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Freier Wille oder nicht?

xcrypto

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28. März 2008
Beiträge
439
Libets Experimente in den 80er Jahren werden, obwohl sie so eindeutig nicht waren, üblicherweise dahingehend interpretiert, dass der Mensch keinen freien Willen habe, höchstens einen freien Nicht-Willen. Die Interpretation lautet sinngemäß so:

"Eine Entscheidung wird vom Gehirn getroffen (von der physikalischen Engine) und gelangt erst später ins Bewusstsein. Das Bewusstsein hat dann gerade noch ein Vetorecht, d.h. es kann die Entscheidung widerrufen oder bestätigen und zur Ausführung bringen. Dieser Prozess wird von den Menschen üblicherweise als "eine Entscheidung fällen" beschreiben, in Wirklichkeit ist das aber eine Täuschung."

Der Haken an dieser Interpretation ist, dass Libets eigene Aussagen und Daten nicht so exakt waren, als dass man sie als sicher betrachten könnte.

Es gibt nun eine neue Studie zum Thema: Chun Siong Soon, Marcel Brass, Hans-Jochen Heinze und John-Dylan Haynes - "Unbewusste Einflüsse auf freie Entscheidungen im menschlichen Gehirn" (Nature Neuroscience 11, 543-545). Auch hier kommen die Forscher nur auf eine Treffergenauigkeit von 60%, was nicht unbedingt berauschend ist und auch nicht unbedingt die oben beschriebene Interpretation bestätigt.

Die Interpretation wird darum auch kritisiert: hier und hier.

Was haltet Ihr davon? Haben wir nun einen freien Willen oder nicht? Oder haben wir nur einen freien "Nicht-Willen"?




lg, xcrypto
 
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AW: Freier Wille oder nicht?

Tja, xcrypto, da sprichtst Du eine große Frage gelassen an... :)

Zuerst meine Auffassung hierzu: Ja, wir haben einen (wirklich!) freien Willen.

Zwei Sorten von Begründung kann ich da kurz nennen:

1) Wenn ich vor einer komplizierten Entscheidung stehe, z.B. wenn ich im Kopf eine schwierige Sache plane (Konstruktion, Projekt, Flirtangriff :D...), dann gehe ich im Geist Varianten durch. Objektiv gibt es dann evtl. mehrere gleichwertige Varianten, die ich im Kopf mit meinem Bewusstsein hin- und herwende.
Die Entscheidung, die dann fällt, ist nach meiner Auffassung nie und nimmer schon vor ihrer Bewusstwerdung gefallen - ausgeschlossen!

2) Wie die konsequente Analyse der Quantenphysik nahelegt, ist unsere materielle Hardware, die (z.B.) von den reduktionistischen Hirnforschern als fundamental betrachtet wird, eben nicht fundamental. Sondern eine Art Bewusstsein ist fundamental. Damit ist der nichtdeterministische Ablauf der Quantenvorgänge (also auch des Denkens) fundamental.
Somit ist die Zukunft offen - auch meine eigene Denkzukunft, und meine Gedanken sind folglich keine durch meinen gegenwärtigen physikalischen Hirnzustand total determinierten Vorgänge. Sie sind nur in einem Wahrscheinlichkeitssinn determiniert.
Tür und Tor weit offen für den wirklich freien Willen!

LG, pispezi :zauberer2
 
AW: Freier Wille oder nicht?

Also so langsam bekomme ich eine Art Verfolgungswahn. Früher konnte ich nicht genug bekommen vom Thema des freien Willens - nun wurde aber so viel darüber schon im DF geschrieben, dass ich zum Teil einen meiner Beiträge einfach hier übernehmen werde.

Auch da geht es um das Experiment von Libet, Curio war auch bei dieser Fragestellung zu ähnlichen Ergebnis gekommen wie Benjamin Libet: dass es wohl einen freien Willen gibt.

Zitiert aus dem Thread "Freiheit<->Freier Wille"


"Zur Beschreibung der Experimente von Libet nur sehr kurz: er fordert seine Probanden auf von sich aus eine Handbewegung zu machen und führt dabei Messungen ihrer Gehirnströme durch.
Ähnliche Experimente hat auch Gabriel Curio an der Berliner Uniklinik Charité durchgeführt.

Laut Libet aber auch Curio gibt es einen so genannten Bereitschaftspotential, dies ist die Vorbereitung des Gehirns z.B. auf eine Bewegung. Eine halbe Sekunde früher als die Bewegung selbst stattfindet, kann man diesen Bereitschaftspotential durch Gehirnströme messen.

Auch dies deutet hin auf unsere Freiheit uns zu entscheiden und nicht bloß abhängig von dem Zusammenspiel der Neuronen zu sein.

Dazu schreibt Libet 1983: "Diese Probanten waren frei zu wählen zu welchem Zeitpunkt sie diese Bewegung durchführen möchten bzw. wann sie den Wunsch verspüren dies umzusetzen."
.
In 2001 schreiben Haggard und Libet noch folgendes zur Willensfreiheit:

"Wir besitzen einen bewussten freien Willen: das bedeutet, wir haben eine bewusste Absicht gezielte Handlungen durchzuführen, und diese Absichten können unsere körperliche Aktivitäten bestimmen und dazu führen eine erwünschte Änderung unserer Umwelt zu erwirken."

Weiter wird noch die Willensfreiheit als "freier Willensakt" bezeichnet.

Doch Libet hat noch eine zweite wichige Sache bewiesen: die Möglichkeit unseres Bewusstseins zu einem Impuls auch "nein" zu sagen. Dies ist das berühmte Libetsche "Veto".

Mit anderen Worten findet dieses veto statt:
"wenn die geplante Handlung als sozial inakzeptabel angesehen wird oder nicht im Einklang mit der eigenen Gesamtpersönlichkeit oder mit den eigenen Werten steht".

Ein Wunsch kann also aufkommen und bevor er in Handlung umgesetzt wird, kann er auch abgewehrt werden. Dies ist nach Libet der wichtigste Beweis für unsere Willensfreiheit."

Ende des Zitats aus dem erwähnten Thread.


Es laufen also tatsächlich bevor zu einem Gegenstand gegriffen wird signifikante Prozesse in unserem Gehirn ab - und die sind eben Beweise dafür, dass wir einen freien Willen haben - in diesem Falle zum Zeitpunkt der Bewegung, bzw. zum "ja " oder auch "nein" zu einem Impuls.

Was du also erwähnst, xcrypto, ist nur die eine Schlußfolgerung von Libet, die der Möglichkeit eines Vetos. Doch ursprünglich waren seine Experimente eigentlich gedacht um die Entscheidungsfreiheit allgemein, in erster Linie das "ja" zu beweisen.

Freundliche Grüße

Miriam

sehe gerade, dass auch Zeili den selben Thread zitiert - wir haben zeitgleich geschrieben.
 
AW: Freier Wille oder nicht?

Liebe Miri, diese Wiederholungen sind doch aber gesetzmäßig!
Wer neu zum DF kommt, kann ja nicht alle Threads von x Jahren durchlesen, ehe er was schreibt.

Wenn Du in irgendwelche Spartenzeitschriften guckst ("Der Steingarten im Wandel der Jahrmillionen" - oder so), erlebst Du ja dasselbe.
Es gibt nur 124 Steingartentipps, und die werden reihum immer wieder gedruckt - mit gewissem Recht auch, weil die Neulinge es ja auch lernen wollen...

Liebe Grüße vom pi... :zauberer2
 
AW: Freier Wille oder nicht?

Bevor wir uns endlos wiederholen - ein ähnliches Thema gibt es bereits:
https://www.denkforum.at/threads/6136&highlight=freier+Wille

Mei :) Wusste ich nicht, sorry! Und nun? Thread löschen oder hier weiterreden? Keine Ahnung wie das dann gehandhabt wird.


@pispezi: für mich klingt die Variante einleuchtender, dass die Entscheidung getroffen ist und wir während unseres "Überlegungsprozesses" eine Entschuldigung dafür suchen, daher "entscheiden" wir uns schneller, wenn wir auf bewusster Ebene eher mit der Entscheidung einverstanden sind, wenn Zweifel bestehen, dauert es.



lg, xcrypto
 
AW: Freier Wille oder nicht?

Mei :) Wusste ich nicht, sorry! Und nun? Thread löschen oder hier weiterreden? Keine Ahnung wie das dann gehandhabt wird.
Ich würde das ähnliche Thema lesen und die sich daraus ergebenden Quintessenzen hier berücksichtigen; über Verlangen (Ersuchen) könnte walter auch ein Thema löschen oder beide verbinden. In erster Linie habe ich dich deswegen darauf aufmerksam gemacht, dass Du Dich nicht wunderst, wenn Du kein allzugroßes Echo hast.

Was mich betrifft, glaube ich, in Summe meine Meinung deutlich dargelegt zu haben.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Freier Wille oder nicht?

Mei :)

@pispezi: für mich klingt die Variante einleuchtender, dass die Entscheidung getroffen ist und wir während unseres "Überlegungsprozesses" eine Entschuldigung dafür suchen, daher "entscheiden" wir uns schneller, wenn wir auf bewusster Ebene eher mit der Entscheidung einverstanden sind, wenn Zweifel bestehen, dauert es.



lg, xcrypto

Nee, Widerspruch:
Wenn ich z.B. ein schweres fachliches Problem habe, denke ich wie gesagt über manche Varianten nach. Dazu gehören oft viele Hintergrunddaten, Wissen um gewisse Effekte etc.

Da grüble ich so rum, denke: "Ah ja, so machen wir's!" Dann fält mir aber noch ein Faktum ein, das diese Lösung umstößt etc.
Bei solchen kreativen Vorgängen kann es mMn überhaupt nicht sein, dass Entscheidungen unbewusst vorfabriziert werden.

Man muss hier auch mal das Thema der sog. "Erleuchtungen", "zündenden Ideen" bedenken, die völlig Neues hervorbringen. Wie soll denn soetwas "vorfabriziert" werden bzw. streng deterministisch aus meinem gegenwärtigen Hirnzustand folgen?

LG, pispezi :zauberer2
 
AW: Freier Wille oder nicht?

Zu allererst möchte ich nur eine Frage stellen: Warum ein Pferd satteln, daß man nicht reiten möchte?
 
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AW: Freier Wille oder nicht?

@Zellinger: ich hab mir den anderen Thread angeschaut. Ich wage zu behaupten, dass wir uns hier auf einer anderen Ebene bewegen. Ich mag mich aber irren :)

@pispezi: ich denke man muss das Konzept der Idee von dem der Entscheidung getrennt betrachten, da ist imho ein Unterschied. Zumal eh nie etwas komplett neues erfunden wird, sondern man re-kombiniert immer bereits bekanntes. Also ich kann da aus meiner Erfahrung berichten: ich programmiere ja, manche betrachten Programmierung als Kunst (also ich ja nicht). Auf jeden Fall ist es ein oft hochkreativer Vorgang. Trotzdem muss ich erst eine Menge Knowhow anhäufen über ein Thema bevor mir da die zündende Idee kommt. Als Beispiel: wenn Du mir sagst "Schreib mir doch mal ne AI", dann werd ich alle viere von mir strecken und ganz geschmeidig coredumpen. Wenn ich mich aber in das Thema AI eingelesen habe, mir anderer Leute AI Code angesehen habe und ich das auch verstanden habe (wichtigste Vorraussetzung!), DANN kommt mir eventuell auch eine gescheite Idee. Wie neu die dann aber ist, steht auf einem anderem Blatt.

lg, xcrypto
 
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