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Der Rabe Roec

Cato d. Ältere

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4. Juli 2005
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Ich möchte ersteinmal hallo sagen zu den Mitgliedern des Forums - ich bin neu hier und froh das ich dieses Forum gefunden habe. Es scheint wirklich interessant zu sein!
Hier zum Einstand eine kleine Geschichte von mir. Kritik ist erlaubt, aber es ist ja nur eine kleine Geschichte über die ich gern ein paar Meinungen hätte.. der leicht märchenhafte Stil ist gewollt, also es ist jetzt kein Versuch die moderne Literatur neu zu erfinden, sondern eher so eine Art Kunstmärchen?!

Der Rabe Roec
Die Sonne beschien das Nest des alten Kolkraben Roec schon eine ganze Weile nicht mehr. Reoc hatte sich in der warmen Mittagsstunde schlafen gelegt, und war bis jetzt nicht erwacht. Er war glücklich eingeschlafen, hatte er doch noch viel Zeit in den nächsten Tagen und Wochen durch den hellen Wald zu fliegen. Sein weiches Nest, vor unzähligen Jahren erbaut und mit vielen seiner grauen Federn ausgelegt, mag als ausreichende Entschuldigung für seine Schläfrigkeit gelten. Und wem das noch nicht reicht, dem sei gesagt, dass Roec sehr alt war. Und alte Raben wie er schlafen nun einmal oft und gerne. Schon seit 130 Jahre lebte er in dieser Gegend. An die Zeit in der er hergezogen, und in mühsamer Arbeit sein Nest aus vielen kleinen Zweigen errichtet hatte, konnte er sich jetzt kaum noch erinnern. Es war lange her seit er herübergekommen war, und man hatte ihn wohl auch bei seiner Sippe, die in den Bäumen auf der andern Seite des Berges wohnte, längst vergessen. Er hatte ein glückliches und gutes Leben gehabt. Auch war er nicht arm, und in seinem Nest konnten andere Vögel, die im Sonnenschein manchmal herüberflogen, kleine silberne Ketten und Ringe aus Gold blinken sehen. Der Rabe hatte sie im Laufe seines Lebens gesammelt und war darauf sehr stolz. Aber als Roec an diesem Abend wieder erwachte, lag sein Nest im Schatten der hereinbrechenden Dämmerung und ein kühler Wind wehte durch seinen Baum.
„Hm, ist es schon Abend geworden? Dabei wollte ich doch noch ein bisschen in der warmen Sonne durch den Wald fliegen. Mein altes Gefieder bescheinen lassen.“ Doch während er dies sagte, wurde ihm kalt. Da wunderte er sich, denn sein Baum stand eigentlich in einer Talsenke, in der sich die Wärme im Sommer sammelte, und meist auch noch bis in die späten Abendstunden stand. Er zitterte und versuchte seinen wegen des Alters leicht silbern schimmernden Kopf und seinen großen Schnabel im warmen Gefieder zu verstecken. Doch er hatte weniger Federn als früher in seiner Jugend und weniger warme. Er erschrak, wie wenig es wirklich noch waren und schämte sich, obwohl doch allein, seiner Nacktheit.
Da hob er den Kopf und blickte aus trübe werdenden Augen in sein Tal; Hoffnung durch einen vertrauten Anblick ersehnend. Und er sah, dass es Herbst geworden war und der Wind wehte darob ungebremst durch die Bäume, deren Laub abgefallen und nun in dunklen Farben auf dem Boden lag. Es wurde vom Wind hin und hergeschleudert. Und wo sonst Stechginster und Löwenzahn gestanden, deren weiße Blühten an heiteren Frühlingstagen die Luft erfüllt hatten, da wucherte jetzt Unkraut und bleiche Disteln und sie versuchten gemeinsam die anderen Pflanzen zu ersticken.
Er erkannte das ihm einst so vertraute Tal nicht mehr. Wo war er eigentlich? Was machte er hier in der Fremde, allein, ertrinkend in einem Meer von Schnee, das vor seine Augen zu fallen begann?
Da überkam Angst den Raben und griff nach ihm in seinem Nest, das unter seinen Krallen zu schrumpfen schien. So lange war es sein Zuhause gewesen, doch jetzt wollte es ihn nicht mehr. Er würde fallen und vom Dunkel verschluckt werden, das war ihm jetzt völlig klar, und nichts würde ihn halten können. Er würde fallen und in Schmerzen auf dem Boden zerschellen. Schon verließ ihn jeder Glaube an Leben. Jede Wärme verschwand aus ihm. Schon wand er sich verzweifelt in Todesqualen und sein Herz puckerte und flatterte und er flatterte und krächzte, während sich das Tal um ihn zu drehen begann. Höhnisch um ihn tanzte. Sein Herz hörte auf zu schlagen. Doch in diesem Moment schaute er zum Himmel und erblickte die Sterne. Das Tal schien plötzlich zu schweigen und zu verschwinden. Die Sterne aber leuchteten und glänzten so hell, das der Rabe in Liebe und Sehnsucht zu ihnen entbrannte.
Und obwohl sein Herz schon nicht mehr schlug, zuckten seine kahlen Flügel, sein verzerrter Körper dehnte sich und er versuchte mit einem schrecklichen Krächzen, zu ihnen zu gelangen.
Aber während er fiel, halb noch sich im Todeskampf windend, halb schon ruhig, dachte er verzweifelt daran, dass er nie wieder durch den Schein der Sonne fliegen würde.

Und sein Körper schlug auf dem Boden auf und alles wurde für eine Weile schwarz. Aber als er die Augen wieder öffnete, sah er ein helles, wunderschön Leuchtendes Licht! Tausendmal klarer noch als die Sterne. Und Wärme durchströmte seinen Körper und da weinte er vor Glück. Und siehe, eine Stimme sagte zu ihm: „Willkommen, Roec, das Tor ist immer offen für dich!“ Und es klang wie Musik und wie ein Segen.
 
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