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Nicht alle Tassen im Schrank?

Timirjasevez

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14. Oktober 2010
Beiträge
2.060
Selten, aber ausreichend oft ertappe ich mich beim Lesen von Beiträgen in Online-Foren bei dem abfälligen Gedanken, der/die Verfasser(in) habe wohl "nicht alle Tassen im Schrank." Bekannt auch als "einen Sprung in der Schüssel haben."
Nun fand ich beim Hinterfragen den Hinweis, dass der obige Ausdruck keinen Bezug zur Tasse als Geschirr zum Genuss von Getränken und Suppen hat, sondern hier "Tasse" als Verballhornung des jiddischen Wortes toshia, welches "Verstand" bedeutet, steht.
Habt ihr ähnliche Beobachtungen gemacht?
Aber bitte: Ich ahne schon den hämisch-spöttischen Duktus spontaner Antworten!
Gemeint ist hier - dem Unterforentitel entsprechend - natürlich der Bezug auf Redewendungen und Redensarten.
 
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AW: Nicht alle Tassen im Schrank?

Selten, aber ausreichend oft ertappe ich mich beim Lesen von Beiträgen in Online-Foren bei dem abfälligen Gedanken, der/die Verfasser(in) habe wohl "nicht alle Tassen im Schrank." Bekannt auch als "einen Sprung in der Schüssel haben."
Nun fand ich beim Hinterfragen den Hinweis, dass der obige Ausdruck keinen Bezug zur Tasse als Geschirr zum Genuss von Getränken und Suppen hat, sondern hier "Tasse" als Verballhornung des jiddischen Wortes toshia, welches "Verstand" bedeutet, steht.
Habt ihr ähnliche Beobachtungen gemacht?
Aber bitte: Ich ahne schon den hämisch-spöttischen Duktus spontaner Antworten!
Gemeint ist hier - dem Unterforentitel entsprechend - natürlich der Bezug auf Redewendungen und Redensarten.


Interessant wäre jetzt noch die Herleitung des sicher jiddischen Wortes "Schrank".
Noch aufregender finde ich das Wort "Verballhornung". Darin steckt ..verbal..Ball...Horn...die germanische Endung ...nung. Es kann aber auch ein uralter Begriff aus der Bundesliga sein, der sich auf die frühere Form der Fußbälle aus zwiegenähtem Leder bezog. Je häufiger man dagegen trat, umso mehr verhornte er. Also eher: Ballverhornung.-
Perivisor
 
AW: Nicht alle Tassen im Schrank?

Noch aufregender finde ich das Wort "Verballhornung". Darin steckt ..verbal..Ball...Horn...die germanische Endung ...nung. Es kann aber auch ein uralter Begriff aus der Bundesliga sein, der sich auf die frühere Form der Fußbälle aus zwiegenähtem Leder bezog. Je häufiger man dagegen trat, umso mehr verhornte er. Also eher: Ballverhornung.-
Perivisor

Mir fällt hier auch noch der Ball (z.B.Opernball) als gesellschaftliches Ereignis ein. Dort bekam man sicher auch das ein oder andere "Horn" aufgesetzt...
 
AW: Nicht alle Tassen im Schrank?

Noch aufregender finde ich das Wort "Verballhornung".

Das ist - mit Verlaub zu sagen - eine Volksetymologoe.

Das Verb rührt her von einem Lübecker Drucker im Spätmittelalter namens "Balhorn".

Der druckte Werke aus dem Oberdeutschen, also aus Süddeutschland - im Niederdeutschen nach.

Dabei unterliefen ihm und seiner Druckerei recht viele Fehler; er hatte also die Bücher verschlimmbessert.

DAS meint: etwas verballhornen.

=> ver|ball|hor|nen ánach dem Buchdrucker Bal[l]hornñ (verschlimmbessern);

(c) Dudenverlag.
 
AW: Nicht alle Tassen im Schrank?

der/die Verfasser(in) habe wohl "nicht alle Tassen im Schrank."

Dazu gibt es folgenden Bericht:

Christa Reinig, Tassen im Schrank„Diese Reinig hat ja nicht alle Tassen ich Schrank.“
Nun gut, an die Kanonade von Valmy kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich war dabei, als die Redensart von den "Tassen in Schrank" geboren wurde, und ich kann sagen, ich habe daran mitgewirkt. Damals war ich Lehrling ich Reichsnährstandsverlag und hatte Adler und Schwert ich Wappen, und rundrum stand in gotischen Lettern "Blut und Boden". Nun verziehen Sie aber ganz hübsch das Mäulchen; hi Pfui, diese Reinig. Seis drum. Wir Lehrlinge, zwölf an der Zahl, gingen in die Berufsschule, alle in dieselbe Klasse, und hatten mit Hilfe einer Urkundenfälschung die Personalabteilung davon unterrichtet, daß der Schulunterricht bis nachmittags um halb viere andauere. Der Gedanke, daß wir eines Tages entlarvt, abgeholt und allesamt im Konzertlager enden würden, erfüllte uns mit gruselndem Entzücken. Wir Kinder wir! . Jedenfalls hat die Aussicht auf strenge Strafen verhindert, daß
der Betrug je verraten wurde. So verließen wir also zweimal wöchentlich um halb eins unsere Schule, fuhren zum Alexanderplatz und wählten uns eines von den fünfzig Tageskinos aus. Nach dem Film erschienen wir dann ich Betrieb, stürzten in die Kantine, wo uns um vier unser Mittagessen nachgeliefert werden mußte. (Auch waren die Köche und Serviererinnen auf uns sauer). Die halbe Mittagsstunde, die uns vertraglich zustand, dauerte bis kurz vor halb sechse, und wir kamen mit knapper Not vor dem Klingeln an unserem Arbeitsplatz an. Zweimal in der Woche.
Dann aber machte sich der Krieg auch in Berlin langsam breit. Die Kinder auf den Straßen riefen im Chor: Lichterfelde - Trichterfelde, Charlottenburg - Klamottenburg, Steglitz - Steht nix. Wir konnten auf dem Stadtplan nachschauen, wann wir drankamen. Zuvörderst aber kam der Alexanderplatz dran und alle unsere kleinen, dreckigen Tageskinos, in denen man manchmal sogar noch einen Floh erwischen konnte, verschwanden unter Kalkstaub und Brandgeruch. Wir liefen auseinander. Nach der Schule ging jeder seiner Wege. Unser Eintreffen in der Betriebskantine um vier Uhr war ein Gewohnheitsrecht geworden. Wir mußten nicht mehr zusammenhalten.
In dicken Romanen lese ich manchesmal kopfschüttelnd nach, was ich und meinesgleichen damals alles gedacht, gesagt, empfunden und gelitten haben. Ich kann mich ziemlich genau erinnern: Ich habe nur eines empfunden und gelitten, die Sorge, ob ich wohl Angst haben würde, wenn ich plötzlich »ich Feuer« stehe. Aus den Jubelrufen meiner Mitlehrlinge und Schulkameradinnen: "Wir sind ooch ausjebombt" und ihrer Erleichterung konnte ich hören, daß es ihnen ähnlich gegangen war. Dann hatte auch ich meine Bomben abbekommen und kein bißchen Angst empfunden und war entsprechend aufgedreht. Ich war nun in der Obdachlosenunterkunft und trug als neues Rangabzeichen den Suppenlöffel durchs Mantelkragenknopfloch gesteckt. Vom dreckstarrenden Haarbusch bis zu den bestaubten Turnschuhen muß ich wohl aus- gesehen haben wie ein verfrühter Hippie, von dem die letzte Blüte abgefallen ist. Nur daß ich nicht nach Fusel und nach Pot duftete, sondern nach Kalk und kaltem Rauch.
Elfriede Natzel war noch ganz geblieben, hatte aber in der Nachbarschaft löschen geholfen. Das galt als Vorprobe, aber nicht als vollgültige Prüfung, weil ihre Wohnung Doch nicht kaputt gegangen war. Vera Nikolaus dagegen war vom Krieg bisher übersehen worden und mußte ihrer Mutter abwaschen helfen und war tief niedergeschlagen. Wir drei also fuhren von der Schule aus zu Vera, um das Geschirr abzuwaschen. Elfriede und ich setzten uns an den Küchentisch, betrachteten Veras Fotosammlung, Mengen von Soldatenfreunden. Vera wusch allein das Geschirr ab. Aus dem Gespräch entwickelte sich alsbald ein Streit, Schimpfworte wechselten hinüber und herüber. Das übliche "verrückt, bekloppt“ war bald vertan. Es kamen die anspruchsvollen intellektuellen Schöpfungen der goldenen Zwanziger zur Sprache: „Du hast wohl nicht alle Antennen am Sender“, „Deine Verstärkerröhre is jeplatzt“. Dann ging uns die Munition aus. Ich ließ meine Augen umherschweifen und ergriff, was ich gerade sah: Ich nannte Vera einen „von Mäusen angeknabberten Küchenstuhl“, „eine eingeweichte Tüllgardine“, „eine einzinkige Gabel“. Sie durchschaute das System meiner Geheimwaffe und baute es nach, sie bedachte die Feindseite, mich und Elfriede, als „einjährigen Abreißkalender“, „von der Wand gefallene Geburtstagskarte“ und fing an, das Geschirr in den Schrank zu räumen. Da überbrüllte uns Elfriede und gabs ihr: „Du hast ja nicht alle Tassen im Schrank!“
Was dann geschah, das weiß ich genau, ich sehe sogar noch die mobilen Gegenstände von Veras Küche vor mir, die wir ich Übermut durch die Luft warfen und die wunderbarerweise nicht entzweigingen. Wir lachten eine unaufhörliche dreifache Narrenlache. Wir tobten in dem Raum umher wie die Besessenen. Erst all wir uns beruhigt hatten, unsere Mäntel nahmen und uns auf den Weg in den Betrieb machten, konnten wir wieder artikulieren, und wir artikulierten ich Takt „Tassen im Schrank Tassen im Schrank, du hast nicht al-le Tassen im Schrank, Tassenimschrank!“
In unserer Klasse gab es einige zwanzig Berufsschülerinnen, zwölfe, die stärkste Minderheit vom Reichsnährstandsverlag, drei oder vier von der Firma Rudolf Herzog, einige vom Kaufhaus Hertie, andere von den Berliner Verkehrsbetrieben und der Deutschen Reichsbahn. So verbreitete sich das Wort von den Tassen in der Textilbranche, in den Großkaufhäusern, in Straßenbahnen und Omnibussen und fuhr auf Reichsbahnschienen durchs Reich. Wir zwölf saßen in allen Abteilungen des Verlages, eines Betriebs von fast zweitausend Arbeitern und Angestellten. So ging das Wort durch alle Abteilungen. Unsere Lehrmädchen meldeten sich oft freiwillig zur Luftschutzwache und auch unsere französischen und belgischen Fremdarbeiter meldeten sich ebenso oft und an denselben Nächten freiwillig zur Luftschutzwache, so ging das Wort als Fremdwort in den romanisch-burgundischen Kulturkreis ein. Der Reichsnährstandsverlag hatte Dutzende Filialen in allen Agrarhauptstädten des Großdeutschen Reiches, die westlichste in Paris, die östlichste in Riga und nach dem Kriege zerstreuten wir uns über die ganze Erde.


Ob der wahr ist, mag jeder selbst entscheiden; zumindest ist die Geschichte guz erfunden.

Gruß Fritz
 
AW: Nicht alle Tassen im Schrank?

Im Thread Michael Schmidt-Salomon "Jenseits von gut und böse"
steht geschrieben:

...ich lese gerade in den letzten Zügen...

das könnte man MissVerstehen.

Ich bin heut albern! :rollen:
Daran ist die Rote Gräfin nicht ganz unschuldig

Lieber Schatz, ob ich will oder nicht, ich muss dich lieben, ob du willst oder nicht.:schaukel:

Entschuldigung! :guru:

:katze3:.:schritt:
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Nicht alle Tassen im Schrank?

...ich lese gerade in den letzten Zügen...

Stellt die Bahn ihren Betrieb jetzt etwa ganz ein? :verwirrt1


Ja, so mancher hat nicht alle Tassen im Schrank. Aber wer für alles offen ist, der kann nicht ganz dicht sein. :D
 
AW: Nicht alle Tassen im Schrank?

Lieber ein Schrank ohne Tassen als eine Dichtung ohne Öffnung...
 
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AW: Nicht alle Tassen im Schrank?

Selten, aber ausreichend oft ertappe ich mich beim Lesen von Beiträgen in Online-Foren bei dem abfälligen Gedanken, der/die Verfasser(in) habe wohl "nicht alle Tassen im Schrank." Bekannt auch als "einen Sprung in der Schüssel haben."
Nun fand ich beim Hinterfragen den Hinweis, dass der obige Ausdruck keinen Bezug zur Tasse als Geschirr zum Genuss von Getränken und Suppen hat, sondern hier "Tasse" als Verballhornung des jiddischen Wortes toshia, welches "Verstand" bedeutet, steht.
Habt ihr ähnliche Beobachtungen gemacht?
Aber bitte: Ich ahne schon den hämisch-spöttischen Duktus spontaner Antworten!
Gemeint ist hier - dem Unterforentitel entsprechend - natürlich der Bezug auf Redewendungen und Redensarten.
Interessant, wusste ich nicht (bitte nicht hämisch-spöttisch auffassen). Er gehört auch jedenfalls in diesen Themenkreis.

Wo manche Redensart herkommt und was sie genau bedeutet, könnte auch hier zu finden sein:

http://www.redensarten-index.de/links/links-redensarten.php

Liebe Grüße

Zeili
 
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