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Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Ihr wisst, auf unsern deutschen Bühnen
Probiert ein jeder was er mag;
Drum schonet mir an diesem Tag
Prospekte nicht und nicht Maschinen.
Gebraucht das groß' und kleine Himmelslicht,
Die Sterne dürfet Ihr verschwenden;
An Wasser, Feuer, Felsenwänden,
An Tier und Vögeln fehlt es nicht.
So schreitet in dem engen Bretterhaus
Den ganzen Kreis der Schöpfung aus,
Und wandelt mit bedächt'ger Schnelle
Vom Himmel durch die Welt zur Hölle.

Das ist noch erklärungsbedürftig: mit "Prospekt" meint Goethe hier die Bühnenansicht, den hinteren Bühnenrand, also Bühnenbilder, und mit "Maschinen" meint er die Bühnentechnik. (Das "große und das kleine Himmelslicht" sind natürlich Sonne und Mond.)

Goethe meint: Das Stück und die jeweilige Aufführung sollen an keinem Mittel des Theaters sparen.

Insgesamt kündigt Goethe an, dass jetzt in der Folge Bombastisches, Gigantisches daherkommen wird. Das Stück, der "Faust", handelt von ganz großen Themen, vom ganz großen Thema überhaupt, das "vom Himmel durch die Welt bis zur Hölle" reicht: es handelt von Gott und der Welt. Und vom Teufel.

lg Frankie
 
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AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Hallo !

Weiter geht's. Letzter Original-Text war Beitrag Nr. 57.
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Prolog im Himmel
DER HERR; DIE HIMMLISCHEN HEERSCHAREN;
nachher MEPHISTOPHELES.
DIE DREI ERZENGEL treten vor.

Raphael:
Die Sonne tönt nach alter Weise
In Brudersphären Wettgesang,
Und ihre vorgeschriebne Reise
Vollendet sie mit Donnergang.
Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke,
Wenn keiner sie ergründen mag;
Die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag.​
Gabriel:
Und schnell und unbegreiflich schnelle
Dreht sich umher der Erde Pracht;
Es wechselt Paradieses-Helle
Mit tiefer schauervoller Nacht;
Es schäumt das Meer in breiten Flüssen
Am tiefen Grund der Felsen auf,
Und Fels und Meer wird fortgerissen
In ewig schnellem Sphärenlauf.
Michael:
Und Stürme brausen um die Wette,
Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer,
Und bilden wütend eine Kette
Der tiefsten Wirkung rings umher.
Da flammt ein blitzendes Verheeren
Dem Pfade vor des Donnerschlags;
Doch Deine Boten, Herr, verehren
Das sanfte Wandeln deines Tags.
zu drei:
Der Anblick gibt den Engeln Stärke
Und alle deine hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag.​
Mephistopheles:
Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst
Und fragst wie alles sich bei uns befinde,
Und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst;
So siehst du mich auch unter dem Gesinde.
Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,
Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;
Mein Pathos brächte dich gewiss zum Lachen,
Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.
Von Sonn' und Welten weiß ich nichts zu sagen,
Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen.
Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag.
Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.
Ein wenig besser würd' er leben,
Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
Er nennt's Vernunft und braucht's allein,
Nur tierischer als jedes Tier zu sein.
Er scheint mir, mit Verlaub von Euer Gnaden,
Wie eine der langbeinigen Zikaden,
Die immer fliegt und fliegend springt
Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt;
Und läg er nur noch immer in dem Grase !
In jeden Quark begräbt er seine Nase.​
Der Herr:
Hast Du mir weiter nichts zu sagen ?
Kommst Du nur immer anzuklagen ?
Ist auf der Erde dir nichts recht ?​
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Mein Verständnis:
Drei Engel preisen die Schöpfung Gottes, dem Teufel ist das nicht recht, Gott erinnert den Teufel daran, was dieser gerade tut.
Ich finde den Ausdruck Gott für treffender; es gibt mMn keinen schlüssigen Hinweis darauf, dass Gott männlichen Geschlechts ist.
Wir Männer haben das Göttliche - zumindest in den meisten Religionen - recht ungerechtfertigt an uns gerissen.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Also für mich stellt Goethe hier den Konflikt in abstrakter Pracht dar, um den es ihm geht, wobei es ein Konflikt ist, in dem einfach nur Männer auftauchen.

Das ist ja auch ein Konflikt, den nur Männer haben. Keine gesunde Frau denkt sich einen Gott, Engel und einen Teufel aus.

Die Engel preisen jedenfalls Gott und alles, was er erschaffen hat. Sie erwähnen dabei den Menschen gar nicht. Sie schweben abgehoben über allem.

Mephistopheles bringt die Dinge sehr zynisch auf den wunden Punkt, auf den "kleinen Gott", den Menschen, der sich plagt. Und zwar ganz besonders deshalb, weil Gott dem Menschen Vernunft gegeben hat, was den Menschen besonders wunderlich macht: der Mensch benimmt sich tierischer als jedes Tier und springt und fliegt mit seinem Verstand herum, um überall seine Nase hineinzustecken: es ginge ihm besser, wenn er gar keinen Verstand hätte und nur im Gras läge.

Gott steigt - beleidigt und provoziert - auf die Anklage ein (was ein echter Gott natürlich niemals tun würde), er spricht Mephistopheles darauf an, wieso der alles so negativ sieht.

Doch diese Einleitung benötigt Goethe, um zu seinem Wettkampf zwischen Gott und dem Teufel zu kommen...

lg Frankie
 
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Gott steigt - beleidigt und provoziert - auf die Anklage ein (was ein echter Gott natürlich niemals tun würde), er spricht Mephistopheles darauf an, wieso der alles so negativ sieht.
Ich stimme hier sehr wohl mit Goethes Gottesbild überein; ein echter Gott ignoriert nicht; sonst sehen wir es weitgehend gleich, wobei ich es für möglich halte, dass sich auch der Teufel für einen "Gott" hält, wenn auch nicht unbedingt für einen kleinen.

Gruß Zeili
 
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag.
Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.
Ein wenig besser würd' er leben,
Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
Er nennt's Vernunft und braucht's allein,
Nur tierischer als jedes Tier zu sein.

Von göttlicher Herkunft des Menschen ist hier wohl keine Rede. Es lebe die Evolutionstheorie!

Und: Würden wir nicht ein wenig besser leben ohne den widernatürlichen himmlischen Schein?

Mephistopheles sagt mir zu!

Gruss
Hartmut
 
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Und: Würden wir nicht ein wenig besser leben ohne den widernatürlichen himmlischen Schein?
Obwohl ich mich auch eher für einen erdigen als einen spirituellen Typ halte, möchte ich hier sagen: der himmlische Schein kann nicht widernatürlich sein, weil Gott die Natur geschaffen hat und der Himmel und Gott wohl schwer zu trennen sind.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Tschuldigung, aber mit "himmlischem Schein" meint Mephistopheles nichts anderes als den Verstand: "Er (der Mensch) nennt's Vernunft."

Mephistopheles bezieht sich damit auf den Moment, wo Adam und Eva die Frucht vom Baum der Erkenntnis essen, um zu sein wie Gott.

Mephistopheles meint, dass es dem Menschen viel besser ginge, wenn er nicht unter seinem eigenen Bewusstsein und seinem Denken leiden würde, das ihm "einen himmlischen Schein" gibt, ihn zu einem "kleinen Gott" macht und das er "Vernunft" nennt, obwohl er mit aller Vernunft nur "noch tierischer ist als jedes Tier".

Das ist eins der beherrschenden Themen im ganzen Faust! Das hat doch bitte nichts mit Spirituellem oder mit Übersinnlichem zu tun!

lg Frankie
 
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Tschuldigung, aber mit "himmlischem Schein" meint Mephistopheles nichts anderes als den Verstand: "Er (der Mensch) nennt's Vernunft."
Du brauchst Dich nicht zu entschuldigen, frankie, wenn Du irgendeinen Text anders auffasst oder auslegst wie irgendwer anderer; nichts anderes als diese Toleranz ist gelebte Demokratie.

Liebe Grüße

Zeili
 
Geothes Faust: Prolog im Himmel

Hallo !

Weiter geht's. Letzter Original-Text ist in Beitrag Nr. 62
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Mephistopheles:
Nein Herr ! Ich find es dort, wie immer, herzlich schlecht.
Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,
Ich mag sogar die armen selbst nicht plagen.
Der Herr:
Kennst Du den Faust ?
Mephistopheles:
Den Doktor ?
Der Herr:
Meinen Knecht !​
Mephistopheles:
Fürwahr ! er dient euch auf besondre Weise.
Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise.
Ihn treibt die Gärung in die Ferne,
Er ist sich seiner Tollheit halb bewusst,
Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne,
Und von der Erde jede höchste Lust,
Und alle Näh und alle Ferne
Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.​
Der Herr:
Wenn er mir jetzt auch nur verworren dient;
So werd ich ihn bald in die Klarheit führen.
weiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt,
Dass Blüt und Frucht die künft'gen Jahre zieren.​
Mephistopheles:
Was wettet Ihr ? den sollt Ihr noch verlieren,
Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt
Ihn meine Straße sacht zu führen !​
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Mephistopheles:
Nein Herr ! Ich find es dort, wie immer, herzlich schlecht.
Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,
Ich mag sogar die armen selbst nicht plagen.
Wie kommt Mephisto nur auf den Gedanken, die Armen zu plagen !?


Liebe Grüße

Zeili
 
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AW: Geothes Faust: Prolog im Himmel

Wie kommt Mephisto nur auf den Gedanken, die Armen zu plagen !?

Wenn du keinen Schreibfehler gemacht hast, dann heißt es ja nicht "die Armen" sondern "die armen (Menschen)" zu plagen.

Was sollte er Menschen, die er selbst schon als bedauernswert einschätzt, auch noch plagen wollen? Die sind ja schon geplagt.

:blume1:
 
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