Comment ne pas parler?
Wie nicht sprechen? Und wenn nicht gesprochen werden soll, ja, wenn die scheinbare Intention des Textes, wenn er auf persuasiver Ebene, auf den Wunsch referiert, nicht antworten zu müssen, so tut er es bereits. Auf performativer Ebene nämlich, die gar nicht so leicht von der persuasiven zu trennen ist, hat der Text längst vollzogen, was er vollziehen musste: er hat gesprochen und also an-gesprochen. Seine Intention – auf Lateinisch: Gespanntsein oder Hingerichtetsein (erinnert an einen Bogen mit Pfeil) – verfehlte den Anderen nicht, d.h. hat den Anderen unweigerlich angeschossen und mit dem Schiessenden über eine unsichtbare Schnur verbunden. Wie nicht sprechen? Auch wenn die Aufgabe des Sprechens – d.h. das gesetzlich festgelegte Hingerichtetsein und die ihm implizite Möglichkeit des Aufgebens – persuasiv, d.h. in einer Meta-Rede, in einem Über-reden zu Umgehen versucht wird.
„Schreiben ist genitales Stottern“ – diese Zeilen habe ich vor einiger Zeit einer Arbeit vorangeschickt, ohne weitere Erläuterungen anzufügen.
Hier möchte ich aussprechen, welches Wort in dieser Abwandlung eines Satzes, der wohl Freud zugeschrieben werden kann, fehlt und ersetzt wurde durch das Schreiben. Ich möchte es nicht explizit tun, da sich das auf einem öffentlichen Forum kaum schicken wird, doch ich möchte mich annähern.
Abermals in metaphorischer Abwandlung möchte ich nun tatsächlich Freud zitieren: „Wenn das Schreiben, das darin besteht, aus einem Rohr Flüssigkeit auf ein Stück weisses Papier fliessen zu lassen, die symbolische Bedeutung des Koitus angenommen hat, oder wenn das Gehen zum symbolischen Ersatz des Stampfens auf dem Leib der Mutter Erde geworden ist, dann wird beides, Schreiben und Gehen, unterlassen, weil es so ist, als ob man die verbotene sexuelle Handlung ausführen würde.“
Das Schreiben wird hier aber nicht unterlassen – und nimmt es etwa die Form des Inzests an, könnte man ein wenig empört fragen? Nein, würde ich sagen, symbolisch vielleicht, aber viel eher möchte ich penetrant auf das „genitale Stottern“ zurückkommen und darauf, dass folgende Sätze bloss gestottert meine Orhmuschel erreichen und süss darein geträufelt werden:
„nein, mwirthgen - ich bin nicht hier um zu diskutieren; wenngleich das auf einem forum paradox erscheint
ich bin nicht mal hier zu diskutieren ob man auf einem forum diskutieren soll oder darf, schlicht, weil ich mir die fragen auf die ich mir einzugehen die zeit nehme, selbst aussuche
allem voran will ich hier eines: ich möchte input bringen, das ist alles.
was die rezipienten damit anfangen, tangiert mich nicht weiter.“
‚Input’ wurde gebracht, Input als „genitales Stottern“, als schwarze Flüssigkeit, welche durch ein Rohr aufs Papier geflossen sind. Gut, wir haben also den onanischen Charakter erfasst und stimmen mit folgendem Satz nur halbwegs überein: „was die rezipienten damit anfangen, tangiert mich nicht weiter.“ Das Wort ‚weiter’ irritiert, da es natürlich so ist, dass die Tangente den Kreis, der sich scheinbar so selbstbewusst als Einheitliches schalkhaft auszugeben wusste, vorab (d.h. bevor man das Wort ‚weiter’ ausgesprochen hat) bereits berührt hat, durchschnitten hat, auf sadomasochistische Weise belustigt hat.
Rousseau begreift das Schreiben als ein „gefährliches Supplement“ und mit einem solchen haben wir es heute wieder zu tun. Natürlich ist das Supplement etwas, das sich zu etwas anderem hinzufügt, aber es ist auch ein Ersatz. Es fühlt eine Leere, die wiederum nur von einem weiteren Supplement aufgefüllt werden kann, deswegen ist das Angewiesensein auf ein Supplement ja „gefährlich“ – es ist energieraubend und die einzige Möglichkeit, eine Ahnung davon zu haben, was es heisst, der möglichen absoluten Energie entgegenzurennen. Die Schrift ist gefährlich (für Rousseau, möglicherweise auch für andere), da sie das Zeichen für die Sache selbst ausgeben will und – Achtung, jetzt kommt’s – da sie die Repräsentation für die Präsenz ausgibt. Präsenz? Selbst-Präsenz, absolutes Bei-Sich-Sein und somit Vollkommenheit. Dies kann aber in einer Situation mit onanischem Charakter nicht eintreffen – die Onanie ist ein „gefährliches Supplement“, denn das Andere wird repräsentiert. Genauso während des sadomasochistischen Schreib-Prozesses, der eine Annäherung an die mögliche Präsenz vollzieht, der lustvoll genau danach (nach dem absoluten Bei-Sich-Sein) strebt, um abermals zu scheitern, zu scheitern und nochmals zu scheitern: ähnlich dem Sisyphos. Und wie der Stein rollt und rollt und eben auch: weiter rollt und tangiert.
Wir sollten nachsichtig sein, denn Onanie „beruhigt (»bad wieder beruhigt«) nur aufgrund des Schuldgefühls, welches traditionellerweise mit dieser Praktik verknüpft wird, indem man die Kinder zwingt, den Fehler einzugestehen und die damit einhergehende Kastrationsdrohung zu verinnerlichen. Die Selbstbefriedigung wird als der unheilbare Verlust einer vitalen Substanz erlebt, als ein Wahnsinn und dem Tode ausgeliefert sein.“ (Derrida, Grammatologie)
Hier (in Bezug auf den oben zitierten Text der Woelfin) mache ich aber bloss ein unterdrücktes Schuldgefühl aus und eine demonstrativ nach aussen gekehrte Lust, dem Tod ins Angesicht zu blicken, ein wölfisches Heulen nach dem vollkommen runden Mond, dem Kreis, den keine Tangente berühren soll... Deswegen auch haben wir auch keine Ruhe feststellen können, sondern Euphorie (wir alle wissen um den woelfischen Drang, den Mond anzuheulen). Ich bitte um Nachsicht mit den Aussagen (z.B. „nein, mwirthgen - ich bin nicht hier um zu diskutieren“), denn – wie nicht sprechen?