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j.-p. sartre: der ekel -anyone?

kontur

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1. Dezember 2003
Beiträge
64
hab's vorhin ausgelesen, und abgesehen davon, dass der erwartete selbstmord des protagonisten doch nicht eingetreten ist bin ich absolut glücklich mit dem buch.
will jetzt eigentlich auch net groß beschreiben, worum's geht, vielmehr würd mich interessieren, ob es von euch jemand gelesen hat, bzw was ihr davon haltet...

k.
 
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Hi kontur,

ich habe es gelesen und mir hat es ebenfalls sehr gut gefallen; ich habe eine Vorliebe für diese Art "Helden", die aus einer bestimmten Einsicht heraus zum Leben unfähig zu sein scheinen. Ich denke, dass das den "modernen" Helden ausmacht ;).

Irgendwie habe ich das Gefühl, genau dies vor einigen Tagen schon geschrieben zu haben: Besonders begeistert hat mich die "Erkenntnis", dass es keine "Momente" / "Augenblicke" gibt... das wird von Satre unglaublich "schön" auf- und ausgebaut !

cf
 
vielen dank für deine antwort,
es freut mich zu lesen, dass es anderen leuten auch gefällt, bzw was ihnen daran gefällt.
immerhin ist das buch vielschichtig besonders in sofern, was man als leser daraus schließt. deswegen eben auch die frage im forum.

ein moderner held - gut, ich kann zwar der bezeichnung nicht so viel abgewinnen, aber ich denke, das trifft es gut.

hättest du vielleicht empfehlungen für mich; bücher mit solchen 'helden'?

gruß, k.
 
Hallo Ihr zwei,

tät mich doch interessieren, was Herr Sartre verfasste, doch fehlt mir noch ein bestimmter Anreiz- vielleicht stellt einer von Euch noch ein bissel klarer raus, was das Kernthema ist?
danke

gruß bine
 
Hallo kontur,

schön zu sehen, dass jmd. Literatur und auch einzelnen Begriffen ebenso "liebevoll" gegenübersteht, wie ich es von mir behaupten würde ;) Gegen den Begriff "Held" kann man sicher berechtigte Einwände haben, in der Literaturwissenschaft scheint es mir aber der gängigste Begriff für den "Hauptprotagonisten" zu sein.

Ich zähle hier einfach 'mal einige Werke auf, in denen der "Held" in meinen Augen ebenfalls diesen "Kriterien" gerecht wird und sich "krisenhaft" entwickelt:

1) Max Frisch: HomoFaber -> Sicher ein Standardwerk, auch wenn die krisenhafte Entwicklung (und das Problem überhaupt) hier nicht intellektuell gelagert sind, sondern viel mehr die Kontraste des menschlichen (homo) gegenüber dem technisch / rationalen (Faber = Handwerker) herausgearbeitet werden.
Der Aufhänger - soviel sei veraten - ist eine "Verbotene Liebe" ;)

2) Hesse: Steppenwolf -> Eine sehr extreme Zeichnung des intellektuellen und zum Leben geradezu unfähigen Helden. Besonders an diesem Werk sind m.E. die wechselhaften Hass- Liebe Gefühle zum "Kleinbürgertum" und die unerwartete Wende, die sich fast schon als "Lösung" des Steppenwolf- Problemes verstehen lässt.

3) Camus: Der Fremde -> Gerade erst gelesen ;) Ein Werk, dass m.E. oft pauschal als "nihilistisch" missverstanden wird, aber gerade in einer historisch- kritischen (*neue Lieblingsmethode hat*) Betrachtung viele Aspekte offenbart, die mich persönlich sehr ansprachen.
Groooooooob zusammengefasst tötet der "Held" (nach dem Tod seiner Mutter) ohne wirklichen Grund einen Araber (?). Im darauffolgenden Prozess zeigt er sich wenig bewegt und wird anschließend zum Tode verurteilt.
Beeindruckend an "Der Fremde" fand ich die weitestgehend konsequente Umsetzung dieses Charakters, die bis heute viele Leser glauben macht, es handele sich hierbei um einen Nihilisten, der dem Tod seiner Mutter mit ebensoviel Gleichgültigkeit begegnet, wie später seinem eigenen.
Ich dahingegen glaube, dass Camus den "Fremden" sehr facettenreich gezeichnet hat und bisweilen geradezu "kafkaeske" Situationen (das Gericht?) beschwört.

4) Kafka: Der Prozess -> Auch wenn der "Herr K." nicht so eindeutig intellektuell gezeichnet ist, wie Satres Ich- Erzähler, gibt es m.E. doch viele Parallelen, besonders dieses stetige Umherwandern auf der Suche nach dem Grund für eine (scheinbar) völlig grundlose Verhaftung erinnert stark an Satres "Ekel", übrigens aber auch an Hesses Steppenwolf.
Besonders beeindruckend ist dieses Werk auf Grund der typisch kafkaesken Schreibweise und den teilweise sehr pointiert gestalteten Dialoge und vor allem der Türhüterparabel!

5) Thomas Mann: Tonio Kröger -> Auch wenn ich es persönlich nicht gerne gelesen habe, könnte die extreme Polarisierung zw. Künstler- und Bürgertum dich sicher begeistern...

^^^ Das sind die Werke, die m.E. am offensichtlichsten Parallelen zu Satres Ekel aufweisen. Es gibt in dieser Richtung sicher noch einige mehr, zudem sind oben genannte Beispiele natürlich wild gemischt und auf Seite der Autoren bisweilen aus völlig anderen Kontexten entstanden!

achja, Dostojewskijs "Idiot" oder Schneiders "Schlafes Bruder" seien hier auch 'mal so in den Raum geworfen *g*

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Hi maja- bine,

Aufhänger ist sicher das existenzialistische Werk Satres, wie das Buch erahnen lässt, "ekelt" den "Hauptprotagonisten" das ganze "Existieren" förmlich an. Eigentlich versucht er ein historisches Buch zu verfassen, in der andauernden Auseinandersetzung mit dem "plumpen" da- sein kommt er in dieser Arbeit jedoch kaum voran und irrt oft völlig ziellos durch die Stadt und fühlt sich dabei in dem schnöden Da- sein auch noch bestätigt, z.B. bei der Beobachtung v. Passanten, die von ihrem kleinbürgerlichen Leben gänzlich ausgefüllt zu sein scheinen.
Besonders interessant ist die tagebuchähnliche "Niederbringung" dieses Werkes, die an einigen Stellen geradezu erschütternd wirkt. Weiterhin interessant fand ich die Auseinandersetzung mit dem Humanismus, die hier sehr "zynisch" anhand eines humanistisch geprägten "Autodidakten" abgehandelt wird, zudem die "Beziehung" des "Helden", die ihn ständig mit Selbstzweifeln konfrontiert und zum Ende noch interessante Wendungen mit sich bringt (oder eben nicht *lol*).

Allgemein ist dieses Buch vollgestopft mit aphorismenähnlichen Aussagen, die erschütternd authentisch und reflektiert wirken...

Vll. fällt dazu KONTUR noch etwas ein, bei mir ist es schon etwas länger her....

tschö ihr beiden,

cf
 
monsieur roquentin, angesehener und viel bereister historiker lebt alleine in einer franz. hafenstadt um dort ein buch über eine historische person zu schreiben. durch seine 'einsamkeit' verändert sich sein blick auf die dinge, bis er schließlich an der welt um sich herum zweifelt und sich ihm die existenz der dinge, und die gleichgültigkeit der menschen ihr gegenüber, in art ekel-attacken offenbart.
grob gesagt :)
 
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:) haben scheinbad gerade gleichzeitig geschrieben.
was deine buchempfehlungen angeht hatte ich verschiedene schonmal in der hand oder im kopf schon auf meiner lese-liste, so z.b. der fremde, welches ich von einer freundin ausgeliehen bekommen werde (nachdem ich ihr gegenüber so vom 'ekel' geschwärmt habe). der prozeß les ich gerade und dostojewskijs idioten hatte ich neulich im buchladen schon in der hand *gg*
homo faber habe ich nie gelesen, wohl weil es für mich seither mit 'schulbuch' behaftet war, mal sehn'

schlafes bruder und tonio kröger sagen mir bloß vom titel was, werd' demnächst mal reinlesen :) danke also für die empfehlungen.


mir gefiel beim lesen von der ekel besonders die art und weise wie der protagonist die geschehnisse um sich beschreibt, so durchschauend und ironisch-herablassend, aber stets doch seiner eigenen 'befangenheit' (dem leben gegenüber) schmerzlich bewusst. so zerlegt er förmlich sein umfeld, die flüchtigen bekanntschaften aus cafe's und bibliothek, in welcher er arbeitet, und dringt dabei, philosophisch als auch psychologisch, in 'nette untiefen' ein.

an der tagebuchform hat mich gestört, dass roquentin durchaus minutiös die vorgänge beschreibt, dies aber, als tagebuch, ja auch bloß im nachhinein möglich, bzw, und da sehe ich die inkonsequenz, nicht eben so in der intensität und genauigkeit, möglich wäre. er beschreibt beispielsweise genaueste details und gedankengänge, wenn er durch die stadt irrt, gleichzeitig soll es aber auch als, im nachhinein geschriebener, tagebucheintrag verkauft werden.
und ich hatte mit dem expliziten selbstmord von roquentin gerechnet, als konsequenz aus seiner über-übersteigerten sichtweise durch die selbstreflektion der er sich aussetzt/ ausgesetzt hat.

k.
 
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