eine gelungene Performanz?
Bitte nicht das kleine 1x1 der Rhetorik.
Das ist wahrlich brillante Rhetorik. Bald setzt man das Rohr an, durch welches abermals schwarze Tinte auf das weisse Blatt zu fliessen bestimmt ist, hat man dieses unumstössliche (oben zitierte) Gebot bereits überschritten. Der Rhetoriker bestimmt auf rhetorische Weise auf welche Weise über die Rhetorik gesprochen werden darf, wohlweislich die Weisheit unterschlagend, dass es unmöglich sein wird, die rhetorische Doxa nicht als souveräne Sprache der Wahrheit anzuerkennen.
Lange war der zitierte Satz – und er ist es immer noch – in höchstem Masse eindrücklich. Eindrücklich, da er einem beinahe den Stempel der ewigen Schuldhaftigkeit mit süssen Worten einzudrücken versprach, wiche man nicht im letzten Augenblick unter Aufgabe einer jeden Erlösungshoffnung aus dem Bannkreis seiner determinierenden Grenzziehung aus. Es hatte alles keinen Zweck, auch im Banne seines Gesetzes nahm man teil an der Ökonomie seiner Struktur.
Nietzsche hat folgendes zu schreiben gewusst:
„Ein und dasselbe zu bejahen und zu verneinen misslingt uns: das ist ein subjektiver Erfahrungssatz, darin drückt sich keine »Nothwendigkeit« aus,
sondern nur ein Nicht-Vermögen..
Wenn nach Aristoteles der
Satz vom Widerspruch der gewisseste aller Grundsätze ist, wenn er der letzte und unterste ist, auf den alle Beweisführung[en] zurückgehen, wenn in ihm das Princip aller anderen Axiome liegt: um so strenger sollte man erwägen, was er im Grunde an Behauptungen
voraussetzt. Entweder wird mit ihm etwas in Betreff des Wirklichen, Seienden behauptet, wie als ob er dasselbe anderswoher bereits kennte: nämlich dass ihm nicht entgegengesetzte Prädikate zugesprochen werden
können. Oder der Satz will sagen: dass ihm entgegengesetzte Prädikate nicht zugesprochen werden
sollen? Dann wäre Logik ein Imperativ, nicht zur Erkennntiss des Wahren, sondern zur Setzung und Zurechtmachung einer Welt,
die uns wahr heissen soll.“
Ich glaube an eben dieser Stelle diesen Satz wahrzunehmen, der mir die Logik der Widerspruchslosigkeit gebietet – nicht nur bei Nietzsche, durch Nietzsche, selbst, nein, ich nehme den Satz auch in den wenigen Worten wahr, die in nicht eben nicht anzüglicher Art zu Anfangs bereits zu einer syntagmatischen Perlenschnur aneinandergereiht wurden und die ich mir zu zitieren erlaubt habe.
Es braucht einiges an Mut, um zu widersprechen, um den Widerspruch mit rhetorischen Mitteln durchzuführen. Aber: was ist das „1 x 1“ der Rhetorik und was ist sie selbst –
die „Rhetorik“? Eine Technik der ‚Beredsamkeit’ vielleicht? Viel eher wahrscheinlich kann man die Rhetorik einer vorgängigen Theorie der Sprachfiguren annähern; und genau das macht Nietzsche:
„Es ist nicht schwer zu beweisen, dass was man als Mittel bewusster Kunst »rhetorisch« nennt, als Mittel unbewusster Kunst in der Sprache und deren Werden thätig waren, ja, dass die
Rhetorik eine Fortbildung der in der Sprache gelegenen Kunstmittel ist, am hellen Lichte des Verstandes. Es giebt gar keine unrhetorische »Natürlichkeit« der Sprache, an die man appelliren könnte: die Sprache selbst ist das Resultat von lauter rhetorischen Künsten.“
Es bleibt uns in diesem Falle nichts anderes übrig, als es uns mit rhetorischen Mitteln innerhalb der Rhetorik (die auch uns – zu Beginn Aussenstehende – bereits in ihrem Bann hatte, wir erinnern uns) kommod zu machen, um über die Rhetorik zu sprechen – in figurativer Rede selbstredend.
Kehren wir zu unserem geliebten Satz vom Widerspruch zurück, denn er ist – nach Nietzsche, der wiederum den Satz dem griechischen Philosophen Aristoteles zuschreibt – die Ausgangslage unserer Diskussion (ich verweise abermals auf den anfangs zitierten Satz). Er ist der „gewisseste aller Grundsätze“, der Grund aller Erkenntnis, was auf uns – wie bereits geschrieben – ein wenig beklemmend wirkte: ‚eindrücklich’ (, haben wir oben figurativ verwendet). Der Satz ist gesetzt. Das ist ein Problem. Sätze sind immer gesetzt, doch dieser spezielle Satz, der Satz, der keinen Widerspruch duldet, dürfte nicht gesetzt sein, er müsste a priori gegeben sein. Er gibt sich als Axiom zu verstehen, als unumstössliche Wahrheit, da Grundlage jeglicher Diskussion über das eigene Prinzip. Er ist „Setzung und Zurechtmachung einer Welt, die uns wahr heissen soll“.
Nur: Die Satzungsmacht der Sprache eröffnet die Möglichkeit, dass jedes Sein als Grund des Seienden gesetzt sein kann, d.h. der eingangs zitierte Satz versucht also diese Möglichkeit auszublenden, indem er sich selbst aus dieser Möglichkeit heraus als einzig Mögliches hervorzaubert. Als einzige Möglichkeit, adäquat, nämlich in bestimmter Unbestimmtheit („1 x 1“) über die Sprache zu sprechen. Man wird das „kleine 1 x 1 der Rhetorik“ demnach zwar nie ausgeschöpft haben, nie aber, wird man es auch nicht getan haben – man kann sich nicht sicher sein, ob man die Grenze, die dieser souveräne Satz (in der Logik der Widerspruchslosigkeit) gezogen hat und laufend zieht, nicht längst überschritten hat, man verharrt in seinem Bann.
Auch wir verharren in seinem Bann, befinden uns in seinem Bann, verweilen an unserem ban-lieu. Auch wir bestärken ihn im munteren Zeichnen seiner Grenzen und sind Teil derer Re—produktion.
Wir möchten zum Schluss unseres Beitrags kommen und eine Stelle eines Aufsatzes zitieren, der uns sehr am Herzen liegt (aus: „Rhetorik der Persuasion“ von Paul de Man):
„Als Persuasion aufgefasst ist Rhetorik performativ, doch als ein System von Tropen betrachtet dekonstruiert sie sie ihre eigene Performanz. Rhetorik ist darin ein
Text, dass sie zwei miteinander unverträgliche, sich wechselseitig zerstörende Blickpunkte ermöglicht und deshalb jedem Lesen oder Verstehen ein unüberwindliches Hindernis in den Weg legt.“