Wenn man aus: ' ... die eigene "Grundlage" als hinterfragbar zur Verfügung zu stellt um somit auf ihren "gottgegebenen Machtanspruch" zu verzichten' ein:
mavaho schrieb:
Die eigenen Grundlagen immer wieder in Frage zu stellen, ist eine Stärke unseres Systems und hat zu permanenter sozialer Evolution geführt.
um daraus zu folgern
mavaho schrieb:
Diese Stärke wird zur Schwäche, wenn wir trotz aller Mängel unser demokratisches System als ein beliebiges Gesellschaftsmodell sehen, das in seinen Werten anderen gleich und austausbar ist.
dann ist das wohl eine Folge von Unaufmerksamkeit, oder aber ideologisch - polemisch gemeint, rationaler Grund hiezu sollte sich in meiner Aussage nicht finden lassen; zumindest war dieses nicht meine Absicht. Aus der genialen Unkenntnis anderer Religionen und deren sozialen Strukturen ein ebenso geniales Urteil ableiten zu können entbehrt nicht einer fundamentalistischen Sichtweise
mavaho schrieb:
Wir definieren seit Jahren unser System nur mehr an seinem wirtschaftlichen Erfolg und vergessen ganz, dass es darüber hinaus eine Menge zu bieten hat.
Hat für mich einen ganz besonderen Reiz, auch in diesem Zusammenhang, vor allem, wenn man das terminale "hat" durch ein "hätte" ersetzt, was uns aber dem urchristlichen Menschenbild wohl wieder etwas zu nahe brächte, oder?
Ich halte es eher für präpotent, wenn eine kleine Gruppe von Menschen sich das Recht herausnimmt, die Grundbedürfnisse ALLER Menschen EIN FÜR ALLEMAL definieren zu dürfen. "Grundbedürfnisse", wenn man sie nicht gerade auf das Wenige beschränkt, was gerade zum physischen Überleben notwendig ist, sind nicht stabil, sondern wechseln wie die Moden, auf hinreichend lange Zeiträume betrachtet. Das "Demokratische System" hängt ab vom jeweiligen "Menschenbild" dieses aber wieder in einem übergroßen Ausmaß von der in diesem Raum vorherrschenden Religion. Wenn wir die Regionen des Islams und des Hinduismus einmal beiseite lassen, so ist denn doch unser abendländisches Menschenbild z.B. vom japanischen oder gar dem chinesischen Menschenbild verschieden, die "diktatorischen Demokratien" Lateinamerikas sind uns aber doch wieder unwahrscheinlich nahe.
So die französischen Revolutionäre, inbesondere die Jakobiner sich bewusst gewesen wäre, inwieweit sie den zentralistischen, dogmatischen, den "die reine Lehre verkündenden" Katholizismus säkularisierten, hätten sie vielleicht auf ihren übermäßigen Gerauch der Guillotine verzichten können. Aber dieses Denkschema war bei ihnen zu sehr internalisiert, als dass sie dieses als "gut katholisch" zurückgehend bis auf Augustinus überhaupt hätten erkennen können. Nun, die Liste dieser Fakten lässt sich beliebig und nicht nur um die Inquisition verlängern. Auch die Kommunisten sind extrem verärgert, wenn in ihren Handlungen die Parallelen zum Christentum nachweist.
Die Wurzeln der Vorurteile sind für einen Betroffenen bei sich selbst prinzipiell nicht einsehbar. Dafür fällt es ihm bei einem anderen aber um so leichter. Das Christentum hätte dafür auch eine wunderschöne Metapher: "Den Splitter im Auge deines Bruders sieht du, den Balken in deinem Auge aber (spürst du) nicht". Wenn wir aber schon bei den "Grundwerten der vernünftigen Verhaltensnormen" sind, jene wesentliche Norm , die die Ethik der abrahamitischen Religionen mit den östlichen verbinden könnte: "Du sollst nicht begehren ...", ist durch das Rivalitätsgebot der neoliberalen Marktwirtschaft bereits in ihr Gegenteil verkehrt worden. (Hier schließt wohl "Begehren" Vernunft eben weitgehend aus.)
Die Ansicht
mavaho schrieb:
Zivilisiertes Verhalten, also der Versuch, Konflikte durch einen Kompromiss zu lösen, ...
ist eine Verkennung der Realität. Kompromisse lösen keine Konflikte, sie stellen diese nur ruhig! Zugegeben, manchmal auch ein Gewinn. Konflikte können nur auf konsensualer Basis gelöst, das heißt auf längere Zeit bereinigt werden. Als Kompromisse sind sie nur die Widerspiegelungen von Machtverhältnissen, sobald diese sich ändern, brechen diese Konflikte unweigerlich wieder auf! Da aber unser Demokratieverständnis von der Konsensdemokratie weg und immer mehr zu einer Konflikt-Kompromissdemokratie sich hin entwickelt, werden immer mehr Konflikte darauf warten, dass sie von ihrer "Stillegung" befreit werden, beziehungsweise wird die Fehleinschätzung der "wirklichen Machtverhältnisse" durch die Mächtigen den möglichen Kompromiss weitgehend nicht zulassen, den Konsens aber schon gar nicht suchen, nicht nur intra- sondern vor allem auch international.
Bedauert diethelm