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Peter Hartz oder eine Form der Landschaftspflege

Miriam

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26. Juni 2005
Beiträge
9.722
Ich weiß ja nicht wie es Euch geht wenn Ihr so etwas liest: Peter Hartz erwartet höchst wahrscheinlich nur eine Bewährungsstrafe.
Nein, es geht dabei natürlich nicht um die Abstrafung der zweischneidigen, besser gesagt mittlerweile höchst umstrittenen Reformen die seinen Namen tragen – auch darüber sollten wir uns vielleicht später unterhalten.

Mir geht es diesmal um das Thema Landschaftspflege das ich nun auch mit dem Namen Hartz verbinde. Und seine Landschaftspflege färbt für mich persönlich nochmals auf den unsozialen Charakter der Reformen ab. Denn bei beiden geht es um Finanzmittel – um solche die extrem gekürzt werden – oder aber den anderen, die verprasst werden.
Irgendwie scheint da auch eine Verbindung zu bestehen, denn um Geld oder andere Güter streuen zu können, muss man sie ja von irgendwo nehmen.

Für diejenigen denen der Begriff Landschaftspflege in Bezug auf die Verquickungen zwischen Wirtschaft und Politik nicht geläufig ist, hier eine kurze Erklärung.
Der Begriff wurde anlässlich der Flick-Affäre geprägt und bezeichnet die heimlichen Zuwendungen der Wirtschaft an Politiker. Diese erfolgen ja nicht immer nur in Barzahlungen – nein, auch ideellere Werte wie z.B. Besuche in Edelpuffs (na ja, sagen wir: käufliche Liebe...), sind damit gemeint.
Es wurde geschmiert was das Zeug hielt – und es wird weiter die Schmiere eingesetzt dort wo man die Rädchen der Politik geschmeidiger, flexibler machen möchte. Käuflichkeit könnte man das auch nennen – aber Landschaftspflege ist nicht nur zutreffender, es klingt irgendwie auch besser.

Nun mal zu Peter Hartz. Mich hat persönlich unter anderem die Unverfrorenheit berührt mit der er gestern in die Kameras blickte. Er hat sich nichteinmahl das Gesicht hinter einer Zeitung, hinter den hoch gezogenen Kragen seines Sakkos versteckt, nein, er blickte mir in die Augen via einer Unmenge an Kameras.

Dabei geht es im Prozess um Lustreisen, um Schmiergelder, kurz um Korruption – und ich stelle mir den früheren Personalvorstand des VW-Konzerns vor wie er geschickt zwei Bilanzen parallel bearbeitet – hier eine zu den zum Teil bitteren Einsparungen, da eine zweite Bilanz der Ausgaben für die notwendige Schmiererei.
Und die große, viel versprechende Arbeitsmarktreform dieses Landes trägt seinen Namen. Das geht anscheinend sehr gut, die Doppelmoral dieser Gesellschaft empört zwar weiterhin – ich befürchte aber es sind hauptsächlich diejenigen die von seinen Einsparungen betroffen sind und die Bevölkerungsschichten die es werden könnten. Oder solche, die noch immer denken, dass Erneuerer, Reformatoren uneigennützig handeln und sogar etwas wie Weltverbesserer sind.
Nun, das sind sie sicherlich nicht. Aber die Art wie man das alles so hinnimmt, wie das fast nur symbolisch abgestraft wird, ist doch sehr bedenklich.

Gruß von Miriam
 
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AW: Peter Hartz oder eine Form der Landschaftspflege

Danke Miriam, schöner Beitrag. Ich muss es nochmal in deutlichere Worte fassen.

Für die, dies vergessen haben, Peter Harz ist der „Erfinder“ der aktuellen Sozialreform in Deutschland. Manche nennen es Sozialabbau.

Interessant ist, dass die Menschen es ohne weiteres hinnehmen, von einem „möglicherweise :eek: Kriminellen“ ihr Sozialsystem reformieren zu lassen und Einzelheiten zu Zumutbarkeiten und angemessenem Lebensstandard vorschreien lassen. Gerade vor dem Hintergrund der Anklageschrift im Hinblick auf seinen Umgang mit Geldern, sollte hier ein Aufschrei durch den Schlafsaal gehen.

Wie gesagt, Dummheit darf man nicht ansprechen, dann gilt man als arrogant. Die Sache wird wieder ein Fall für die Relativierer und Rechtfertiger. Aber wer das schon verschläft, wird die Praxis des "Handels" vor Gericht auch zu relativieren wissen.

Liebe Grüße
Bernd
 
AW: Peter Hartz oder eine Form der Landschaftspflege

Miriamund Bernd,
Das treffendste Wort in diesem Prozeß ist nicht die Landschaftspflege, sondern das, was sein Verteidiger, RA Müller, sagte in Bezug auf die brasilianische Geliebte, die für ihre horizintalen Dienstleistungen neben üppigen Sachzuwendungen rd. 300 000 € erhielt. Er sagte, das Verhältnis diente "der Pflege interkultureller Beziehungen". Das Wort habe ich mir gemerkt, das ist in meinen verinnerlichten Sprachschatz eingegangen. Im Bedarfsfalle werde ich darauf zurückkommen, daß ich meine mir noch verbliebene Kraft einer solchen Pflege geopfert habe.

Z.
 
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AW: Peter Hartz oder eine Form der Landschaftspflege

Wie kommt eigentlich jemand der sich als großer Könner in Sachen Bestechung, Korruption, etc… erweist, wie kommt es dazu, dass gerade er mit dem Entwurf so genannter sozialer Reformen beauftragt wird?
Vergessen wir nicht: es sind Reformen die für sehr viele das endgültige Rücken an dem Rand der Gesellschaft bedeutet, ein Rand von dem fast kein Weg mehr zurückführt? Programme die sich trotzdem als "sozial" betiteln – und die noch dazu die Zustimmung der Politiker finden?

Ist ein Teil der Antwort nicht darin zu finden, dass man Hartz IV auch noch als besonders motivierend betrachtet?

Bernd, ich habe festgestellt, dass sich unsere Wege des Öfteren schon gekreuzt haben wenn es um diesen Themenbereich ging.
Im Thread "Deutschland – ein reiches Land?" gibst du zum Teil auch schon die Antwort auf die Fragen die ich oben formuliert habe:

Bernd schrieb:
Armut an Motivation? Das unterstellen wir seltsamer Weise nur den Ärmsten, den Verzweifelten und denen, die jeden Tag Überstunden leisten müssen, weil sie sonst gekündigt bekommen. Den Ärmsten zwingen wir Jobs auf, die sie demütigen, den "unmotivierten Arbeitenden" saugen wir auch noch den letzten Tropfen Blut aus.

Für die Staatsverschuldung ist der Staat verantwortlich. Hier wieder mit dem motivationslosen Bürger zu kommen, ist doch wirklich arm.

Im selben Thread hatte ich schon mal den Soziologen Paul Nolte zitiert, der all diese Sozialprogramme eine "fürsorgliche Vernachlässigung" nennt.
Wie sehr sie es sind, erweist sich meines Erachtens durch den Korruptionsskandal um Peter Hartz einmal mehr. Denn einen Hartz traue ich nicht zu sich tatsächlich auf Soziales einzulassen. Den Entwurf von sozialen Programmen einem ansozial handelndem anzuvertrauen, ist Ausdruck einer politischen Unverantwortlichkeit.

Was aber könnte der wahre Hintergrund sein der es erlaubt einem Peter Hartz solche Programme zu entwerfen die dann noch von einer Bundesregierung umgesetzt werden?
Weiter aus demselben Thread noch ein Zitat:

Bernd schrieb:
Wenn ich die Menschen als Kapital sehe, werde ich sie auch behandeln wie Kapital. Schneller Wechsel, dort eingesetzt, wo ich die brauche, so billig wie möglich, so effektiv wie möglich, so leistungsfähig und duldsam, so gesund und so anpassungsfähig wie möglich. Menschenmaterial.

Ich denke, dass es mittlerweile noch etwas dramatischer aussieht: das Kapital benötigt die Menschen hier in Deutschland nicht einmal mehr als lebendiges Kapital. Man lässt das Kapital anderswo arbeiten, entweder im Ausland weil da die billigere Arbeitskraft noch sicherer und schneller eine Gewinnmaximierung erlaubt, oder aber direkt an der Börse.
Beides führt zur so genannten Prekarisierung – auch ein Aspekt der Globalisierung, den wir nicht vergessen sollten, dem man aber mit tatsächlich sozial ausgerichteten Programmen vorbeugen hätte können. Deutschland besitzt eine Menge qualifizierter Soziologen und Politikwissenschftler auf diesem Gebiet.

Dies ist aber nicht das eigentliche Thema dieses Threads. Man muss es aber wenigstens am Rande erwähnen, wenn man von der Korruption spricht die anscheinend schon so gesellschaftsfähig wird, dass sie, die Höhe der Schäden die sie angerichtet hat außer Acht lassend, mit Bewährungsstrafen geahndet wird.

Ziesemann – so bringt für jeden ein solcher Prozess wie der hier besprochene, doch auch seine Lehren und Nutzen.

Gruß von Miriam
 
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