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Warum fehlt es den Alten an Weisheit?

Benjamin

Well-Known Member
Registriert
27. Januar 2005
Beiträge
2.268
Geht es nur mir so, oder denkt sich von euch auch jemand des Öfteren, dass die meisten Menschen zwar alt werden, aber erwachsen werden sie nie.

Es ist nicht nur eine Erfahrung aus dem Alltag. Insbesondere als Sanitäter beim Roten Kreuz machte ich schon viel Bekanntschaft mit älteren Menschen. Zu meiner Verblüffung muss ich immer wieder feststellen, dass die meisten Menschen es in ihrem Leben verabsäumt haben, Reife zu erlangen.

Einst, im Kindesalter vor allem, war ich von der Vorstellung eingenommen, erwachsen sein bedeutet unter anderem weise zu sein oder zumindest weiser. Doch mit dem eigenen Erwachsenwerden musste und muss ich mich nun fragen: Wo ist diese Weisheit?
Ich kenne vor allem alte Menschen, die schimpfen und nörgeln, die misstrauisch und ängstlich sind, voreingenommen und verbittert. Sogar hier im Forum ist mir aufgefallen, dass es immer wieder auch ältere User waren, die sich gerne zankten. Es gibt Ausnahmen, ja, aber die scheinen mir in der Minderheit zu sein.
Eher habe ich das Gefühl, dass alte Menschen mehr von den jungen lernen können. Irgendwie widersinnig, wie ich finde, aber es scheint zu stimmen.

Deshalb frage ganz provokant: Warum fehlt es den Alten an Weisheit?
 
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AW: Warum fehlt es den Alten an Weisheit?

Geht es nur mir so, oder denkt sich von euch auch jemand des Öfteren, dass die meisten Menschen zwar alt werden, aber erwachsen werden sie nie.

Es ist nicht nur eine Erfahrung aus dem Alltag. Insbesondere als Sanitäter beim Roten Kreuz machte ich schon viel Bekanntschaft mit älteren Menschen. Zu meiner Verblüffung muss ich immer wieder feststellen, dass die meisten Menschen es in ihrem Leben verabsäumt haben, Reife zu erlangen.

Einst, im Kindesalter vor allem, war ich von der Vorstellung eingenommen, erwachsen sein bedeutet unter anderem weise zu sein oder zumindest weiser. Doch mit dem eigenen Erwachsenwerden musste und muss ich mich nun fragen: Wo ist diese Weisheit?
Ich kenne vor allem alte Menschen, die schimpfen und nörgeln, die misstrauisch und ängstlich sind, voreingenommen und verbittert. Sogar hier im Forum ist mir aufgefallen, dass es immer wieder auch ältere User waren, die sich gerne zankten. Es gibt Ausnahmen, ja, aber die scheinen mir in der Minderheit zu sein.
Eher habe ich das Gefühl, dass alte Menschen mehr von den jungen lernen können. Irgendwie widersinnig, wie ich finde, aber es scheint zu stimmen.

Deshalb frage ganz provokant: Warum fehlt es den Alten an Weisheit?

Hallo Ben,

ein sehr interessantes Thema sprichst Du an.
Da ich einer der "Alten" hier bin und auch nicht immer lammfromm daherkomme, fühle ich mich auch persönlich angesprochen...

Was ist Weisheit?
Ist Streiten unweise? Ich finde Streiten richtig und notwendig - das Risiko, dass es dabei zum "Zank" kommt, ist vorhanden und muss hingenommen werden, meine ich.

Wenn ich Dich recht verstehe, hast Du von der Weisheit ein Bild, wie es die alten Stoiker vertreten haben: "Lass Dich von nichts aus der Ruhe bringen, bleib gelassen und immer rational. Steh' über den Niederungen der Alltagsgeschäfte..."
Eine solche "Weisheit" hat den Beigeschmack von Versteinerung - nicht erstrebenswert finde ich.

Weiter:
Heute ist die "Weisheit der Alten" obsolet, weil die gesamte kulturelle und technische Entwicklung so schnell geworden ist, dass zur Bewältigung des täglichen Lebens die Jüngeren meist das bessere Rüstzeug haben, als die Älteren.
Auch macht die gestiegene Lebenserwartung Leute, die früher "alt und verbraucht" waren, zu fitten Senioren, die immer noch neugierig sind, was erleben wollen. Da ist die "innere Einkehr des Alters", oder wie solche Abstellgleisformeln sonst lauten, weit weg, auch wenn ich 50, 60, 70 bin.

Dies ist meine Auffassung, ich weiß nicht, wie Du das siehst, aber ich werde diesmal nicht zanken - versprochen :)

LG, pispezi :zauberer2
 
AW: Warum fehlt es den Alten an Weisheit?

Warum fehlt es den Alten an Weisheit?

Wie Pispezi halte ich Weisheit heut für eine ungültige Münze.

Wer kann es sich heute leisten, sich zurückzulehnen, und kluge Bücher lzu esen wie den Goetheschen Faust oder Schopenhauers, Zur Lehre von der Unzerstörbarkeit unseres wahren Wesens durch den Tod, Nachträge zur Lehre von der Nichtigkeit des Daseins, Nachträge zur Lehre vom Leiden der Welt, Nachträge zur Lehre von der Bejahung und Verneinung das Willens zum Leben, oder Montaigne, oder Seneca, oder Boethius, oder indische und chinesische Weisheitsbücher und dann sagen: Jaja, ich habs ja immer gesagt!

Was man vor mehr als hundert Jahren als Weisheit ansah, war doch nichts als die Resignation der aus dem aktiven bürgerlichen Leben ausgeschiedenen.

Oder nimm die bäuerliche Gesellschaft. Der Alte übergab den Hof, zog ins Ausgedinge und konnte allenfalls noch brummen: Bei dem Wetter muss man heuen. Und die Oma war eine willige Kindsmagd.

Auch einem pensioniertem Beamten, Handwerksmeister oder Kaufmann gings nicht anders.

Sie hatten nichts mehr zu tun und zu sagen; also schwiegen sie und dadurch erschienen sie als weise.

Schon nach dem ersten Weltkrieg, spätestens nach dem zweiten ist Weisheit ein unnützer Artikel.

Statt dessen sind Vitalität, Umtriebigkeit, die Fähigkeit mitzumachen in dem Affenzirkus unserer Welt gefragt.

Und da immer weniger alte Menschen einen sicheren Lebensabend genießen können, Rentenbesteuerung, Inflation, Preis- und Mieterhöhungen, Verlust von Kapitalanlagen, machen das unmöglich, wunderts mich nicht, dass sie granteln, klagen und von der guten alten Zeit reden.

Was macht denn heute ein ausrangierter Buchhalter?

Siehe heute Abend im TV; MDR, 20.15 Uhr Loriot, Pappa ante Portas!

Das ist der heutige Regelfall.

Gruß Fritz
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Warum fehlt es den Alten an Weisheit?

Hallo Benjamin!

Ja, da magst du Recht haben, ich seh´s ja an mir.
Da geht die Spätpubertät knischend in den Altersstarrsin über.

Deshalb fehlt es mir an Weisheit.

Mit freundlichen Grüßen
Raphael
 
AW: Warum fehlt es den Alten an Weisheit?

Was man vor mehr als hundert Jahren als Weisheit ansah, war doch nichts als die Resignation der aus dem aktiven bürgerlichen Leben ausgeschiedenen.

...

Was macht denn heute ein ausrangierter Buchhalter?

Siehe heute Abend im TV; MDR, 20.15 Uhr Loriot, Pappa ante Portas!

:bier:
Die Grundaussage optimal formuliert und dem Pi... einen tollen TV-Tipp gegeben:
Fritzzz, was willst Du mehr!

:zauberer2
 
AW: Warum fehlt es den Alten an Weisheit?

Erst einmal gibt es wohl in allen Altersstufen kluge, weniger kluge und vor allen Dingen ausgesprochen doofe Menschen - und nur ganz selten weise...

Zum anderen halte ich Weisheit (auch die der Stoa) immer noch für einen erstrebenswerten Zustand.

Schon Pascal stellte ja fest, dass die meisten Probleme ja nur dadurch entstünden, dass die Menschen nicht zu Hause in ihrem Zimmer bleiben könnten (damit habe ich kein Problem ...).

Wenn ich mir allerdings die Dummheiten jüngerer Menschen angucken, dann finde ich viele Alte doch vergleichsweise "weise"...
 
AW: Warum fehlt es den Alten an Weisheit?

Schon Pascal stellte ja fest, dass die meisten Probleme ja nur dadurch entstünden, dass die Menschen nicht zu Hause in ihrem Zimmer bleiben könnten (damit habe ich kein Problem ...).

Und wer baut die Zimmer, bringt das Essen, heilt die Krankheiten...?
Wie gesagt: "Weisheit" heißt eigentlich Versteinerung, und der "Weise" ist jemand, der nichts Praktisches mehr kann, der also etliche "dienstbare Geister" um sich braucht. Die Stoiker hatten da ihre Leibsklaven.

Eine Gesellschaft kann sich (muss aber!) nur sehr wenige wirklich "Weise" leisten - bei den anderen wird mit der Bezeichnung "Weisheit" wohl nur der Altersstarrsinn bezeichnet.

LG, pispezi :zauberer2
 
AW: Warum fehlt es den Alten an Weisheit?

Ich unterhalte mich sehr gerne mit älteren Menschen. Ich höre gern die Geschichten, die sie aus einem langen Leben zu erzählen wissen.

Mit vielen kann man sich auch über durchaus aktuelle Themen unterhalten, andere leben vielleicht mehr in der Erinnerung an Zeiten, in denen sie noch eine bessere Übersicht hatten, in denen sie sich vielleicht auch weniger am Rand fühlten.

Auch ich habe Schwierigkeiten mit dem Begriff "Weisheit". Ich finde, FritzR hat das sehr schön auf den Punkt gebracht.
Wenn ich aber älteren Menschen zuhöre, so merke ich doch immer wieder, wie viel ich aus den Geschichten, die sie mir erzählen, lernen kann. So wie ich auch viel lernen kann aus den Geschichten Gleichaltriger oder Jüngerer.

Ältere Menschen haben vielleicht weniger Schwierigkeiten, ganz offen zu ihren Ansichten und Meinungen zu stehen, sie scheinen mir oft unabhängiger vom Urteil den anderen. Deshalb kommen gewisse Dinge in einer manchmal verblüffenden Direktheit zur Sprache - ich sehe das eher positiv, auch wenn dadurch manchmal auch ein Eindruck von Zankhaftigkeit oder Nörgelei entstehen kann. In solchen Fällen hilft es oft, behutsam nachzufragen - meist wird dann der Ton auch etwas milder und die Aussage differenzierter.

Gespräche zwischen den Generationen sind wirklich etwas sehr Wertvolles.
Und mehr als einmal hat ein älterer Mensch mit einem einzigen prägnanten Satz etwas auf den Punkt gebracht, über das ich ewig gegrübelt hatte und mir damit ein Fenster geöffnet, durch das ein neuer Lösungsansatz hereinwehte.

Aber vorurteilslos zuhören sollte man dafür schon können. :reden:

Liebe Grüsse
Ela
 
Wenn ich Dich recht verstehe, hast Du von der Weisheit ein Bild, wie es die alten Stoiker vertreten haben: "Lass Dich von nichts aus der Ruhe bringen, bleib gelassen und immer rational. Steh' über den Niederungen der Alltagsgeschäfte..."
Eine solche "Weisheit" hat den Beigeschmack von Versteinerung - nicht erstrebenswert finde ich.

Ja, Weisheit bedeutet für mich unter anderem auch Gelassenheit. Die Fähigkeit Dinge aus einem gewissen Abstand zu betrachten, und sich damit z.B. nicht von fallenden Börsenkursen verunsichern lassen.
Agil und fit sein, schließt Weisheit nicht aus. Im Gegenteil, wer weise ist, wird doch auch darauf achten, dass Körper und Geist einigermaßen fit bleiben. Aber fit sein, brauch ich von Alten nicht lernen, das bin ich doch selbst. Es wären gerade Ruhe, Gelassenheit und ein nüchterner Verstand alles Eigenschaften, von denen wir Jungen uns etwas abschauen könnten.

Was mir auch besonders auffällt: Viele alte Menschen scheinen niemals wirklich abschließen zu können. Sie hängen in der Vergangenheit und an ihrem Leben. Und hinter dem Wunsch fit zu bleiben, versteckt sich oftmals der Wunsch wieder jung zu sein, und nicht sterben zu müssen.
Das finde ich bedenklich. Setzen sich denn die alten Menschen zu wenig mit dem Tod auseinander? Ich habe durchaus schon Menschen erlebt, die blickten dem Tod mit einer herrlichen Gelassenheit entgegen, vielleicht sogar mit einer gewissen Vorfreude.
Diese Einstellung ist meines Erachtens sehr erwünschenswert und hat nichts mit resignieren zu tun. Sterben werden wir alle. Wer das akzeptieren kann hat gerade im Lebensabend mehr vom Tag, denke ich.

Ist Streiten unweise? Ich finde Streiten richtig und notwendig - das Risiko, dass es dabei zum "Zank" kommt, ist vorhanden und muss hingenommen werden, meine ich.

Streiten ist in meinen Augen absolut dumm. Ich seh es an mir selbst. Immer wenn ich streite, sind es, wie ich meine, niedere Motive, die mich dazu treiben, wie Geltungsbedürftigkeit, Stolz, Egoismus, ect.
Streit hat in der Welt wenig geregelt, aber schon viel zerstört.
 
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AW: Warum fehlt es den Alten an Weisheit?

Was mir auch besonders auffällt: Viele alte Menschen scheinen niemals wirklich abschließen zu können. Sie hängen in der Vergangenheit und an ihrem Leben. Und hinter dem Wunsch fit zu bleiben, versteckt sich oftmals der Wunsch wieder jung zu sein, und nicht sterben zu müssen.
Das finde ich bedenklich. Setzen sich denn die alten Menschen zu wenig mit dem Tod auseinander? Ich habe durchaus schon Menschen erlebt, die blickten dem Tod mit einer herrlichen Gelassenheit entgegen, vielleicht sogar mit einer gewissen Vorfreude.

Lieber Benjamin,

ich denke, alt werden ist eine der schwierigsten Herausforderungen überhaupt. Mit zwanzig verstand ich das auch noch nicht, mit vierzig schon ein wenig besser.
Das Unbehagen, oder sogar die Angst vor Krankheit und Sterben wird sicher nicht unbedingt automatisch kleiner, je kleiner die noch (zumindest statistisch) zu erwartende Lebenszeit ist.

Ob man dem Tod mit Gelassenheit oder Angst entgegenblickt hängt mE weniger mit dem Alter zusammen, sondern eher damit, an was wir glauben. Und dieser Glauben kann sich im Lauf des Lebens ja bekanntlich sehr stark verändern.

Die meisten älteren Menschen, die ich kenne fürchten sich übrigens weniger vor dem Tod als vor Hilflosigkeit.

Liebe Grüsse
Ela
 
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