• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Insolvenz

wirrlicht

New Member
Registriert
26. Juni 2003
Beiträge
968
Ganz schön eingebildet, als Frischling gleich mit einem eigenen Thread zu starten, aber mir ist so danach - seht's mir bitte nach.

Ich arbeite in einer kleinen AG. Und die "läuft" offiziell. Bloß daß wir unsere Gehälter immer noch nicht haben. Und daß Gerüchte über erneute Investorenzuschüsse nicht bestätigt oder dementiert werden. Oder daß unser Vorstand seit Monaten die Zähne nicht auseinanderkriegt um mal die eine oder andere verwertbare Info rauszulassen. Und daß ich in meiner Position seit Monaten kaum noch neue Verträge reinbekomme - dafür aber viele Kündigungen. :(

Eigentlich nichts Ungewöhnliches. Und mich beträfe eine Insolvenz nicht so hart, da ich sowieso in wenigen Monaten in eine andere Stadt ziehe.

Aber: die Stimmung. Die Leute verändern sich (scheinbar). Es sind tolle Leute - keiner von denen hat sich die gleichgültige Haltung des Vorstandes verdient. Aber: die, die bisher kollegial und motiviert waren, antworten auf Anfragen: "Ach mal sehen, wann ich das mache, im Moment habe ich keine Lust dazu". Meine unmittelbare Vorgesetzte flüchtet sich in Übelkeit und liegt mit feuchten Lappen auf der Stirn zu Hause. Im Haus ist die Stimmung gedämpft, die Studenten fürchten um die vielen Überstunden, die ihnen bis jetzt niemand bezahlt hat. Wir haben jetzt unsere Positionen als Stellvertreter genutzt um den Mitarbeitern in unserem Bereich zu sagen: macht heute nur das Allernotwendigste - und nutzt stattdessen die Möglichkeiten, hier im I-Net nach Stellenanzeigen zu suchen und Bewerbungen zu schreiben...

Mich gruselt etwas. Die Leute sind unter solchen Bedingungen so ganz anders als gewohnt :-(
 
Werbung:
kenne keine derartige situation, nur erinnert sie mich an die bedrücktheit die herrscht wenn EINER gekündigt ist oder freiwillig die firma verlässt. alle andren bleiben noch am schiff und er ist sowas wie ein alien geworden.
bei euch ist es so dass das schiff generell sinkt. die zeit dafür ist schlecht, der arbeitsmarkt sieht mehr als traurig aus
einziger trost: als angestellte seid ihr die erstrangigen gläubiger wenn es an einen ausgleich geht.
ich kann dir in der lage nicht mal einen gutgemeinten tipp geben der nicht schlapp klingt weil ich bin selber in einer ähnlich fatalen situation
 
Wirrlicht,

hat die AG schon Insolvenz angemeldet oder droht die, weil z.B. die Gehälter nicht gezahlt werden? Wenn die Insolvenz bereits angemeldet ist, muß man sich nämlich innerhalb von zwei Wochen beim Arbeitsamt wegen des Konkursausfallgeldes melden. Wie lange dies aber rückwirkend gezahlt wird, falls
mangels Masse an die Beschäftigten keine ausstehenden Gehälter gezahlt werden können, weiß ich nicht. Gewerkschaft/Betriebsrat/Arbeitsamt können sicher dazu Auskunft geben.
 
Ich habe noch was gefunden:

1974
Gesetz über Konkursausfallgeld (3. AFG-Novelle)

*

Ab Juli wird ein Konkursausfallgeld eingeführt: im Falle der Zahlungsunfähigkeit des ArbGeb werden Ansprüche auf Arbeitsentgelt für die letzten drei der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden Monate abgegolten. Zur Finanzierung wird eine ArbGeb-Umlage eingeführt.

Also nicht länger als drei Monate ohne Geld arbeiten! Außerdem wird das Konkursausfallgeld nur auf der Basis des Nettogehalts vom Arbeitsamt berechnet!
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi Ihr - danke für Eure Tipps :)

Zu unserer Situation: die Firma selbst scheint den unvermeidlichen Konkurs mit aller zur Verfügung stehenden Gleichgültigkeit einfach verschleppen zu wollen (sprich: Vorstand). Um die Gehälter müssen wir uns insofern nicht wirklich sorgen, weil die BfA, sollten die Sozialabgaben nicht heute dort eingehen, von sich aus Insolvenz für unsere Firma anmeldet und das Arbeitsamt wird dann die Gehälter in vollem Umfang für die nächsten 3 Monate übernehmen - soweit sind wir "sicher". Dennoch haben gerade die Leute im Callcenter und die Studenten das Nachsehen: deren Einkünfte sind so niedrig, daß sie keine großartigen Rücklagen haben. Denen tut es gewaltig weh, wenn sie 3 Wochen oder noch länger auf ihr Geld warten müssen - die Mieten und laufenden Kosten warten ja nicht mit.

Was die anderen angeht: meine Güte, als ich vor etwas mehr als 3 Jahren hier anfing - es war eine Startup-Company im Telekommunikationsbereich - war die Stimmung toll, wir waren motiviert, waren klasse im Improvisieren, jeder hat dort zugepackt wo Bedarf war und nicht, was die Titel auf den Arbeitsverträgen aussagten. Es war spannend, aufregend, wir haben Überstunden ohne Ende geleistet und die Ideen waren kreativ und machten Spaß. Ich selbst war Branchenneuling, konnte mich in der Zeit aber zu einer Art "Spezialistin" im technischen Abwicklungsbereich entwickeln und wurde Leiterin "meiner" Miniabteilung.

Das alles ist jetzt hinüber. Statt wie früher Freitags bei Rotwein in einem der Büros die Woche nochmal durchzuquasseln (das geschah immer mit viel Humor und Respekt vor den Leistungen der Kollegen) verziehen sich die Leute jetzt bei jeder sich bietenden Gelegenheit nach Hause. Arbeiten ist schwierig: noch immer gibt es ein paar nahezu wahnwitzige Verträge, von denen ich heute schon weiß, daß wir sie in 2, 3 Monaten gar nicht mehr erfüllen können (wir haben Produkte, die andere Firmen nicht haben - Unternehmen, die solch ein Produkt bei uns ordern und seine Werbestrategie darauf aufbaut wird damit zwangsläufig scheitern). Es macht sich eine Art Fatalismus breit, man fragt sich unwillkürlich: war's das jetzt? Wofür all diese Energie?

Der Vorstand war immer "die Verrückten da oben", aber abteilungsübergreifend waren wir alle eine eingeschworene Gemeinschaft. Das zerfällt, wo es nicht schon vom Vorstand demontiert worden ist (vor 6 Monaten wurde z.B. der komplette Vertrieb gekündigt und weggemobbt - seitdem versuchen die Marketingleute mehr schlecht als recht Vertriebsarbeit zu leisten - das schafft natürlich Spannungen jetzt auch zwischen den Kollegen).

Vielleicht sehe ich das alles zu krass. Es tut einfach weh, es ist wirklich wie das Sinken eines Schiffes - und man sieht plötzlich Seiten an sich und den Kollegen, die man nicht kannte. "Jeder ist sich selbst der Nächste" - klar, ist ja eigentlich normal. Trotzdem: vor noch 6 Monaten herrschte ein Klima, das nicht von Mißtrauen und Stellungsneid geprägt war. Das vermisse ich.
 
Endlich!!!

Vorhin habe ich von einem Kollegen erfahren, daß unser Vorstand am 30. September die Insolvenz beantragt hat - er hat es auf Anfrage vom Amtsgericht erfahren. Nach wie vor bekommen wir (wieder mal) keine Gehälter, keine Informationen, kein gar nix.

Nun hoffe ich nur, daß dem Insolvenzantrag zugestimmt wird, sonst könnt's klamm werden. Und daß dieser jämmerliche Mitarbeiter-Verheiz-Zirkus schnell über die Bühne geht... je länger das dauert, umso bedrückender der Kontoauszug...

Bin ich froh, daß ich - so oder so - bald diese Stadt verlasse!

LG, wirrlicht
 
Danke!

Wie's aussieht, habe ich Glück: dadurch, daß ich zum 30.11. ohnehin gekündigt habe, wird mir auf keinen Fall ein finanzieller Verlust entstehen. Selbst wenn von der Firma die Gehälter September bis November nicht bezahlt würden, ist dieser Zeitraum durch's Insolvenzgeld abgedeckt.

Schlimmer ist's für diejenigen, die noch angestellt sind - sollte das Gericht erst im Januar oder Februar entscheiden, bekommen die Leute rückwirkend nur 3 Monate.

Könnte aber immer noch passieren, daß ein Investor oder eine andere Firma übernimmt... ehrlich gesagt hoffe ich das nicht, denn wenn das der Fall wäre, würde unsere Vorstandsvorsitzende entlastet rauskommen, wohingegen bei einem Insolvenzverfahren auch die Staatsanwaltschaft mit eingeschaltet würde. Und das wünsche ich dieser "Dame" von ganzem Herzen!

LG, wirrlicht
 
Aber es muss in Deiner Firma ganz schön bedrückend sein.
Ich werde immer ganz krank, wenn ich mit bedrücktem Menschen zusammen bin.
ABER es freut mich für Dich, dass Du Dich wohnortlich verändern wirst.Viel Anfänger und sonstiges Glück dort, wo Du hinziehst....:) :D :D :D
 
Werbung:
Beste Wünsche

Hi all,

beste Wünsche an alle, die in den diversen Insolvenzen weniger Glück hatten - finanziell wie menschlich. Ich bin auch grade erst aus einer Firmeninsolvenz erwacht. Glück gehabt. Keine Gehaltsausfälle und ne klare Firmenübernahme incl. aller Angestellten und Mitarbeiter - nur die anderen Firmenteile hats erwischt. Ist immer schlimm. Ich kann es niemandem verdenken wenn er sich während so einer harten Zeit zum scheinbar negativen verändert. Jeder will sich eine Zukunft aufbauen - jeder reagiert anders, wenn sie sich in Luft auflöst, oder nicht?
Ich wünsche auch allen Glück, die mich während so einer Zeit schlecht behandelt haben.

Gruß
Guardian;)
 
Zurück
Oben