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kann - soll oder muss

M

Marianne

Guest
Aus gegebenem Anlass:


Nicht, dass ich jetzt im Stile der Regenbogenpresse über London “ plaudern” möchte.
Aber ein paar grundsätzliche Überlegungen drängen sich mir doch auf.

Mag nun durch sehr restriktive Einreise - und andere Politik in den USA die Angst vor dem Terror etwas geringer geworden zu sein - weltweit - ist sie gestiegen.
Bush schient das Gegenteil dessen bewirkt zu haben, was er so lauthals als Kampf gegen die Achse des Bösen verkündet.
Der Antiterrorkurs der USA ist kontraproduktiv, möchte ich mal behaupten.( Terror im Irak, Guantanamo, Koranschändungen).
Es bleibt sogar zu vermuten, dass sich auch nach einem Amtswechsel in den USA nicht mehr allzu viel an diesem Kurs ändern wird.
Amerika ist keine offene Gesellschaft mehr - wir hier in Eurpa noch ( wie lange?).Könnte es nicht sein - besser: ist es nicht so, dass gerade deshalb Europa das neue Kampfgebiet des weltanschaulich organisierten Terrorismus wird ( Madrid, London)?
Die viel beschworene Wertegemeinschaft Europas wird gerade jetzt wieder auf eine harte Probe gestellt.

Bleiben unsere Staatsmänner - halt so im großen und ganzem - bei der - na so im großen und ganzen - praktizierten Haltung der Toleranz?
Und der eigentliche Hund liegt meiner Meinung nach im Fakt - dass alle Europäer wissen, dass es höchste Eisenbahn ist, etwas gegen diesen Terror zu unternehmen - aber sich in der Mehrheit nicht von Idealen der Humanität trennen wollen.

Wie seht Ihr diese Frage - ist es möglich, dass die europäischen Staaten im Interesse der Terrorbekämpfung beispielsweise national souveräne Rechte an eine übernationale EU abzugeben bereit wäre. Luxembourg gegen Frankreich?
Liegt nicht gerade bei dieser Thematik der historisch normative Zwang des Faktischen in Richtung EU- Verfassung?
philosphischer Abschlussgedanke: zwingt uns nicht immer die Realität zum Handen, nicht die Ideen über irgendetwas.....
Marianne
 
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Marianne schrieb:
Aus gegebenem Anlass:



Bush schient das Gegenteil dessen bewirkt zu haben, was er so lauthals als Kampf gegen die Achse des Bösen verkündet.
Der Antiterrorkurs der USA ist kontraproduktiv, möchte ich mal behaupten.( Terror im Irak, Guantanamo, Koranschändungen).
Es bleibt sogar zu vermuten, dass sich auch nach einem Amtswechsel in den USA nicht mehr allzu viel an diesem Kurs ändern wird.
Amerika ist keine offene Gesellschaft mehr - wir hier in Eurpa noch ( wie lange?)..............................


philosphischer Abschlussgedanke: zwingt uns nicht immer die Realität zum Handen, nicht die Ideen über irgendetwas.....
Marianne

Liebe Marianne,

ich begrüße es sehr, dass du dieses Thema hier einbringst. Bevor wir uns mit der Kernfrage deines Beitrags befassen, möchte ich noch ein wenig bei der Rolle der USA in diesem Zusammenhang, bleiben.

Da fiel mir wieder Seymour Hersch ein, der Mann der eine grosse Rolle spielte in der Aufdeckung der Skandale und Machenschaften der Bush-Regierung.

Kulturzeit (3sat) hat einen sehr guten Beitrag über Seymour Hersch vor einiger Zeit gesendet, ich schlage Euch vor das schriftliche Material dazu zu lesen.
Ich denke, wir sollten diese Fakten kennen, denn sie zeigen uns den Kontext in dem die Terrorwelle die - befürchte ich - auf uns zurollt, entstanden ist.

http://www.3sat.de/kulturzeit/lesezeit/71189/index.html
 
Auch auf die Gefahr hin, mich hier als Unmenschin mit beschränktem Horizont zu outen, möchte ich doch auf einen bisher übersehenen Fakt hinweisen:

Realität ist das, was ich mit meinen Sinnen wahrnehmen kann!
Nicht das, was irgendwer (auch wenn es ein vertrauenswürdiger Berichterstatter oder Kameramann beim Fernsehen ist) über ein Ereignis berichtet und kommentiert, das ist Bericht und Kommentar. Die Realität über den Terror in London und seine Ursache kennt wahrscheinlich keiner, der in diesem Forum schreibt.

Marianne, ich nehme nicht an, dass du das so gemeint hast, aber genau in diesem Sinn kann ich deinem Satz
marianne schrieb:
philosphischer Abschlussgedanke: zwingt uns nicht immer die Realität zum Handen, nicht die Ideen über irgendetwas.....
zustimmen. Da der Terror nicht meiner Realität entspricht, zwingt er mich auch nicht zum Handeln. Denn ein Bericht ist für mich nichts anderes als Buchstaben auf Papier, die ich lesen kann oder vorgelesen bekomme, die ich aber auch nicht lesen kann und dann gar nicht weiß, dass so etwas geschehen ist.
Nicht, weil ich Terror als Bagatelle abtun möchte, sondern weil die nicht davon Betroffenen gar nicht handeln können und deswegen ihre Angst nur in Empörung umwandeln können. "Mein Gott, wie schrecklich, warum tut denn nicht endlich einer etwas dagegen!"
Und der eigentliche Hund liegt meiner Meinung nach im Fakt - dass alle Europäer wissen, dass es höchste Eisenbahn ist, etwas gegen diesen Terror zu unternehmen - aber sich in der Mehrheit nicht von Idealen der Humanität trennen wollen.
Werden die Terroristen von der Empörung oder vom Abbau der humanitären Ideale daran gehindert, weiter Terror auszuüben? Wird einer von ihnen deswegen rascher gefasst? Oder werden sie gar dazu bekehrt, vom Terror abzulassen? Das wäre schön, aber das wird so nicht funktionieren.

Empörung bringt vielleicht die Legislative und die Exekutive dazu, tätig zu werden, aber das erzeugt nur die Illusion, dass schon für Sicherheit gesorgt wird und dient damit nur der Beschwichtigung der Empörung.

Steigt mein Gefühl der Sicherheit, wenn ich damit rechnen muss, auch im eigenen Land verdächtigt zu werden, weil ich einem mutmaßlichen Terroristen evtl. ähnlich schaue? Steigt durch Einschränkung und Überwachung nicht auch das Aggressionspotential?

Es gibt keine totale Sicherheit, es gibt Gewalt und Terror und das hat auch Ursachen! Diese Ursachen lassen sich nicht einfach aus der Welt schaffen, denn solang es Macht und Unterdrückung, Reichtum und Armut, usw.... gibt, wird aus diesem Wechselspiel immer wieder auch Gewalt und Terror entstehen.
:schaukel:

Und wenn ich richtig informiert bin, dann ist Terror auch bisher schon kein legitimes Mittel zur Durchsetzung von Interessen gewesen. :autsch:


herzlich
lilith
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hallo, Miriam, Hallo Lilith !
Danke für Eure weiterführenden Denkanstöße.
Klar, Miriam, ist es nötig, genau über die Fakten orientiert zu sein, bevor man auf die philosophische Kernfrage eingeht: Sollen Ideen unser Handeln bestimmen oder bestimmt das faktische Geschehen unser Handeln.

Und darum ging es mir, liebe Lillith. Und das Geschehen, das geschehen muss/ kann oder soll ist meiner Einschätzung nach im Augenblick an der Frage der Terrorismusbekämpfung festgemacht.
Eine mögliche Form des - von den weltweiten Terrorakten erzwungenen Handlungszwanges ist die EU-Verfassung.

Hier stehen zwei - von uns Europäern im Verlaufe unserer Geschichte sich entwickelt habende Ideen einander gegenüber: die Autonomie des Nationalstaates und die ( neueste) Einsicht, dass der Kampf gegen Terrorismus nationalstaatlich alleine nicht mehr geführt werden kann, dass es dazu überstaatlicher demokratisch legalisierter Organe mit entsprechenden Kompetenzen : kurz: eine EU-Verfassung - braucht. Das ist - so denke ich - das, was auch Du, Lillith, als Realität anerkennst.
Und dieses zwingt uns Europäer eben gegen uns lieb und werte nationalstaatliche Werte zu handeln.

Das, was ich über Bush usw gesagt habe, war nur die dem Verständnis dienende Problembewusstmachung.

Liebe Grüße Euch beiden

Marianne
 
lilith51 schrieb:
Realität ist das, was ich mit meinen Sinnen wahrnehmen kann!
Nicht das, was irgendwer (auch wenn es ein vertrauenswürdiger Berichterstatter oder Kameramann beim Fernsehen ist) über ein Ereignis berichtet und kommentiert, das ist Bericht und Kommentar. Die Realität über den Terror in London und seine Ursache kennt wahrscheinlich keiner, der in diesem Forum schreibt.

Marianne, ich nehme nicht an, dass du das so gemeint hast, aber genau in diesem Sinn kann ich deinem Satz
zustimmen. Da der Terror nicht meiner Realität entspricht, zwingt er mich auch nicht zum Handeln. Denn ein Bericht ist für mich nichts anderes als Buchstaben auf Papier, die ich lesen kann oder vorgelesen bekomme, die ich aber auch nicht lesen kann und dann gar nicht weiß, dass so etwas geschehen ist.
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Werden die Terroristen von der Empörung oder vom Abbau der humanitären Ideale daran gehindert, weiter Terror auszuüben?

Hallo Marianne und Lilith,

werde mich später noch zu den beiträgen äussern, denn ich finde es ein wichtiges Thema.

Vorläufig nur so viel zu dir Lilith: mich haben deine Gedanken zu dem was du als Realität ansiehst, nachdenklich gemacht, ja sogar etwas erschreckt. Denn deine Auffassung kann sich ja nicht nur auf die Ereignisse Rund um den Terrorismus begrenzen.

Nein, wenn Realität nur das ist was du mit deinen Sinnen wahrnehmen kannst, dann verlieren natürlich auch die Gräueltaten während des zweiten Weltkrieges ihre Realität, auch die KZs mit ihren unendlichen Leid, kurz gefasst: alles, wo du nicht präsent warst. Auch diese Ereignisse sind dir doch nur vermittelt worden - du konntest sie nicht mit deinen Sinnen und Verstand unmittelbar erfassen.
Wobei ich mir in diesen Zusammenhang nicht den Satz verkneifen möchte: Da hast du aber Glück gehabt...

Ist es denn so, dass die KZs zum Beispiel nur die Realität der KZ- Häftlinge war und bleibt?
 
Hallo liebe Miriam!

Miriam schrieb:
Vorläufig nur so viel zu dir Lilith: mich haben deine Gedanken zu dem was du als Realität ansiehst, nachdenklich gemacht, ja sogar etwas erschreckt. Denn deine Auffassung kann sich ja nicht nur auf die Ereignisse Rund um den Terrorismus begrenzen.
Ich habe gelernt, zwischen Tatsachen und meinen Gefühlen und Gedanken dazu zu unterscheiden.
Auch meine Signatur drückt das aus.

Auch wenn ich mich aufrege, geschieht das was geschieht. Also rege ich mich nicht auf, ja ich gehe soweit, dass ich gar nicht darüber nachdenke.

Was dich erschreckt, könnte sein, dass das, was ich als Realität bezeichne, noch keinerlei Aussage darüber enthält, nach welchen Werten ich mich orientiere. Nachdem es aber meine subjektiven Werte sind, ist das für das jeweilige Ereignis nicht relevant.

Ich möchte das näher ausführen:
Etwas geschieht, ohne dass ich darin involviert bin. Ich höre davon. Ich sehe mir den Sachverhalt an und merke, dass ich, um zu verstehen was da geschehen ist, nicht genug Informationen habe.
Nach allem, was ich in meinem Leben schon erlebt habe, kann ich den Schluss ziehen, dass jedes Ereignis mehrere Ursachen hat und viele unterschiedliche Erklärungen hervorruft. Wenn ich also nicht direkt betroffen bin, dann ist es für die Betroffenen irrelevant, welche Erklärung ich dafür finde, denn die gilt nur für mich. Es dient lediglich der Formung meines Weltbildes, hat aber keinen unmittelbaren Einfluss auf das Ereignis an sich.

Ich beobachte, dass es so ist, dass es so funktioniert bei mir.
Ich beobachte auch, dass ich bei manchen Ereignissen emotional reagiere, aber ich habe gelernt, meine Emotionen wahrzunehmen und zu spüren, auch auszuleben, aber ich muss nicht handeln, um die Emotion loszuwerden. Denn mein Handeln als Nicht-Involvierte ist nichts anderes als eine Ersatzhandlung, die keinen Einfluss auf das hat, was wirklich geschieht .

Dein Hinweis auf die Realität der KZs bzw die Gräueltaten im 2. Weltkrieg ist da ein gutes Beispiel. Ich versuche keineswegs zu leugnen, dass es das alles gegeben hat und dass es für die Betroffenen grausam und schrecklich war und z.T. noch ist. Du hast Recht, ich bin sehr froh darüber, dass es nicht meine Realität war und ist.

Aber ich bin zutiefst überzeugt davon, dass kein einzelner von den Betroffenen deswegen weniger gelitten haben wird, weil ich zu Hause, jetzt nach 50 Jahren, darüber entsetzt bin. Ich empfinde es fast als Anmaßung, hier als Nicht-Betroffener zu glauben, ich könnte mitfühlen, wie es Betroffenen ergangen ist. Meine Empfindungen dazu sind einfach nicht relevant für die Betroffenen. ICH spiele hier keine Rolle.

Als mein Mann tödlich verunglückte, konnte ich es eine Zeit lang kaum ertragen, von jemandem mit den Worten "ich weiß wie schrecklich dir jetzt zumute ist" getröstet zu werden. Niemand konnte wissen, wie es mir ging. Die Vorstellung, wie das sein könnte, ist noch nicht das Erleben selbst.

Deswegen halte ich es nicht für notwendig, mir zu allem was geschieht Gedanken zu machen. Es gibt natürlich Themen, die mich deswegen interessieren, weil ich meinen Platz in der Welt kennen will und weil ich wissen will, wer ich bin. Aber es liegt mir fern zu glauben, dass ich ein allgemein gültiges Wissen darüber habe, warum die Dinge in der Welt so sind wie sie sind.

Das Thema ist ziemlich komplex, ich könnte noch einiges dazu sagen. Aber erst mal genug!

herzlich
lilith
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Und der eigentliche Hund liegt meiner Meinung nach im Fakt - dass alle Europäer wissen, dass es höchste Eisenbahn ist, etwas gegen diesen Terror zu unternehmen - aber sich in der Mehrheit nicht von Idealen der Humanität trennen wollen.

im thread Terrorismus bekämpfen heißt Frieden machen
habe ich folgendes geschrieben

1) Terroristen wollen durch ihren Terror einschüchtern,
um Macht ausüben zu können

2) die Gewaltbereitschaft von Widerständlern lässt nach,
wenn sie die Situation nicht mehr als ungerecht empfinden

3) Bin Laden ist tot
 
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als die Engländer im Irak gekämpft haben, sind sicher auch irakische Zivilisten getötet worden
 

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