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Laienrichter im Widerstreit zu Gutachtern

interlocutore

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30. September 2016
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Gerade wurde von den Schöffen (ich glaube 8) das Urteil über den "Amokfahrer" in Graz gesprochen.

Im Anschluss an die Veröffentlichung des Urteils ist sofort eine sehr kritische Diskussion darüber ausgebrochen, ob "Laienrichter" geistig, emotional und ihrer eingeschränkt fachlichen Qualifikation entsprechend in der Lage wären bzw. berechtigt sein sollen, die Schuldhaftigkeit eines Verbrechers psychologisch zu beurteilen. Zwei kompetente Gutachter beurteilten den Attentäter als nicht schuldfähig zum Zeitpunkt der Amokfahrt während ein Gutachter den inkriminierten Amokfahrer sehr wohl als bewusst tatverantwortlich begutachtet hat. Die Laienrichter hätten also - nach Meinung von Psychologen - sozusagen "fachlich Blind" zwischen zwei Gutachten entscheiden müssen.

Der allseits bekannte Kriminalpsychologe Prof. Dr. Reinhard Haller hat diese Situation sehr genau und eingehend im Fernsehen beschrieben, wobei die Erkenntnis aus seinen Ausführungen logisch abzuleiten ist, dass letztendlich psychiatrische Gutachter über Schuld und Strafe bei einem Straftäter zu entscheiden hätten und Richter nur mehr die ordnungsgemäße Durchführung eines Verfahrens zu garantieren hätten. Im vorliegenden Fall käme es sogar zu einer Mehrheits-Abstimmung 2:1 über das Urteil. Die Eine Stimme wäre sogar dadurch weniger gewichtig gewesen, weil die nötige Qualifikation bzw. das entsprechende Zeugnis nicht gegeben gewesen wäre.

Die Frage, die zu diskutieren ist, stellt sich insofern, ob Gutachter so weit gerichtliche Verfahren bestimmen sollen. Laienrichter wurden ja eingeführt, um dem in einer Kultur herrschenden Rechtsbewusstsein Rechnung zu tragen. Letztendlich ist ja die Bevölkerung leidtragend, wenn ein Fehlurteil zustande kommt. Vielleicht schätzt sich Psychologie als Wissenschaft falsch ein???
 
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ein Onkel von mir, der im Altersheim seine Meinung laufend 'unbedacht' geäußert hat, wurde Ende 1943 plötzlich abgeholt, ein Psychiater hat ihn am selben Abend als paranoid begutachtet und am nächsten Tag in der Früh wurde mein Onkel im Alter von 83 Jahren mit einer Spritze exekutiert. Der zuständige Psychiater hat sicherlich nach neuestem "wissenschaftlichem Erkenntnisstand" sein Gutachten/Urteil abgegeben. Es sei auch an den Gerichtsgutachter Dr. Gross in Wien erinnert. Im Falle meines Großonkels musste rasch begutachtet werden, weil das Heim eine soziale Einrichtung der Familie war und deswegen gegenteilige Gutachten zu erwarten gewesen wären, zumal er ein anerkannter Kraftwerks-Ingenieur bei vollem Verstand gewesen war.
 
. . . Dr. Reinhard Haller hat diese Situation sehr genau und eingehend im Fernsehen beschrieben, wobei die Erkenntnis aus seinen Ausführungen logisch abzuleiten ist, dass letztendlich psychiatrische Gutachter über Schuld und Strafe bei einem Straftäter zu entscheiden hätten . . .
Der Fall zeigt, dass Psychiater und Psychologen - zumindest in der österreichischen Gesellschaft - kein gutes Ansehen genießen. Ich bin für 3 (oder 5, jedenfalls eine ungerade Zahl) psychiatrische Gutachten, die einfache Mehrheit soll über die Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat entscheiden; dabei soll so schnell wie möglich nach der Tat untersucht werden.

Das Urteil über das Ausmaß der - eventuellen - Strafe sollte aber schon den Richtern vorbehalten sein.
 
Der Fall zeigt, dass Psychiater und Psychologen - zumindest in der österreichischen Gesellschaft - kein gutes Ansehen genießen. Ich bin für 3 (oder 5, jedenfalls eine ungerade Zahl) psychiatrische Gutachten, die einfache Mehrheit soll über die Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat entscheiden; dabei soll so schnell wie möglich nach der Tat untersucht werden.

Das Urteil über das Ausmaß der - eventuellen - Strafe sollte aber schon den Richtern vorbehalten sein.
In diesem Beitrag ist das Dilemma mit den psychologischen Gutachtern gut umrissen.

1. der schlechte Ruf der Psychiater - nicht nur in Österreich - ist nicht von ungefähr entstanden. Psychiatrie ist keine exakte Wissenschaft und ist immer von gesellschaftlichen Trends bei Wertvorstellungen beeinflusst. Psychologen sind zwar oft zur Beurteilung eines Falles (z.B. Kindesabnahme) notwendig, doch oft verursachen deren Gutachten viel unnötiges Leid und können missbraucht werden, da so ein Gutachter nicht so stark wie ein Richter an rechtliche Normen gebunden ist.

2. je höher die Zahl der Gutachter umso stärker wird auch der Wunsch wirken, sich mit ausgefallenen Gutachten zu profilieren und Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Gutachten sind die billigste und gleichzeitig erfolgreichste Werbung für die eigene Ordination. Außerdem muss man sich Gutachter leisten können und, wer jedes Gutachten mit einem anderem Gutachter erschlagen kann, hätte dann gewonnen. Der sog. "gesunde Menschenverstand" urteilt da doch unbefangener.

3. "so schnell wie möglich nach der Tat" - selten möglich, denn wird der Täter nicht immer sofort ermittelt und bis der Gutachter an den Täter drankommt, ist er im Zuge der Ermittlungen schon längst nicht mehr das unveränderte "Tatsubjekt". Auch im vorliegenden Fall wurde der Täter bereits sogar mit Drogen behandelt und mental verändert, bevor er begutachtet werden konnte. Oft führt auch eine gewisse "Facheitelkeit" dazu, dass den Fachgutachten ein besonderer Rang erkämpft wird.
Sozusagen: "wer soll die endgültige Deutungsmacht haben?"

4. nicht nur über das Strafmaß sondern auch über die Tat selbst sollen Richter verhandeln und urteilen. Gutachter sollen nur eine Hilfe sein, komplizierte Zusammenhänge besser zu verstehen. Die Geschworenen sollen auch die gesellschaftliche Wertempfindung einbringen. Der Gerichtssaal ist ja für Psychologen nicht das Gelände für so eine Art Sängerstreit auf der Wartburg.
 
Psychologische Gutachten sind nicht mehr als ein Teil der Ermittlungen ... warum sollte sich daraus der Anspruch ableiten lassen, dass sie das Urteil sprechen sollten?

Polizeiliche Ermittlungen sind ebenfalls ein wesentliocher Bestandteil, mehr als jedes Guachten ... danach müssten sie - schon wegen ihrer Nähe zur Realität - das Urteil sprechen.

Psychologen sind keine Richter und das ist gut so, denn sie liegen meist falsch. Ein mehrheitliches Urteil ist demnach kein richtiges Urteil, denn es ist von der Auswahl der Gutachter abhängig.

Mehr als jeder Richter sind Psychologen von Fehlurteilen geprägt. Es reicht, wenn sie eoine Meinung über die Schuldfähigkeit abgeben. Mehr ist zu viel.
 
Es besteht hier die Frage, wie weit wir Menschen für unser Handeln überhaupt verantwortlich sind. Psychiater neigen immer dazu, ihren 'Fachgegenstand', die Psyche, als alles beherrschendes Monster zu erkennen. Sie möchten sich in den Stand des "Maschinisten der Seele" setzen.
 
Die Gutachten werden nach Aktenlage geschrieben.

Man spricht auch von einem Gutachterunwesen. Gutachten lassen sich bei Gericht in schönster sophistischer Tradition verwenden. Da darf auch der feinsinnigste Platoniker mal so richtig die Sau rauslassen und sich als Sophist alter Schule bewähren.

Die Frage, die zu diskutieren ist, stellt sich insofern, ob Gutachter so weit gerichtliche Verfahren bestimmen sollen.

Ja, denn Juristen und Laienrichter müssen ihre Hände in Unschuld waschen können. Justicia muß mit verbundenen Augen richten können ohne Ansehen der Person, warum dann in Ansehung des Gutachters?
 
Zuletzt bearbeitet:
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Ihr wisst aber schon, dass die meisten Gutachter die zu Begutachtenden nie gesehen haben. Die Gutachten werden nach Aktenlage geschrieben.
die Gutachter bekommen auch so wenig bezahlt, dass sie pleite gingen, wenn sie ihre Arbeitszeit auch noch für persönliche Begegnungen verschwenden. Sie ziehen sich halt einfach auf pseudowissenschaftliches Bohnenlesen zurück. Hauptsache, sie profilieren sich mit originellen Interpretationen.
 
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