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Staatsform und Verfassung

G

Gaius

Guest
Diethelm schrieb:
Ich habe einmal das deutsche Grundgesetz durchgeblättert, aber ich kann mich nicht erinnern, dass die Verfassung die repräsentative Form der Demokratie vorschriebe.
Deutschland hat bis heute - allen Verfassungsgerichten zum Trotz - nicht die Verfassung, von der im Grundgesetz des Jahres 1949 gesprochen wurde, deswegen kann man sich diesbezüglich unmöglich an etwas erinnern. Aber die im Grundgesetz formulierten formalen Prozeduren zur allgemeinen Wahl, zur Parlamentsbildung sowie zur Wahl der jeweiligen Repräsentanten lassen keinen anderen Schluß zu, als daß die Staatsform der Bundesrepublik Deutschland die der repräsentativen Demokratie wäre, auch wenn dieser Begriff im GG nicht explizit genannt wird.

Welche anderen Staatsformen wären aufgrund dieses deutschen Grundgesetzes außerdem möglich?

Deutschland ist hier nicht eindeutig -
Wie ist die Lage in Österreich?

Wie ist die Lage in anderen europäischen Ländern - Großbritannien, zum Beispiel, hat einen gut funktionierenden Staat, aber auch nicht den Ansatz zu einer Verfassung, im Gegenteil: eine verbindliche "constitution" wird als Einschränkung der Freiheitsrechte des Menschen abgelehnt.

Gaius
 
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Demokratie in Österreich
Österreich ist laut Bundesverfassung eine Demokratie:
Art. 1 Bundes-Verfassungsgesetz:
Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus

Dieser Artikel besagt, dass in Österreich alle verbindlichen Normen (Gesetze) auf die Bevölkerung rückführbar sein müssen. In Österreich gibt es zwei Formen von Demokratie, zwei Arten, wie Entscheidungen durch die Bevölkerung getroffen werden können:

* Direkte Demokratie: Bürger/innen entscheiden in der Sache selbst (direkt).
* Repräsentative Demokratie: Bürger/innen wählen Vertreter/innen, die in der Folge die politischen Entscheidungen an Stelle der Bürger/innen treffen. In diesem Modell ist daher die Frage nach dem Wahlrecht von großer Bedeutung: wer wählt unter welchen Voraussetzungen wen.




Du siehst, G., dass das WORT repräsentativ auch bei uns nicht im Artikel 1 des Bundes -und Verfassungsgesetzes vorkommt - aber implizit durch die Auslegung.


Marianne
 
Marianne hat dies schön ausgedrückt.

Moderne Verfassungen regeln keine konkrete Staatsform, sondern nur die tragenden Prinzipien dieser Staatsform. Das Volk eines solchen Staates kann für sich daher alles bestimmen, was es für richtig hält, solange es sich dabei innerhalb des gesetzen Rahmens bewegt. Das bedeutet, daß das Volk sich seiner Rechte und Pflichten als der Souverän nicht selbst entheben kann. Dagegen spricht die Verfassung.

Würde man "das Kind beim Namen nennen", dann wäre hier kaum ein geeigneter Spielraum vorhanden, um eine flexible politische Landschaft zu gewährleisten.

Deutschland hat damit die Staatsform, wie sie im Grundgesetz vorgesehen ist, da sich das deutsche Volk diese Staatsform auf der Basis des Grundgesetzes gegeben hat.
 
Präambel:
Frau Merkel erklärt den deutschen Kindern:
Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland heißt nicht "Verfassung", sondern "Grundgesetz"; …
es ist also kein Seinsproblem, sondern ein Namensproblem, also geeignet zum Haare spalten.

Sonst aber, Nur, damit keine begrifflichen Missverständnisse aufkommen, weil grad ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen, ich zitiert werde:

In dem Begriffspaar Basisdemokratie und repräsentative Demokratie geht es um das Verhältnis der Wählenden zum Gewählten, auch wenn in beiden Fällen die Gewählten (Delegierte) Repräsentanten sind. Der Unterschied ergibt sich aus dem Bindungsverhältnis der Wählenden zum Gewählten.

In der Basisdemokratie bindet die Basis den Gewählten (Delegierten) an ihre Entscheidung, gibt ihm einen Auftrag mit (einen mehr aber eher minder großen) Entscheidungsspielraum mit in das Gremium, in das er entsandt wird. Er hat ein gebundenes (imperatives) Mandat.

In der repräsentativen Demokratie erhält der der Gewählte (Delegierte) überhaupt keinen Auftrag, er kann in allem frei entscheiden was immer er für gut hält er ist völlig ungebunden. Er hat ein freies Mandat

Das bedeutet:
In der Basisdemokratie bedürfen die Entscheidungen immer noch der Zustimmung der Basis, bzw. ihres fehlenden Widerspruchs (z.B. wie in der Schweiz)

In der repräsentativen Demokratie ist es egal, was die Basis meint, auch wenn sie es gar nicht will, sie ist an die Entscheidungen ihrer Delegierten völlig gebunden.

In einer Basisdemokratie können einzelne Delegierte, Repräsentanten von der sie wählenden Basis jederzeit, also vor Ablauf einer Funktionsperiode abberufen (z.B. der Gouverneur von Kalifornien) und durch einen anderen ersetzt werden.

In der repräsentativen Demokratie verliert er nur sein Mandat, wenn er zurücktritt oder wenn oder wenn das Gremium sich selbst auflöst, oder durch ein übergeordnetes Gremium oder einer übergeordneten Person aufgelöst wird.

Es gäbe noch eine Menge Unterschiede aufzuzählen, auch strukturelle, deren Diskussion in diesem Zusammenhang aber den Rahmen sprengen würde. So wäre z.B. es in einer Basisdemokratie nie möglich, dass ein Mandatar vor der Wahl etwas verspricht und nach der Wahl das Gegenteil als Gesetz durchsetzen möchte. Auch Parteien wären in beiden unterschiedlich strukturiert.

„Reine Basisdemokratie“ und „reine repräsentative Demokratie“ sind also Rahmenpunkte, zwischen denen „reale Demokratie“ aufgespannt ist. Es wird also überall Elemente der einen wie der anderen geben. Je nach Charakter oder auch nach Ideologie werden einzelne Funktionsträger einzelne Elemente mehroder weniger in Anspruch nehmen, weil eben in den Verfassungen viel Spielraum gegeben ist.

Lg. diethelm
 
Zuletzt bearbeitet:
Gerüchte vor dem Faschingsonntag

Art. 1 Bundes-Verfassungsgesetz:
Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.

Es geht das Gerücht um, Figl wollte dass drinnen steht: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht DEM Volke aus“, darum will ja die ÖVP jetzt wieder den Gottesbezug in der Verfassung, denn dann hieße es: „ … Ihr das Recht geht von Gott aus.“ Was alle bürgerlichen Probleme elegant lösen könnte.

Liebe Grüße, diethelm
 
diethelm schrieb:
Es geht das Gerücht um, Figl wollte dass drinnen steht: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht DEM Volke aus“, darum will ja die ÖVP jetzt wieder den Gottesbezug in der Verfassung, denn dann hieße es: „ … Ihr das Recht geht von Gott aus.“ Was alle bürgerlichen Probleme elegant lösen könnte.

Liebe Grüße, diethelm

HIHI, übertreibst Du jetzt nicht a wengerl, Diethelm?
So weit mir erinnerlich - bin zu faul zum Recherchieren - wollte/will die ÖVP nur in der Präambel der EU-Verfassung irgendeinen Bezug zur Christlichen Kultur hereinhaben - von beiden christlichen Religionsvertretungen unterstützt.

Nun hab ichs doch nicht lassen können:
Wien, 9. Februar 2005 (epd Ö)
Die Kirchen hatten am Freitag, 28. Jänner, beim Konventsplenum einen Entwurf mit folgendem Wortlaut vorgelegt: „Wir, die Bürgerinnen und Bürger Österreichs in den Ländern Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien geben uns in den kulturellen, religiösen und humanistischen Traditionen Österreichs, in Erkenntnis der Grenzen menschlicher Macht und der Freiheit des Gewissens, in Verantwortung vor Gott, vor den Menschen und vor der Schöpfung, in freier Selbstbestimmung und kraft unserer verfassungsgebenden Gewalt als Fundament für die demokratische Regierungsform, für die Rechtsstaatlichkeit und die Bundesstaatlichkeit unserer Republik diese Bundesverfassung: ...“


vergl. http://www.kirchen.at/dokumente/verfassungskonvent.htm

Mir scheint: das Gottesgnadentum lässt noch auf sich warten :ironie:

Derweilen können wir ja ein wenig in die moslemisch-fundametalistischen Länder spechteln....


grüßle

Marianne
 
Aschermitwoch kommt noch

dann erst Asche auf mein Haupt. Bin ich einmal nicht todernst, schon übertreib ich! Na, sowas.

Aber (auch nicht ganz) ernstlich: „ … in Erkenntnis der Grenzen menschlicher Macht und der Freiheit des Gewissens, in Verantwortung vor Gott, und bla, bla, bla“ heißt aber schon: „der Mensch ist beschränkt, das Gewissen ist frei und alles kommt von Gott“, der Rest ist nur Herumrederei und Nebelblasen.

Gute Nacht noch, diethelm
 
Gestattet bitte, dass ich mich kurz dazu schalte, aber Verfassungsfragen haben mich schon immer interessiert., deshalb habe ich alle Beiträge hier gelesen.
Das Gundgesetz ist eine Vollverfassung wie eine ganz normale Verfassung. Es trägt diesen Namen seit 1949, als man wegen der Teilung Deutschlands die BRD bewusst nur als "Provisorium" ansehen wollte. Nach dem Beitritt der neuen Bundesländer zum Geltungsbereich des Grundgesetzes am 3. Oktober 1990 hätte man den Namen ändern können; aber inzwischen war er zum fetstehenden, traditionellen Begriff geworden. - Außerdem ist es dem deutschen Volk gem. Art 146 unbenommen, eine neue Verfassung zu beschließen.

Diethelm, verstehe ich Dich recht - bitte um Nachsicht, wenn ich Dich missverstanden haben sollte - dann setzt Du direkte Demokratie (Basisdemokratie) mit Rätedemokratie gleich. Das sind sie aber nicht! Die Rätedemokratie halte ich - pardon! - für pure Illusion. Nur eine ganz einfache praktische Überlegung: Die Räte müssten nach jeder Beratung, in der etwa ein Kompromiss gefunden wurde, zurück zur Basis um zu fragen, ob diese mit der vom ursprünglich Plan abweichenden Lösung einverstanden sind. Und gar nicht erst fragen will ich, was sind das für Figuren, die sich ohne jede eigene Entscheidungsmacht zu reinen Befehlsempfängern der Basis degradieren lassen.

Noch eines: Der Einbau weiterer plebiszitärer Elemente wäre nach dem GG ohne weiteres möglich; nicht aber die Einführung einer Rätedemokratie. Der Kern der repräsentativen Demokratie fällt auch gem. Grundsatzurteile des BVerfG von 1952/54 unter die Ewigkeitsgarantie des Art.79 Abs. 3.
Ziesemann
 
Ich habe nirgendwo in den Beiträgen Diethelms einen Bezug - nicht eimal in aller heuristischer Schläue - zu der Form der Räterepublik gefunden.
Könntest Du die, Dich zu Deiner Vermutung anregenden, Textstellen bitte abkopieren.
Danke

Marianne
 
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diethelm schrieb:
In der Basisdemokratie bindet die Basis den Gewählten (Delegierten) an ihre Entscheidung, gibt ihm einen Auftrag mit (einen mehr aber eher minder großen) Entscheidungsspielraum mit in das Gremium, in das er entsandt wird. Er hat ein gebundenes (imperatives) Mandat.
Er hat ein...(imperatives) Mandat.
Präziser kann man es nicht fassen, dass der Beauftragte an die Weisungen der Auftraggeber (=Basis) gebunden ist - auch wenn der Begriff "Räte" nicht fällt.

Gegensatz: Freies Mandat gem. Art. 38 Abs. 1 (GG)

Ziesemann
 
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