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Vorbeugender Opferschutz oder Täterschutz?

  • Ersteller Ersteller Salem
  • Erstellt am Erstellt am
S

Salem

Guest
Ich geb ja zu, ich bin angesichts der Entwicklung zu dem Thema irritiert bis überfordert.

Es geht um den durch die Medien geisternden Fall in Heinsberg (NRW). Karl D. ein Sexualtäter der nach Gericht auf freiem Fuß weilt, allerdings unter enormen Polizeischutz.

Es geht auch um einen mutigen Landrat, der für sich die Entscheidung gefällt hat, dass ihm Bevölkerungsschutz vor Täterschutz und Datenrecht geht.
Der seine Bürger vollnamentlich und mit Bild über den nun in diesem Dorf lebenden Sexualstraftäter informierte. Und um die Kreise, die diese Entscheidung nun nach sich zieht.

Für diejenigen die mal detaillierter schauen wollen hier ein Link zum aktuellsten Artikel:
www.rp-online.de

Die -derzeitigen- Konsequenzen aus der Handlung des Landrats:

Die Bevölkerung demonstriert intensiv vor dem Haus des Täters bzw. das seinem Bruder gehört.
Rechtsradikale wittern ihre Chance und gesellen sich dazu.
Polizei ist Tag wie Nacht im Einsatz um Karl D. zu bewachen aber auch um ihn zu schützen.
In der Bevölkerung nicht nur in und um Heinsberg stellt sich mal wieder das Gefühl darüber ein, dass Urteile längst nicht mehr "im Namen des Volkes" gefällt werden. (Besonders weil derzeit noch einige Urteile wie z.B. das der wegen 1,30€ gekündigten Verkäuferin diesen Unmut erregen.)


Ich frage mich, wie weit diese Bürger -und zudem die Rechten- im übertragenen Sinne von einer Steinigung, einer öffentlichen Hinrichtung noch entfernt sind.
Ich frage mich, was passiert, wenn die Polizei ihre Beobachtungsposten einstellt.
Und ich hab mich gefragt, wie ich als Bürger reagieren würde, ich glaube ich würde auch bei den Demonstranten stehen. Ich bin Mutter.
Wie könnte in dieses Dorf wieder Ruhe einkehren..

Wie seht ihr das (moralisch nicht rechtlich), hätte der Landrat nicht so reagieren dürfen?
Trägt er nun Schuld an der derzeitigen Situation?
Ist das moderne Anprangern (Präventivprangern?) gerechtfertigt oder nicht?
Meinem empfinden nach ist es das...andererseits..

Was aber wenn man mal an Karl D.s Seite schaut. Er ist nunmal nicht flüchtig, sondern offiziell auf freiem Fuß. Welche Alternativen hat er / hätte er gehabt? Wo hätte er hingekonnt, wenn nicht zu Verwandten?
Wohin sollen Menschen gehen, die per Gericht nicht in eine Sicherheitsverwahrung kommen?
Weltverbot erteilen geht ja schlecht...

Wie geht man mit einer derart desolaten Situation denn nur um?

Ratlose Grüße
Sal
 
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Oh Kraus, oh Kraus!

Salem schrieb:
Ich geb ja zu, ich bin angesichts der Entwicklung zu dem Thema irritiert bis überfordert.

Salem, die geschilderte Situation erscheint auch mir überfordernd.

Für mich steckt darin ja nicht nur die Problematik des Prangers und der Resozialisierung von Straftätern,
mich erinnern solche Geschichten auch immer an den Vorfall mit einem Sexual-Lustmörder, der mehrere Frauen
vergewaltigt und ermordet hat.

Dieser Mann wurde verurteilt, in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingeliefert, und dort therapiert.
Nach einigen Jahren hat der behandelnde Psychiater befunden, dass dieser Mann geheilt ist,
und hat seine Entlassung aus der Anstalt empfohlen.
Der "geheilte" Mann war weniger als eine Woche in Freiheit, und schon hat er die nächste Frau vergewaltigt
und ermordet.

Da hätte ich aber am liebsten den Psychiater erwürgt, der diesen Mann als geheilt entlassen hat,
denn eigentlich pfeifen es ja längst die Spatzen vom Dach, dass Lustmörder schlichtweg nicht therapierbar sind.
Die bleiben für ihr Leben lang eine tickende Zeitbombe, und müssen deshalb zum Schutz der Bevölkerung
für den Rest ihres Lebens in Sonderanstalten verwahrt bleiben.

Aber verrückte Psychiater bilden sich halt immer wieder ein, etwas reparieren zu können, das irreparabel ist.
Und da rümpfen die Damen und Herren Psychiater ihre Nase darüber, dass in der Hochblüte des Psychoanalyse-Wahns
ein gewisser Herr Karl Kraus gemeint hat:

Psychoanalyse ist die Krankheit, für deren Therapie sie sich hält.



Das musste auch einmal in aller Klarheit gesagt werden.
 
AW: Vorbeugender Opferschutz oder Täterschutz?

dem Entlassenen
bleibt nur die Flucht nach vorne

ich stelle mich öffentlich allen Fragen
und erkläre,
wer oder was ich bin
bzw. wie ich mich sehe
 
AW: Vorbeugender Opferschutz oder Täterschutz?

@Neugier:
Ist das der Erfolgsdruck unter den sich Psychologen setzen?
Ich meine ein Arzt der nicht heilt, sieht sich vielleicht als Versager.
:confused:
Die Verbindlichkeit der Aussagen "nicht heilbar" "nicht therapierbar" wird vielleicht auch als mangelnde Kompetenz ausgelegt?

Nur gerade in dem Fall, wurde ein Gutachten mit einer relativ hohen Rückfallwahrscheinlichkeit ausgesprochen, warum wird sowas dann von Richterseite übergangen?

@Scilla:
Er hat ja bereits die Flucht nach vorne angetreten, zumindest in den Medien.
Er sieht das alles ja auch ganz anders. Was willste denn da noch machen?
Fakt ist, er bleibt was er ist, ein verurteilter Sexualstraftäter, der sich trotz erhöhter Wiederholungsgefahr, legal auf freiem Fuß befindet.

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Gestern abend im TV-Interview:
Die Bürger schneiden, beleidigen und bedrohen nun seinen Bruder, weil dieser ihn aufgenommen hat.
Warum?
Weil dieser Mann sagt, egal was D. tat, er ist nunmal mein Bruder.
Warum sieht keiner, dass für diesen Bruder nichts mehr so leicht ist wie es mal war.
Was würde ich tun, hätte ich einen solchen Täter zum Bruder?
Ich habe keine Ahnung...

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Ich kann in dem Fall selber alle Positionen verstehen, sogar den Täter. Man gibt ihm Freiheit, er hat sie angenommen, was auch sonst?

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Ich bin gespannt auf die Revision, und hoffe, dass die derzeitige Entscheidung widerrufen wird und er doch noch in die Sicherheitsverwahrung kommt. Mir scheint nur diese Möglichkeit gibt es, ansonsten wird das wohl nicht aufhören und noch schlimmer werden.
 
AW: Vorbeugender Opferschutz oder Täterschutz?

Hallo !

Vor die Alternative gestellt würde ich den Opferschutz vorziehen; ideal wäre natürlich, wenn die Mittel für den Schutz beider zur Verfügung stünden.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Vorbeugender Opferschutz oder Täterschutz?

wenn die Mittel für den Schutz beider zur Verfügung stünden.

Im Moment zumindest ist das ja auch so.
Die Anwohner hätten ihn wohl sonst schon gemeuchelt...
Aber das kann ja nicht ewig so weitergehen, das Polizeiaufgebot ist ja auch ne Kostenfrage.

Aber aus deiner Antwort schliesse ich, dass für dich in dem Fall bedeutet, dass die Entscheidung den Täter bekannt zu geben, für dich zum Opferschutz zählt?
 
AW: Vorbeugender Opferschutz oder Täterschutz?

Aber aus deiner Antwort schliesse ich, dass für dich in dem Fall bedeutet, dass die Entscheidung den Täter bekannt zu geben, für dich zum Opferschutz zählt?
Ja, zum vorbeugenden Opferschutz.

Interessant wird es in Eurem speziellen Fall, wenn der ehemalige Sträfling den Wohnort wechseln will; da wird wohl irgendein Ablenkungsmanöver vonnöten sein, sonst hat er wieder keine Chance auf einen Neubeginn.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Vorbeugender Opferschutz oder Täterschutz?

Die Anwohner hätten ihn wohl sonst schon gemeuchelt...

das wäre Mord (und kein Totschlag)

sonst hat er wieder keine Chance auf einen Neubeginn

ich habe diesen Fall nur am Rande mitbekommen

die einzige Chance,
die er hat,
ist,
sich öffentlich zu stellen
und durch sein Verhalten die Bevölkerung zu beschwichtigen

die Frage, die er mir zu beantworten hat,
ist,
wie er Buße zu tun gedenkt
 

Repertoire-Erweiterung angesagt ?

Salem schrieb:
... Nur gerade in dem Fall, wurde ein Gutachten mit einer relativ hohen Rückfallwahrscheinlichkeit
ausgesprochen, warum wird sowas dann von Richterseite übergangen? ...

Salem, sollte ich vielleicht in der nächsten Saison mein Lustmörder-Repertoire ein klein wenig erweitern,
und nicht nur Psychiater erwürgen, sondern zwischendurch auch den einen oder anderen Richter ?


Vorerst begnüge ich mich noch mit einer gefährlichen Drohung.

Rhudi reminds you: Never ever forget, Big Neugier is watching you !
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........) @ @ (...........
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Zurück zur Problematik des öffentlichen Prangers.


Salem hat schon im Eröffnungsbeitrag ihr zwiespältiges Verhältnis zum öffentlichen Pranger angedeutet.
Damit der Zwiespalt nicht in der Diskussion untergeht, möchte ich noch einmal darauf eingehen.

Der Wunsch der Bevölkerung, über Gefahrenherde in der unmittelbaren Nachbarschaft informiert zu sein,
erscheint auf den ersten Blick durchaus nachvollziehbar und verständlich.

So nach dem Motto: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt!

Wenn diese Information behutsam und faktengetreu erfolgt, erscheint sie zunächst auch legitim.

Problematisch wird die Sache dadurch, dass diese Informationsarbeit sehr leicht in eine Menschenhatz und
Selbstjustiz abgleitet, insbesonders wenn sie von Medien oder politischen Parteien instrumentalisiert wird.

Skrupellose Medienleute schieben nur allzugerne jegliches Vorsichtsgebot beiseite, wenn sie eine "Story" riechen.

In England wurde beispielsweise vor nicht allzulanger Zeit ein älterer Herr beschuldigt, pädophilen Aktivitäten
nachzugehen. Medien haben sich auf diesen Vorwurf "draufgesetzt", und die Information der Nachbarschaft übernommen,
was sich zu einer scheusslichen Hetzkampagne entwickelt hat, mit der dieser Mann in den Selbstmord getrieben wurde.
Erst nach diesem Selbstmord wurde gründlich recherchiert,
und dabei stellte sich dann heraus,
dass der Pädophilie-Vorwurf zu unrecht erhoben worden war.

Dieses Beispiel illustriert die Missbrauchsanfälligkeit des Prangers, und sollte zur Wachsamkeit und
Behutsamkeit mahnen.

Selbst wenn der erhobene Vorwurf in der Substanz korrekt ist, kann Selbstjustiz in einer Gesellschaft
mit einem hochentwickelten Rechtssystem nicht toleriert werden.

Der Pranger, Gottesurteile, Hexenverbrennungen, das sind typische Remineszenzen an das Mittelalter.
Damals wurden sie als Instrumente der Rechtspflege akzeptiert, aber inzwischen haben sich glücklicherweise
etliche Gesellschaften so stark weiterentwickelt, dass diese Instrumente in den heutigen Rechtssystemen
keinen Platz mehr haben.


Wenn heutzutage ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung mit prangerähnlichen Vorgangsweisen sympathisiert,
so dürfte das eher ein Indiz dafür sein, dass Legislative und Judikative die Gratwanderung zwischen Schutz
der Persönlichkeitsrechte und Begünstigung eines gesellschaftsschädigenden Verhaltens nicht geschafft haben.

Anscheinend ist durch exzessive Auslegung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte und durch ausufernde
Diskriminierungsverbote bei vielen Menschen der Eindruck entstanden, dass unsere Gesetze und die Spruchpraxis
der Gerichte einen vorbeugenden Täterschutz wichtiger erachten als einen Schutz der Bevölkerung
vor Straftätern.
Bei solchen Usancen ist es dann eigentlich nicht weiter verwunderlich, wenn der Bevölkerung "der Kragen platzt".

Korrekturmaßnahmen müssten demnach bei der Legislative und Judikative ansetzen.


Das musste auch einmal in aller Klarheit gesagt werden.
 
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