Roman70
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Nachdem ich die verschiedenen Threads zur "Deutschen Nation" gerafft gelesen hatte (übrigens eine augenfällige, dennoch häufige Fehlleistung, von einem "Threat" zu sprechen!!!), fragte ich mich unwillkürlich: Was soll das denn?!
Dieses "Was soll das?" lässt sich zu einer konkreteren Frage umformulieren, die dem ganzen womöglich doch etwas Produktives abgewinnen kann, nämlich: Welche FUNKTION kann denn das Konstrukt "Nationalität", wie es hier zur Diskussion gestellt wurde, im 21. Jahrhundert noch haben? Und zwar einerseits im Kontext diverser gesellschaftlicher Diskurse (also für das Kollektiv, die Demokratie, den Staat... siehe z.B.: "Leitkultur") und andererseits für die Identitätsfindung des einzelnen (also für das Individuum... siehe z.B. die Aktion "DU bist Deutschland").
Wenn ich es recht sehe, sind es vor allem jüngere Leute (ausschließlich Männer, oder?!), die sich hier als Verteidiger des Deutschnationalen positioniert haben; und immer wieder explizit betonten, sie meinten das ganz gewiss nicht irgendwie "braun" oder auch nur "nationalistisch". Nun, lassen wir einmal dahingestellt, ab welcher Kummulation des Begriffes Nation, Nation, Nation, Nation, Nation, Nation etc etc (Österreich gehört zur deutschen Nation, das Elsass gehört zur deutschen Nation, Süddtirol gehört zur deutschen Nation, der nichttdeutsche Anteil am Österreichischen ist "marginal" usw usf) es gerechtfertigt ist, sowas tatsächlich Nationalismus zu nennen.
Was ist euer Deutschtum? Wie drückt sich das aus? Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich mit dieser Frage NICHT irgendeine Art von Rechtfertigungs-Druck ausüben möchte - das wäre im anonymen Kontext eines solchen Forum ohnehin absurd. Es würde mich nur halt interessieren, ob dieses ganze auf unzähligen Seiten (z.T. extrem redundant!) betriebene historische Hin und Her in irgend einer Weise einen Erkenntnisgewinn für die Gegenwart bringt.
Dass das (nicht nur Deutsch-)Nationale aus offensichtlichen Gründen diskreditiert ist, ist nicht die Schuld der Jungen. Bloß: auch jungen Menschen ist es zumutbar zur Kenntnis zu nehmen, dass im Namen der Nation jahrhundertelang bereits derart viel Blut vergossen wurde, dass viele heute eben sagen: so, das reicht jetzt, dieses Konzept taugt nicht mehr, Schluss damit - und im Jahre 2008 also zurecht reserviert darauf reagieren, wenn zum x-ten Mal irgendjemand daher kommt und sagt: Nation ist eigentlich schon was ganz Tolles und da brauchen wir echt mehr davon, he, seid doch nicht so zickig, was habt's n ihr eigentlich usw.
Dass wir mittlerweile in einem postheroischen Zeitalter angekommen sind, in dem junge Männer es nicht mehr gar so geil finden, für ihr Vaterland in den Krieg zu ziehen, seht ja auch ihr, wenn ich eure Wortmeldung betrachte, selbstverständlich als einen Fortschritt an. (Ob das im gleichen Ausmaß z.B. für die USA gilt?) Die "Nation" ist natürlich ein heroischer Begriff, eine "große Idee" - auch wenn damit nicht gleich kriegerischer National-ismus gemeint ist. Die "Nation" verschafft dem Bürger ein warmes Gefühl (gefährlich wird es spätestens dann, wenn aus dieser Wärme Hitze wird), indem sie ihm suggeriert (oder, im Nationalsozialismus, sogar aufzwingt), es gebe so etwas wie eine "natürliche", "organische" Volksgemeinschaft, in der Reiche und Arme, Gebildete und Ungebildete, Männer und Frauen, Alte und Junge, Ärzte und Straßenkehrer gar nicht sooooo viel unterscheidet.
Ach wie kalt ist im Vergleich dazu der Begriff des Verfassungspatiotismus (zit.n. Meyers Lexikon):
Diejenigen von euch, die älter sind als ich (geb. 1970), verbinden mit diesem Begriff wahrscheinlich mehr als ich, da er in den 70er und 80er Jahren virulenter war als heute; einen Wikipedia-Eintrag gibt es natürlich auch:
Der ganze Artikel unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Verfassungspatriotismus
Wie ist das also? Taugen ethnische (früher hätte man gesagt: völkische... oder gar: rassische) Kriterien noch irgendetwas, um uns etwas über "die Deutschen" - seien es die in der BRD oder die deutschsprechenden Österreicher - zu sagen? (Polemisch formuliert: Wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft bei der EM nur mit Spielern antreten dürfte, die eine Art "Ariernachweis" erbracht haben, würden die Chancen auf einen Erfolg wohl rapide sinken.)
Und wenn wir von eingebürgerten Türken und Jugoslawen verlangen, dass sie sich integrieren sollen - kommen wir dann mit einem (gewissermaßen bildungsbürgerlichen) Wissensquiz a la Roland Koch, wie es hier (eh zu parodistischen Zwecken) schon erwähnt wurde, irgendwie weiter?
Inwieweit sind jene historischen Ereignisse von den Römern bis zu den Napoleonischen Kriegen, zu denen sich manche zurückargumentiert haben, für junge Menschen heute noch IRGENDWIE identitätsstiftend? Meine Vermutung: ein heute lebender 20/30/40jähriger Österreicher hat mit einem heute lebenden 20/30/40jährigen Franzosen mehr gemein als mit einem 20/30/40jähriger Österreicher, der im 19. Jahrhundert oder noch früher gelebt hat.
Was ist das spezifisch Deutsche an der Deutschen Nation?
Fragen über Fragen. Ich breche an dieser Stelle ab, um den Eintrag nicht noch länger zu machen und hoffe, dass der eine oder andere Gedanke aufgegriffen - und vielleicht sogar die eine oder andere aufgeworfene Frage beantwortet wird.
Grüße,
Roman
P.S.: Liebe Politikwissenschaftler, sorry für die aus eurer Sicht gewiss schlampige Terminologie, insbesondere den bisweilen durchscheinenden Vulgärmarxismus - ich bin halt nicht vom Fach. ;-)
P.P.S.: Als ein Österreicher, der beruflich viel in Deutschland zu tun hat und viele deutsche Freunde und Bekannte hat, ist mir die Deutschenfeindlichkeit ("Scheiß-Piefke!") vieler meiner Landsleute reichlich peinlich. Trotzdem habe ich selbst mich noch nie in meinem Leben als Angehöriger einer "deutschen Nation" gefühlt.
Dieses "Was soll das?" lässt sich zu einer konkreteren Frage umformulieren, die dem ganzen womöglich doch etwas Produktives abgewinnen kann, nämlich: Welche FUNKTION kann denn das Konstrukt "Nationalität", wie es hier zur Diskussion gestellt wurde, im 21. Jahrhundert noch haben? Und zwar einerseits im Kontext diverser gesellschaftlicher Diskurse (also für das Kollektiv, die Demokratie, den Staat... siehe z.B.: "Leitkultur") und andererseits für die Identitätsfindung des einzelnen (also für das Individuum... siehe z.B. die Aktion "DU bist Deutschland").
Wenn ich es recht sehe, sind es vor allem jüngere Leute (ausschließlich Männer, oder?!), die sich hier als Verteidiger des Deutschnationalen positioniert haben; und immer wieder explizit betonten, sie meinten das ganz gewiss nicht irgendwie "braun" oder auch nur "nationalistisch". Nun, lassen wir einmal dahingestellt, ab welcher Kummulation des Begriffes Nation, Nation, Nation, Nation, Nation, Nation etc etc (Österreich gehört zur deutschen Nation, das Elsass gehört zur deutschen Nation, Süddtirol gehört zur deutschen Nation, der nichttdeutsche Anteil am Österreichischen ist "marginal" usw usf) es gerechtfertigt ist, sowas tatsächlich Nationalismus zu nennen.
Was ist euer Deutschtum? Wie drückt sich das aus? Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich mit dieser Frage NICHT irgendeine Art von Rechtfertigungs-Druck ausüben möchte - das wäre im anonymen Kontext eines solchen Forum ohnehin absurd. Es würde mich nur halt interessieren, ob dieses ganze auf unzähligen Seiten (z.T. extrem redundant!) betriebene historische Hin und Her in irgend einer Weise einen Erkenntnisgewinn für die Gegenwart bringt.
Dass das (nicht nur Deutsch-)Nationale aus offensichtlichen Gründen diskreditiert ist, ist nicht die Schuld der Jungen. Bloß: auch jungen Menschen ist es zumutbar zur Kenntnis zu nehmen, dass im Namen der Nation jahrhundertelang bereits derart viel Blut vergossen wurde, dass viele heute eben sagen: so, das reicht jetzt, dieses Konzept taugt nicht mehr, Schluss damit - und im Jahre 2008 also zurecht reserviert darauf reagieren, wenn zum x-ten Mal irgendjemand daher kommt und sagt: Nation ist eigentlich schon was ganz Tolles und da brauchen wir echt mehr davon, he, seid doch nicht so zickig, was habt's n ihr eigentlich usw.
Dass wir mittlerweile in einem postheroischen Zeitalter angekommen sind, in dem junge Männer es nicht mehr gar so geil finden, für ihr Vaterland in den Krieg zu ziehen, seht ja auch ihr, wenn ich eure Wortmeldung betrachte, selbstverständlich als einen Fortschritt an. (Ob das im gleichen Ausmaß z.B. für die USA gilt?) Die "Nation" ist natürlich ein heroischer Begriff, eine "große Idee" - auch wenn damit nicht gleich kriegerischer National-ismus gemeint ist. Die "Nation" verschafft dem Bürger ein warmes Gefühl (gefährlich wird es spätestens dann, wenn aus dieser Wärme Hitze wird), indem sie ihm suggeriert (oder, im Nationalsozialismus, sogar aufzwingt), es gebe so etwas wie eine "natürliche", "organische" Volksgemeinschaft, in der Reiche und Arme, Gebildete und Ungebildete, Männer und Frauen, Alte und Junge, Ärzte und Straßenkehrer gar nicht sooooo viel unterscheidet.
Ach wie kalt ist im Vergleich dazu der Begriff des Verfassungspatiotismus (zit.n. Meyers Lexikon):
V e r f a s s u n g s p a t r i o t i s m u s , von D. Sternberger in den 1970er-Jahren geprägter Begriff für die Idee, die Vaterlandsliebe (Patriotismus) um ein rationales Moment zu ergänzen und auf eine verfassungsgebundene demokratische Grundlage zu stellen; der Verfassungspatriotismus schließt eine kritische Reflexion über die gesellschaftlichen Zustände eines Landes nicht aus. Das Konzept sollte vor dem Hintergrund des Missbrauchs affektiver Begriffe wie Vaterland und Heimat durch den Nationalsozialismus einerseits und der Teilung der deutschen Nation andererseits die Bildung einer durch das Grundgesetz normierten, zivilgesellschaftlich geprägten politischen Identität der Bundesrepublik Deutschland sowohl beschreiben als auch begründen.
(http://lexikon.meyers.de/meyers/Verfassungspatriotismus)
Diejenigen von euch, die älter sind als ich (geb. 1970), verbinden mit diesem Begriff wahrscheinlich mehr als ich, da er in den 70er und 80er Jahren virulenter war als heute; einen Wikipedia-Eintrag gibt es natürlich auch:
Verfassungspatriotismus baut auf einem republikanischem Nationsverständnis auf. Dieses geht davon aus, dass die Nation eine durch gemeinsamen Willen und eine gemeinsame Geschichte zusammengehaltene Gemeinschaft von Menschen sei. Diese sehen sich untereinander als frei und gleich an. (...) Eine solche Staatsbürgernation ist durch die „Praxis von Bürgern“ und nicht durch ethnisch-kulturelle Gemeinsamkeiten zusammengehalten. (...)
Unter Verfassungspatriotismus versteht man die Identifikation des Bürgers mit den Grundwerten, Institutionen und Verfahren der republikanischen politischen Grundordnung und Verfassung und die aktive Staatsbürgerrolle des Bürgers. Das Sich-Einbringen in das politische Geschehen steht nach der Nationsauffassungs an zentraler Stelle bei diesem Konzept. Dies bedeutet in der Praxis zumindest ein Interesse für politische Fragen und geht über Wählen bis zu aktiver Politikgestaltung, z. B. in Form von Bürgerinitiativen oder Parteien.
In einer solchen Nation wird von den Verfechtern des Verfassungspatriotismus eine zweckrationale Haltung gegenüber politischen Fragen im Rahmen eines rationalen Diskurses gefordert. Mit der politischen Grundordnung soll eine rationale Identifikation vorhanden sein. Eine affektive Identifikation ist zusätzlich möglich. Eine bedingungslose Akzeptanz des Staates, der Verfassung und etwaiger Änderungen daran ist mit Verfassungspatriotismus gerade nicht gemeint, beschreibt er doch primär ein Bekenntnis zu den universellen Grundwerten der Nation und erst sekundär eine Identifikation mit dem Staat und der Verfassung, die diese Normen widerspiegeln. In der republikanischen Staatsauffassung wird die politische Gemeinschaft schließlich nicht als Selbstzweck aus der Nation heraus, sondern als notwendiger Bezugsrahmen für freie und gleiche Bürger gesehen. (...)
Verfassungspatriotismus wird gerne wegen seiner „Erlebnisarmut“ kritisiert. Die geforderte zweckrationale Haltung gegenüber politischen Fragen schaffe es nicht Gefühle der Bürger anzusprechen. Eine gefühlsmäßige Bindung zur Nation sei jedoch nötig zur Bildung einer aktiven Gemeinschaft. (...) Der fehlende Bezug zum Volk ist von Verfassungspatrioten gerade erwünscht, gehen sie doch von einer Freiheit und Gleichheit aller Menschen aus. Eine Nation konstituiert sich ihrer Ansicht nach nicht über Abstammung, sondern über Wille und Geschichte. Die Kategorie Volk spielt hierbei keine Bedeutung. (...)
Der ganze Artikel unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Verfassungspatriotismus
Wie ist das also? Taugen ethnische (früher hätte man gesagt: völkische... oder gar: rassische) Kriterien noch irgendetwas, um uns etwas über "die Deutschen" - seien es die in der BRD oder die deutschsprechenden Österreicher - zu sagen? (Polemisch formuliert: Wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft bei der EM nur mit Spielern antreten dürfte, die eine Art "Ariernachweis" erbracht haben, würden die Chancen auf einen Erfolg wohl rapide sinken.)
Und wenn wir von eingebürgerten Türken und Jugoslawen verlangen, dass sie sich integrieren sollen - kommen wir dann mit einem (gewissermaßen bildungsbürgerlichen) Wissensquiz a la Roland Koch, wie es hier (eh zu parodistischen Zwecken) schon erwähnt wurde, irgendwie weiter?
Inwieweit sind jene historischen Ereignisse von den Römern bis zu den Napoleonischen Kriegen, zu denen sich manche zurückargumentiert haben, für junge Menschen heute noch IRGENDWIE identitätsstiftend? Meine Vermutung: ein heute lebender 20/30/40jähriger Österreicher hat mit einem heute lebenden 20/30/40jährigen Franzosen mehr gemein als mit einem 20/30/40jähriger Österreicher, der im 19. Jahrhundert oder noch früher gelebt hat.
Was ist das spezifisch Deutsche an der Deutschen Nation?
Fragen über Fragen. Ich breche an dieser Stelle ab, um den Eintrag nicht noch länger zu machen und hoffe, dass der eine oder andere Gedanke aufgegriffen - und vielleicht sogar die eine oder andere aufgeworfene Frage beantwortet wird.
Grüße,
Roman
P.S.: Liebe Politikwissenschaftler, sorry für die aus eurer Sicht gewiss schlampige Terminologie, insbesondere den bisweilen durchscheinenden Vulgärmarxismus - ich bin halt nicht vom Fach. ;-)
P.P.S.: Als ein Österreicher, der beruflich viel in Deutschland zu tun hat und viele deutsche Freunde und Bekannte hat, ist mir die Deutschenfeindlichkeit ("Scheiß-Piefke!") vieler meiner Landsleute reichlich peinlich. Trotzdem habe ich selbst mich noch nie in meinem Leben als Angehöriger einer "deutschen Nation" gefühlt.