Wer spricht?
Wer spricht?
Jemand will Klarheit, um nicht an einem unlösbaren Problem kaputt zu gehen.
Wer spricht? Spricht ein Defekter? Einer, der abfiel, einer der auf der Strecke blieb, einer, der geschwächt ist, im Schwinden begriffen ist, – oder einer, der erschöpft ist, ermüdet, schwach, verfinstert? Defectio bedeutet auf lateinisch u.a. auch Ellipse. Diese Bedeutung erscheint hier aber von besonderer Relevanz zu sein.
Es geht um einen, der spricht; denn man muss sprechen. Auch die Unangemessenheit einer jeden Rede, die Unlösbarkeit eines jeden Problems, stünde dieses auch vorab fest, muss zur Sprache gebracht werden. Die Souveränität des Sprechenden muss gewahrt werden. Die Souveränität, die eigentlich auch verloren werden will; – da sie sich über den Sinn wie auch den Nicht-Sinn zu erheben strebt, um endlich wahre Souveränität zu werden. Der Bedienung der Sprache und die Verknechtung durch sie muss erfolgen, will der Sprechende die Souveränität über die Probleme des Sinns wie auch des Nicht-Sinns übersteigen und aufheben, will der Sprechende sagen, was dem Bereiche des Souveränen allein anzugehören hat, möchte er ausdrücken, was nicht, und ob es überhaupt etwas in diesem Bereich zu geben hat. Die Rede, die das Schweigen wahrt, die nichts als Schweigen in seiner Absolutheit auszudrücken imstande wäre, müsste vom Sprechenden gefunden werden. Ob er sich ihrer bedienen könnte? Er müsste.
Diese Souveränität ist knechtisch, elliptisch. Der Unzufriedene, der souveräne Knecht, der kaum gutheissen kann, was er macht und was er unterlässt, treibt sein Spiel fort, auch wenn er es nicht schätzt. Er ist unzufrieden und diese Unzufriedenheit behauptet er – souverän. Indem er die Unzufriedenheit bewahrt, indem er möglicherweise auch zufrieden seine Unzufriedenheit ausgedrückt hält, bindet er sich an sie und gerät in neue – elliptische – Abhängigkeit. ‚Souveränes’ Tun wird versklavt. Der vermeintliche Sklave gibt sich aber zufrieden mit seiner Situation, da er sich souverän wähnt. Er spricht… und die Souveränität beherrscht sich. Es ist ihr kaum möglich zu scheitern, da sie nicht wissen kann, ob ein mögliches Scheitern als Möglichkeit nicht auch immer dafür gesorgt haben wird, dass das Scheitern des möglichen Scheiterns sich nicht notwendig in die Lücke fügt, die ihre eigene Struktur über diese Vorstellung eröffnet hat. Die Freiheit der Souveränität, die den Vorteil wahren müsste, währenddem sie scheitert, ist über ihre elliptische Struktur also akut gefährdet.
Was nun? Der knechtische Souverän, der sich also dem Gesetz dieses Defekts, dieser Ellipse, nicht unterwerfen möchte, müsste sich zu jedem Zeitpunkt (auch wenn dieser wiederum über seinen sich verschiebenden Referenzpunkt die eigene Vernichtung offenbart, diese aber von ihrer Seite her eine Aktualität erstellt) der Verantwortung bewusst werden, die seine souveräne Haltung ihm als Möglichkeit zur Selbstbestimmung als zu erhaschendes Bonbon vor dem Mund herumpendeln lässt. Indem sich der Souverän in einer Beziehung findet, zum Beherrschenden oder zum Beherrschten, d.h. auch zu sich selbst, ist er darauf angewiesen, zu sprechen. Dieses Sprechen mag das Sprechen des Defekten sein. Dennoch (ver)spricht es H/heil. Die Verantwortung gegenüber der Sprache ist die Bedingung der Möglichkeit eines Auswegs aus der Verantwortung. Eine Bedingung der Suspension der Richtigkeit und der Falschheit jeglichen Handelns. Da aber die Absolutheit der Sprache für sich, als absolut Anderes, als ‚Gott’, nicht ins Angesicht gefasst werden darf, um des Lebendigen willen (2. Mos. 33, 18: „Dann fuhr er fort: ‚Doch mein Angesicht kannst du nicht schauen; denn kein Mensch kann mich schauen und dabei am Leben bleiben.’“), wird eine Verantwortung offenbar, die die Möglichkeit der Verantwortungslosigkeit bei weitem übersteigt.
Die Beziehung und ihre Folge bedeutet die Chance der Erlösung im Geschwätz. Aber wie beliebte Heidegger zu sagen: „Jenes, was hinsichtlich des waltenden Aufgehens früher ist, wird uns Menschen erst später offenkundig. Dem Menschen zeigt sich die anfängliche Frühe erst zuletzt.“
So erübrigt sich der Versuch, die Erlösung teleologisch herbeiführen zu wollen, da die Mächtigkeit des Waltenden sich dem Vorgriff entzieht. Es entzieht sich dennoch nicht die Chance, sich in einer Ethik zu bewegen, die das Neue, das sich kaum je länger als ein Wimpernschlag zu erkennen geben wird, erschliesst und freundlich aus der Zukunft winkend den Blinzelnden begrüsst.