon eine antike Einsicht - unter dem Primat der argumentativen Verständigung im Dialog. Philosophie entsteht und bewährt sich zugleich in der Kommunikation, sei diese auch bloß fiktiv. Was Philosophie darüber hinaus mehr ist oder sein sollte, das ist bereits ein philosophisches Problem. ... Philosophie ist Selbstbesinnung des Menschen in einer auf Verständigung abzielenden Argumentation. [...] Letztlich jedoch lassen sich alle philosophischen Bemühungen unter die Frage Kants "Was ist der Mensch?" unterordnen." (Aus: Schülerduden Philosophie, 2. Aufl., Mannheim 2002: S. 295 ff.)
Ich finde dieser Artikel - resp. die Auszüge davon - zeigt sehr schön, was man gemeinhin unter dem Begriff 'Philosophie' verstehen kann: eine argumentativ untermauerte Kommunikation, die auf die Beantwortung von Grundlagenfragen abzielt und hierzu einerseits gegenständliche, andererseits aber auch phantastische Phänomene in den Blick nimmt. (Plotin hat das mit seinen Ausführungen über die (Denk-)Möglichkeiten bereits treffend erwähnt). Dieser Blick wird dabei von der je individuellen Fähigkeit/Kompetenz des Staunenkönnens (man könnte es auch als Feingespür/Sensibilität bezeichnen) beschränkt und zugleich überhaupt erst ermöglicht.
Der Umstand, dass der Artikel I. Kant zum Angelpunkt des philosophischen Fragens macht, zeigt zudem sehr schön auf, wie wichtig Autoritäten im philosophischen Erkenntnisprozess sind, obgleich der Artikel selbst konstatiert, dass gewonnene Einsichten (somit also zwangsläufig auch die Aussagen verblichener Denker) im philosophischen Erkenntnisprozess immer aufs Neue befragt werden sollten und also in Zweifel zu ziehen sind.
Allerdings: die Grundfragen der Philosophie scheinen hierbei als archimedische Punkte zu fungieren; allein der Gehalt der Erkenntnisse, die sich an jene Fragen anschließen, scheint sich mit der Zeit zu wandeln. Aber schon jene Vermutung würde ich - konsequenterweise - wieder als philosophische Fragestellung sehen und damit also selbst die Frage eines I. Kant ("Was ist der Mensch?") wiederum als die Schlüsselfrage jeder Philosophie in selbige (die Frage nämlich) stellen.
Das alles hat jedoch mit der akademischen Philosophie hierzulande recht wenig zu tun, diese wird in folgendem Artikel - auch wenn er schon etwas älter ist - meines Erachtens recht treffend dargestellt:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13690913.html
Beste Grüße,
Philipp