AW: Vertrauen und Hoffnung
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Wie lassen sich Vertrauen und Hoffnung abgrenzen? Ich habe es nicht so sehr mit Definitionen, Hoffnung ist eher eine allgemeine positive Erwartungshaltung, Vertrauen bezieht sich oft auf zwischenmenschliche Beziehungen, für manche bedeutet es auch das Gefühl, dass Ereignisse einen positiven Verlauf nehmen werden. Da sind tatsächlich beide Begriffe eng miteinander verbunden.
Ich möchte das Thema ein wenig anders angehen, denn mich interessiert eher der zweischneidige Aspekt, die Ambivalenz mit der beide Begriffe benutzt und auch genutzt werden.
Meiner Meinung nach wird beides, sowohl Vertrauen als auch Hoffnung, gerne auch manipulativ eingesetzt. Und dies nicht nur von der Politik, sondern auch von der Kirche.
Die Erkenntnis, dass der Mensch ein starkes Bedürfnis hat nach Vertrauen und nach Hoffnung, ist sehr alt. Man kannte es in frühen Zeiten und die Feststellung an sich war und ist sicher richtig – nur hat man dies gerne mit einem gewissen Zweck auch eingesetzt - also als Manipulation.
Vielleicht ist es auch eines der großen Verdienste der Säkularisierung, dass der Gedanke des Vertrauens und der Hoffnung in eine höhere Macht, langsam in Frage gestellt wurde - oder wird.
Es kommen mir da assoziativ die Verse von Heinrich Heine im Sinn:
Wir wollen hier auf Erden schon
Das Himmelreich errichten.
Wir wollen auf Erden glücklich sein,
Und wollen nicht mehr darben.
Ein neues Lied, ein bess‘res Lied,
O Freunde, will ich euch dichten:
Wir wollen hier auf Erden schon
Das Himmelreich errichten.
Welchem Gedanken setzt Heine diese Worte entgegen? Dem Vertrösten, dem
Hoffnung machen aber auch
dem Vertrauen in ein Glück welches dem Menschen im Jenseits erwartet.
Wenn auch die Verse Heines in erster Linie auf Soziales (oder auch Politisches) zielen, es ist mit Hilfe der Kirche, dass aufs Jenseits vertröstet wurde – und in manchen Religionen findet dies weiterhin statt. Dies der Fall nicht nur in manchen der islamischen Länder, sondern auch in manchen westlichen Kulturen, wie zum Beispiel in den USA in den letzten Jahren – hauptsächlich unter Bush.
Doch der Grundgedanke an und für sich, dass wir ohne Hoffnung und Vertrauen eigentlich nicht gut existieren können, behält seine Gültigkeit.
Nur wird diese Erkenntnis nicht mehr an eine höhere, äußere Macht
delegiert – der Mensch selber muss in sich die Quellen für Hoffnung und Vertrauen entdecken.
Diesbezüglich hat mich besonders
Boris Cyrulnik* beeindruckt und auch überzeugt – sein langer und schwieriger Weg bis zu seiner Theorie der Resilianz (seelische Widerstandskraft), die er an Hand seiner Forschungen und der psychotherapeutischen Arbeit mit gewesenen Deportierten, später mit Traumatisierten der neueren Kriege (z.B. Bosnien), aber auch der Opfer von Missbrauch und Gewalt, entwickelte.
Hier geht es im großen Ganzen auch um die Wiederherstellung des Vertrauens – eigentlich des Selbsvertauens, um auch um die Hoffnung in den eigenen Kräften.
Gruß von Miriam
*Boris Cyrulnik ist ein französischer Neurologe, Ethologe und Psychotherapeut.
Von ihm sind unter anderem erschienen: "Die Kraft, die im Unglück liegt" und "Ein wunderbares Unglück"