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Vergessene Verben

Thorsten

New Member
Registriert
26. März 2007
Beiträge
1.114
Folge I: Zeihen

Gerade fiel mir ein Verb auf, das selbst ich sehr selten benutzt habe und das auch ganz ungebräuchlich ist: jemanden etwas zeihen (richtig mit Genitiv). Im Sinne von: jemandem etwas vorwerfen, über jemanden etwas behaupten.

"Ich zeihe Dich des Mißbrauchs meiner Tochter" -

das wäre ein Beispiel; heute würde man sagen: "Ich klage Dich an, weil Du meine Tochter" etc. oder: "Ich werfe Dir den Mißbrauch meiner Tochter vor."

Die letzten beiden Varianten verlagern die Verantwortung des Urteils an Dritte, die dann über den Vorfall zu entscheiden hätten. Das "Zeihen" ist direkter und forderte - vielleicht sogar - Selbstjustiz.

Übriggeblieben ist das allbekannt zwischenmenschliche "verzeihen", das meist fragend gebraucht wird: "Verzeihst Du mir?". (Aber was denn eigentlich? Wessen hättest du mich je geziehen?) Üblich dagegen ist die Wendung "Ich entschuldige mich", die den Sprecher von aller Verantwortung lösen soll, ohne daß der Zeihende gefragt ward. Die "Entschuldigung" löst den Zusammenhang zwischen Geschädigtem und Schädigendem auf und fordert die Anerkenntnis dessen, der sich vergangen hat. Tätersprache. Denn wessen könnte der, der sich entschuldigt hat, noch weiter geziehen werden?
 
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AW: Vergessene Verben

Neckischer Thread, Thorsten!
Da fällt mir ein Wort ein, das ich in der marxistischen Primärliteratur, die wir lesen mussten, oft vorfand:

erheischen

Dieses erheischt jenes. Das heißt so viel wie: Dieses erfordert jenes.
Erheischen und erfordern sind mMn nach Synonyme.

Der Witz war damals, dass unsere Marxismus-Dozenten, wenn im Seminar diskutiert wurde, dieses "erheischen" auch in der gesprochenen Rede immer schön sklavisch gebraucht haben - obwohl sie das sonst "im Leben" nie taten.
Ein interessantes Symptom geistiger Dressur, würde ich sagen.

LG, pispezi :zauberer2

PS: Dann gibt es noch: "Ich mache mich anheischig, dieses und jenes zu tun. Das heißt, glaube ich(!), soviel wie: Ich biete an, dieses und jenes zu tun.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
AW: Vergessene Verben


Auch das Verbum Simplex heischen sollte hier erwähnt werden. Dies bedeutet so etwas wie bitten, verlangen, fordern.
Je nach Kontext mal unterwürfiger, mal Faust-auf-den-Tisch schlagend fordend.

Es gibt z. B. Heischebräuche. Das Kurendsingen in der Advents- und Weihnachtszeit.

Oder an Fasnacht. Da zogen wir maskiert durch Dorf zu jedem Laden, stellten uns davor auf und riefen immer wieder den Spruch: Beim Bender gôt a Bombagschäfft, bomm bomm bomm. Und die so lange, bis wir mit Bomboms beruhigt wurden. War man einmal durch, so startete eine neue Runde. Und noch eine, aber da gab es meist nichts mehr.

Als Knabe ging ich an Ostern zu allen Verwandten und sagte dann das Sprüchlein: gelobt sei Jesus Christus, ich möcht bitten um eine rotes Ei.

Das bekam ich denn auch und dazu ein Geldstück; das manchmals sogar ein Fünfmarkstück war.

Übrigens:
Der gute alte Karl May, also nicht der vom Karl-May-Verlag verschandelte, ist eine opulent sprudelnde Quelle solcher vergessener oft fremdsprachlicher Wörter und Verben.

- rekognszieren
- effektieren
- equipieren
- molestieren
- pagayen

- Contrabande
- Vizinalstraße
- Roué
- Vizinalstraße

Gruß Fritz
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Vergessene Verben

Nicht ärgern, manchmal gibt's ja auch Spaß,

Also Iiiiiiiiihh ärgere mich nicht.:)

Nich zwengs sowas. Manchmal lasse ich Tippfehler, die ich noch entdecke, stehen. wenn und weil das falsche Wort mir gefällt.

Bei löcken ist die Korrektur angebracht, da sonst sich bei Leuten, die dies Wort nicht kannten, eine fehlerhafte Form einnistet.

Ansonsten aber meine ich: Wer einen Tippfehler bei mir findet, darf ihn behalte.

Noch ein paar vergessene Wörter.

Aus Haus und Hof:

Souterrain
Plafond
Trottoir
Vestibül
Entrebillett
Remise

und nun mal deutsche, meist nur im Dialekt vorkommend:

Eher Landwirtschaft:

Grummet
Kummet
Micke
Büttel
Feldschütz
Eschhey
Bannwart

Hier ist zu bemerken, dass die Industrialisierung diese Dinge und damit auch die Wörter verschwinden machte.

keien
progeln
fürbass
gratteln
pfausen

Und wieder fremdländischer Herkunft.

ästimieren
flattieren
schassen

By the way: Es giebt zu Goethe ein Büchlein namens:

Goethes merkwürdige Wörter, Ein Lexikon von Martin Müller, ISBN-10: 3-534-19078-5.

Daraus

Mansch
Mengsal
Metze
Misel
Neige

Gruß Fritz
 
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