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Freier Wille als Selbstbeobachtung

AW: Freier Wille als Selbstbeobachtung

Ich denke nicht, dass man ihn "austricksen" kann. Denn wie sollte das gehen? Auch "Selbstbeobachtung" ist ja eine Hirnleistung. Wie soll sich das Bewusstsein sozusagen am eigenen Haar aus dem Sumpf ziehen? Wie kann die Entscheidung, bewusst, "frei", zu entscheiden, ihrerseits bewusst, "frei" sein?
Genau. Daher Freiheit auch die ganze Zeit in Anführungszeichen.
Meine These: Bewusste Entscheidungen sind ebenso frei oder unfrei wie unbewusste, nur komplexer. Man bemüht sich um Selbstbeobachtung? Meinetwegen, aber wie kommt man darauf? Wie kommt man darauf, andere Schemata zu entwickeln und anzuwenden?
Das ist natürlich gesellschaftlich bedingt. Also kann auch nur gesellschaftlich bedingt sein, was wir hier im Endeffekt als Freiheitsbegriff ausdiskutieren.
Da man das Problem des freien Willens nie vollständig ausdikutieren kann, finde ich es eben interessant zu diskutieren: Was meinen wir eigentlich, wenn wir frei sagen?
Freiheit = Schematavielfalt? Die Möglichkeit, auf viele verschiedene Weisen die Dinge anzugehen? Das gefällt mir!
Vielleicht hat jede Entscheidung einen Eigenwert, eine Eigenlogik. Zumindest innerhalb eines bestimmten Schemas. DIe Anwendung verschiedener Schemata ist natürlich von einer höheren Ebene betrachtet, auch wieder ein Schema. Die Entscheidungen erscheinen jedenfalls jeweils in einem anderen Licht, doch der ganze Vorgang bleibt zirkulär, da hast du Recht.
Als höheren Freiheitsgrad kann man aber vielleicht schon die Fähigkeit benennen, z.B. bei Meinungen aus dem unmittelbaren gesellschaftlichen Umfeld (Milieu) auszusteigen und eben andere Schemata hinzuzuziehen. Aktiv zu werden. Aber da ist man natürlich auch wieder davon abhängig, was die Umwelt einem so anbietet, Internet z.B.




Was genau meinst du mit "elitärer Wert"? Einen, den nur eine Minderheit erreichen kann, während die anderen aufgrund angeborener Merkmale auf ewig von seiner Erreichung ausgeschlossen bleiben, und sich also minderwertig fühlen müssen?
DIeses Thema hatten wir im Zusammenhang mit INtelligenz/Schönheit mal in einer längeren Diskussion.
Unbewusst neigt der Mensch, glaube ich, dazu, seine natürlichen Gaben als irgendwie "verdient" anzusehen - aber das ist eine typisch nachgeschobene rationale Begründung, für einen Unterschied, für den man kaum etwas kann...
 
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AW: Freier Wille als Selbstbeobachtung

Was ist für dich eine größere Freiheit?
Sagt die Anzahl der Alternativen etwas über die Größe der Freiheit aus?
Z.B.: Ich habe gerade auf Arbeit zwei Alternativen. Aber keine von beiden sagt mir wirklich zu. Durch meine Fähigkeit, mir einen Zustand auszudenken, der realistisch erscheint und dennoch ganz anders als den, den ich vorfinde, fühle ich mich in der Tat unfrei, weil ich meine, es müsste noch mindestens einen dritten Weg geben, den richtigen...
By the way: Diejenigen, die die Entscheidungen zu treffen haben, halte ich für dümmer als mich... ;)
Also wenn du Zeit hast, komm mal vorbei!
Mahlzeit! :D
 
AW: Freier Wille als Selbstbeobachtung

Wo fängt im Tierreich der freie Wille an?

Der freie Wille ist überall im Tierreich zu finden.

Tiere funktionieren nicht ferngesteuert, Instinkt hin oder her.

Die Schnecke wird am Abend wach und muss sich entscheiden ob sie nach links, rechts oder gerade aus "läuft", eine Entscheidung, die unter Umständen über Leben und Tod entscheidet.

Unfrei wäre es, wenn diese Entscheidung vorprogrammiert wäre.

Dann liefen allerdings alle Schnecken immer in die selbe Richtung....;)
 
AW: Freier Wille als Selbstbeobachtung

Das ist natürlich gesellschaftlich bedingt. Also kann auch nur gesellschaftlich bedingt sein, was wir hier im Endeffekt als Freiheitsbegriff ausdiskutieren....

Ich würde nicht unbedingt "gesellschaftlich" sagen. Das spielt durchaus keine kleine Rolle, vor allem aber das ganz unmittelbare Umfeld des Betroffenen, seine persönlichen Erfahrungen, sein genetisches Verhaltensspektrum und nicht zuletzt der Zufall. Natürlich muss sich jeder, der sich öffentlich äußert, in Bezug zum Zeitgeist setzen, meist auch, tut er es privat. Was wir hier ausdiskutieren, wird von den gesellschaftlichen Faktoren "lasiert" sein, wenn man so will - aber nicht mehr.

Da man das Problem des freien Willens nie vollständig ausdikutieren kann, finde ich es eben interessant zu diskutieren: Was meinen wir eigentlich, wenn wir frei sagen?

Eine berechtigte Frage. Ich hatte einige unglaublich frustrierende Ethikstunden bei diesem Thema. Da hieß es dann irgendwas von wegen "frei von persönlichen Erfahrungen, Erziehung, Genetik usw." was ich schwachsinnig fand, denn alle individuellen Merkmale abgerechnet, bleibt ja gar niemand mehr übrig, der irgendetwas entscheiden könnte. Dann wieder sollte Freiheit von Willkür abgegrenzt werden, dabei müsste doch das obige konsequent gedacht Willkür als die höchste Freiheit ansehen.
(Irgendwann dachte ich dann bloß noch an Aristoteles: Macht aus der Freiheit eine Tugend - die irgendwo zwischen Automatismus und Willkür das "rechte Maß" findet...)

Was man eigentlich meint? Keine Ahnung... In der Moral zumeist: "frei und also für sein Tun verantwortlich, verdient Lob / Strafe". Freies Denken hieße für mich: die Inhalte / Ergebnisse nicht davon abhängig machen, was andere davon halten.
Es hängt m.E. auch eng damit zusammen, ob man seine Mitmenschen als Bewussteine mit Körpern dran ansieht oder aber als Lebewesen mit Bewusstsein als einem ihrer Organe. Viele wollen da differenzieren und meinen, nur das Bewusstsein ist ein "jemand", eine "Person", der / die dann durch "Triebe" fremdbestimmt sein kann. Ich kann mich nicht für diese Sicht erwärmen, ich finde es unsinnig, so das Bewusstsein abzutrennen. Es mag etwas "Besonderes" sein, aber es gehört immer noch zu einem bestimmten Körper, und wenn es schon "Selbst"-Bewusstein sein soll, wie nicht von dem, was dieser Körper tut - wie könnte Bewusstsein ausschließlich Bewusstein von Bewusstein sein (natürlich kann man eigene Gedanken wiederum reflektieren, aber zunächst mal muss man überhaupt erstmal einen über irgendetwas "außerhalb" des Bewusstseins gehabt haben), und wozu auch? Darum plädiere ich eher für die zweite Variante. Meinetwegen kann man "Person" so definieren, dass Bewusstsein dazu gehört, aber ich würde doch zu dieser Person alles rechnen, was sich durch Handlung zeigt, ob sie diese bewusst gesteuert zu haben behauptet / empfindet oder nicht.

Als höheren Freiheitsgrad kann man aber vielleicht schon die Fähigkeit benennen, z.B. bei Meinungen aus dem unmittelbaren gesellschaftlichen Umfeld (Milieu) auszusteigen und eben andere Schemata hinzuzuziehen. Aktiv zu werden. Aber da ist man natürlich auch wieder davon abhängig, was die Umwelt einem so anbietet, Internet z.B.

Dito.

Unbewusst neigt der Mensch, glaube ich, dazu, seine natürlichen Gaben als irgendwie "verdient" anzusehen - aber das ist eine typisch nachgeschobene rationale Begründung, für einen Unterschied, für den man kaum etwas kann...

Weiß nich... Kann ich aus eigener Erfahrung nicht bestätigen. Als Teil meiner selbst, das schon, aber als verdient? Kann ich mich nicht erinnern, das je gedacht zu haben. (Scheint mir auch blödsinnig, verdient wofür denn?)
 
AW: Freier Wille als Selbstbeobachtung

Zeisig schrieb:
Was wir hier ausdiskutieren, wird von den gesellschaftlichen Faktoren "lasiert" sein, wenn man so will - aber nicht mehr.
Von einer "Lasur" habe ich als Endverfahren der Holzbehandlung an Möbelstücken gehört, es wurde oft nur des besseren Aussehens wegen "lasiert", also eine weitere, vor allem auch gegen Abnutzung schützende Schicht aufgetragen. Aber wer lasiert denn da an uns herum? "Gesellschaftliche Faktoren..." kann man da nicht Namen nennen?

Robin schrieb:
Das ist natürlich gesellschaftlich bedingt.
Sorry, Robin, natürlich gesellschaftlich ist für mich der Kalauer der Woche. Eben waren wir noch bei einem Soziologen, der im rein Begrifflichen sich aufhalten wollte, der Dir zufolge nicht vom Leben handeln wollte, obwohl er immer nur über das Leben schrieb, und bei dem ich weiter frage, ob er nicht seine Ideen von "Systemen" mit einem An-Sich-Seienden verwechseln würde -.und dann diese Formulierung... sorry, "natürlich gesellschaftlich bedingt", das isses, nur das Wort "gesellschaftlich" wäre zu streichen, ganz unfreiwillig.
 
AW: Freier Wille als Selbstbeobachtung

Was mir aufgefallen ist: vor kurzer Zeit las ich die "Deutschstunde" von Siegfried Lenz, darin wurde deutlich dargestellt, daß die Pädagogik der Nachkriegszeit vor allem eins zum Inhalt habe:

daß man werten müsse.

Ich dagegen, Jahrgang 67, bin anders erzogen: daß man dem allgegenwärtigen "Werten" sich entgegenstellen müsse, und zu "wertfreiem Urteil" gelangen sollte.

Wenn Erziehung dir sagt, wie zu urteilen sei -
Wie soll dann dein Wille frei sein?
 
AW: Freier Wille als Selbstbeobachtung

Sorry, Robin, natürlich gesellschaftlich ist für mich der Kalauer der Woche. Eben waren wir noch bei einem Soziologen, der im rein Begrifflichen sich aufhalten wollte, der Dir zufolge nicht vom Leben handeln wollte, obwohl er immer nur über das Leben schrieb, und bei dem ich weiter frage, ob er nicht seine Ideen von "Systemen" mit einem An-Sich-Seienden verwechseln würde -.und dann diese Formulierung... sorry, "natürlich gesellschaftlich bedingt", das isses, nur das Wort "gesellschaftlich" wäre zu streichen, ganz unfreiwillig.
Na ja, jetzt reden wir aber von uns selbst, oder ich von mir. Jetzt reden wir vom freien Willen, der für die Gesellschaftstheorie nicht gebraucht wird (denn aus dem Blickwinkel der Gesellschaft, kann freier Wille nur Zufall sein und mit Kontingenz zu tun haben.)

Wenn man das zusammenbringen wollte, müsste man wirklich untersuchen: von was wird geredet, wenn von Freiheit geredet wird? Zeisig hat doch schon so einen Widerspruch genannt (Willkür/freier Wille) und du nennst einen (Erziehung zum freien Willen).
Offensichtlich fällt es dem Kommunikationssystem sehr schwer, mit dem Begriff "freier Wille" widerspruchsfrei umzugehen. Sag mir etwas dazu, doch gehe bitte darüber hinaus, was Luhmann in "Liebe als Passion" gesagt hat. Irgendwann hast du mir auch schon mal zugestimmt, als ich meinte, irgendwo müsste freier Wille möglich sein, und das will ich hier untersuchen:
Wir wollen auf den freien Willen nicht verzichten, aber er kann unmöglich das sein,was normal damit gemeint ist.
Wir beobachten uns selbst und verkünden z.B. in Zeitungen: Nur Bildung kann in islamischen Subgesellschaften Freiheit bringen. Aha. Meinen wir das im Ernst? Und sind wir ehrlich, wenn wir unterschlagen, dass nur Bildung ohne Intelligenz nicht viel hilft? (Damit unterstelle ich jetzt nicht mangelnde INtelligenz im Islam, sondern frage das ganz generell.)

Also gut, du gibst mir den Vorwand ;), auch hier wieder Systemtheorie einzubringen:
In "Die Wissenschaft der Gesellschaft" plädiert Luhmann dafür, den Begriff des Wissens vom Individuum zu lösen. Während im populären Diskurs der gebildete Einzelmensch nach wie vor idealisiert wird, bürgerlichen Bildungsidealen (ziemlich bigott oft) hinterhergetrauert wird und allen Ernstes unterstellt wird, es würde vieles besser, wenn die jungen Leute noch wüssten, was im Faust oder Wallenstein verhandelt wird, marginalisiert Luhmann das gebildete Individuum. Die Gesellschaft "besitzt" das Wissen, und seine Anwendung in gesellschaftlichen Strukturen macht die westliche Gesellschaft zu dem, was wir ab und an in ihr lebenswert, weil "freiheitlich" empfinden. Doch Wissen zur Freiheit ist nur eine Möglichkeit. Wissen zu Gott scheint auch möglich zu sein.

Nichts gegen das gebildete Individuum, aber wenn wir sorgfältig beobachten, kommen wir doch zu dem Schluss, dass die Gesellschaft nicht wegen des hohen Bildungsstands der Bürger funktioniert, sondern trotz ihres niedrigens.
Freiheit für alle meint vorgekaute Freiheit.
UNd doch kann man solche Gedanken formulieren und sich gleichzeitig davon abheben wollen.
Wie?
 
AW: Freier Wille als Selbstbeobachtung

Ich dagegen, Jahrgang 67, bin anders erzogen: daß man dem allgegenwärtigen "Werten" sich entgegenstellen müsse, und zu "wertfreiem Urteil" gelangen sollte.

Wenn Erziehung dir sagt, wie zu urteilen sei -
Wie soll dann dein Wille frei sein?
Ich als der ein Jahr Ältere geben zu bedenken:
Sich gegen die Werte stellen, heißt ja trotzdem, sich an ihnen zu orientieren - sich sozusagen "negativ" an ihnen zu orientieren.
Aber wenn das so ist, dann kann es ja trotzdem sein, dass diese Negativorientierung zu einer geschärften Selbstbeobachtung (s.o.) führt und zu einem gesteigerten Freiheitsempfinden...
Und ist es irgendwie Zufall, dass zum Schluss irgendwie eine Haltung herauskommt, die man irgendwie als "konservativ" empfindet?
 
AW: Freier Wille als Selbstbeobachtung

Von einer "Lasur" habe ich als Endverfahren der Holzbehandlung an Möbelstücken gehört, es wurde oft nur des besseren Aussehens wegen "lasiert", also eine weitere, vor allem auch gegen Abnutzung schützende Schicht aufgetragen.
Ich meinte mit "lasiert" das, was am Ende dabei rauskommt: Will sagen Holz, dessen Struktur man noch sieht, die aber gefärbt ist. Farbe, die tönt, aber nicht deckt.
Aber wer lasiert denn da an uns herum? "Gesellschaftliche Faktoren..." kann man da nicht Namen nennen?
Kann man. Zum Beispiel das politische System, in dem man lebt und dessen jeweilige Ideologie von seinen Repräsentanten verbreitet wird. Lobbygruppen, die gerade einflussreich sind - zum Beispiel der Feminismus.
 
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AW: Freier Wille als Selbstbeobachtung

[...] Freier Wille, so wie wir ihn empfinden, kann letztendlich nur aus einer Art der Selbstbeobachtung entspringen. Dass wir also nicht dem ersten Gefühl nachgeben, "aus dem Bauch heraus" entscheiden. Sondern unsere Entscheidung und unsere Entscheidungsgründe beobachten, und, wenn wir auch die Entscheidung nicht korrigieren müssen, sie doch benutzen sollten, um unser System der Selbstbeobachtung zu schärfen. Als Beispiel dient eine "unvernünftige" Entscheidung (noch ein Stück Schokolade aus dem Kühlschrank holen [...] Ich frage nach diesen Betrachtungen kritisch: Impliziert solch eine Interpretation von "freiem" Willen, dass dieser von der Fähigkeit, komplexe Prozesse zu verarbeiten, also auch von Intelligenz abhängt? Eine elitäre Sicht auf Möglichkeiten der Freiheit?
Ich möchte eine andere Frage anschließen. Deren Beantwortung vielleicht auch hier weiterhilft. Wenn wir nicht zu der Schokolade greifen oder zumindest darüber nachdenken, dann fließen Gründe in unsere Urteilen und Handeln ein. Frei entscheiden wir, wenn Gründe in diesen Entscheidungen (neben anderem) eine Rolle spielen. Aber woher kommen diese Gründe? verzichte ich auf die Schokolade, weil sie Dizykledatorin B enthält, dann habe ich auf etwas öffentliches zurückgegriffen. (Auf Ergebnisse der "institutionalisierten Rationalitäten") Das klingt zunächst trivial. Aber da wir gewohnt sind das "Selbst" als Hauptschauplatz von Freiheit zu verstehen, ist es ein erwähnenswerter Hinweis, wie ich finde. Freiheit ist auch, aber nicht nur Privatsache. Der logische Raum der Gründe ist ein öffentlicher. Damit wird das "Selbst" nicht negiert, sondern an die Bedingung seiner Möglichkeit zurückgebunden ... Und warum sage ich das alles? Um dem "Selbst" in "Selbstbeobachtung" seinen Platz zuzuweisen. Wenn ich des Nachts einsam vor dem Kühlschrank stehe, dann scheine ich eine paradigmatische "Freiheitssituation" zu beschreiben. Das einsame "ich" zerrieben zwischen Trieben und Vernunft :) Aber nicht dieses einsame "Hirn" ist frei. Denn Gründe gibt es nur im Austausch, nur weil wir sozial organisierte, kulturelle Wesen sind. (Daher stellt die berüchtigte Hirnforschung auch unsere Freiheit nicht eigentlich in Frage. Sie erhöht sie!)
 
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