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Vor- und andere Urteile

AW: Vor- und andere Urteile

Über den Sinn von Vorurteilen:
Gibt es einen solchen?
Hat es einen Sinn sich mit Vorurteilen zu beschäftigen?
Sich die eigenen näher anzusehen?


Hallo Raphael,

bestimmt bin ich jetzt gleich wieder der Beelzebub... :teufel2:
Aber seis drum.

Ein Urteil über etwas zu haben, das man nicht kennt, geht nicht, da ich ja dann von dessen Existenz gar nichts wüsste.

Ein Vorurteil dürfte also nur Dingen, Menschen(gruppen) etc. gegenüber möglich sein, über die ich schon etwas erfahren habe. Klassisch falsche Vorurteile scheinen zu entstehen, wenn ich nur aus zweiter Hand und/oder sehr allgemein bzw. unvollständig informiert wurde.
Nun habe ich aber das Problem, dass ich, um im Leben klarzukommen, mit Verallgemeinerungen, Kategorisierungen leben muss. Das war schon zu allen Zeiten so. Ich "weiß es einfach nicht besser" und habe oft keine Möglichkeit, es genauer zu untersuchen.
Beispiel:
Wie sind die Albaner?
Das gängige Vorurteil geht in Richtung krimnell und gewalttätig - und stimmt für die bei uns eingewanderten Albaner mit wesentlich höherer Wahrscheinlichkeit, als für Vietnamesen oder Chinesen.
Das heißt, einem Mitglied dieser Volksgruppe mit mehr Vorsicht zu begegnen, als einer deutschen Rentnerin, ist vernünftig.
Hingegen zu sagen: "Die Albaner sind kriminell.", ist ein dummes Vorurteil und ist Chauvinisnus - klar.

Aber das Leben ist eben voller Grauzonen. Wie wäge ich ab, ob ich eine nützliche und nicht ganz falsche Kategorisierung vornehme (...derjenige oder diese Leute da kommen mir nicht koscher vor...) oder ob ich sage: "Dieses Gesindel!"
Denn es gibt ja auch wirkliches Gesindel (z.B. Zuhälter, die sind für mich alle Gesindel).

Kurz und gut, in einer gewissen Ausprägung hat jeder Vorurteile und braucht sie auch in gewissem Maße, um sich ggf. richtig zu verhalten.
Der Grund dafür ist, dass wir vollständige Information nicht erlangen können - also gezwungen sind, uns aus dem, was wir haben, ein Bild zu machen.

LG, pispezi :zauberer2
 
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AW: Vor- und andere Urteile

Hallo Leute!

Überspitzt formuliert: Wenn ich gegen jemanden ein Vorurteil hege, dann stört mich am anderen das, was ich selbst nicht sein will, aber doch noch irgendwie bin, sonst würde ich mich am anderen doch nicht stoßen.

Ein Vorurteil ist ein Urteil, welches auf irgendeine Weise zustande gekommen ist. Aus heiterem Himmel ist es gewiss nicht entstanden, es muss also eine Vorgeschichte gehabt haben.

Ich bin mit dir, Pispezi, wenn du auch einen Sinn in Vorurteilen siehst.
Letztendlich dienen sie zum Überleben, denn ohne ihre Härte bliebe vielleicht bloß kindliche Blauäugigkeit, somit Verletzlichkeit, im Menschen über.

Spontane Ablehnung eines Menschen, gehört dies auch ins Revier der Vorurteile?

Ist uns nicht von der Natur der Geruchsinn gegeben? Mithilfe dieses Sinnes
sind wir zwar mehr Tier als Mensch, doch ebendiese olfaktorische Fähigkeit hilft uns z.B. Gut von Schlecht zu unterscheiden, zumindest, was die Partnerwahl anbelangt.
Ähnlicher Körpergeruch wie der eigene wird als abstoßend empfunden, denn er korreliert mit einem ähnlichen Immunsystem, was bei eventuellen Nachkommen gewisse Schäden potenzieren kann.

Wenn ich somit jemanden nicht riechen kann, ist das doch in gewisser Hinsicht auch ein Vorurteil, und zwar wieder gegen mich selber.
Der Kreis scheint sich zu schließen...und ich bleibe ratlos über.

Editierter Nachtrag: Und ich bin noch nicht mal angestreift an diversen Sachen, die hier im Forum rennen...

Mit freundlichen Grüßen
Raphael
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Vor- und andere Urteile

Vorurteile sind für mich fast allgegenwärtig. Im Unterschied zu Bherka sehe ich ein Vorurteil nicht erst in einem "Sich der Wahrheit verweigern", sondern schon in unseren Anschauungen, die auf Erfahrung bauen.

Mir fällt hierzu ein Beispiel ein: Ich denke, dass Frauen keine so guten Physiker sind wie Männer. Im Durchschnitt wohlgemerkt. Ist das ein Vorurteil? Ja, wahrscheinlich schon, schließlich habe ich nicht alle Physikerinnen und Physiker auf der Welt bezüglich ihres Könnens untersucht. Aber die Erfahrung der letzten 400 Jahre spricht dafür. Gut, man könnte nun meinen, früher hatten die Frauen ja nicht einmal die Chance Physik zu studieren. Das ist richtig, aber man braucht ja auch nur, die letzten 50 Jahre hernehmen. Somit gründet mein Vorurteil auf Erfahrung.
Vielleicht kommt mildernd hinzu, dass ich mir wenigstens bewusst bin, dass es ein Vorurteil ist.

Ich denke, eine Anschauung, die auf Erfahrung baut, ist immer in gewisser Weise mit einem Vorurteil behaftet. In dem Sinne bin ich mir bewusst, dass ich viele Vorurteile habe.
 
AW: Vor- und andere Urteile

Ob nun Vorurteile oder Be- oder Verurteilungen anderer Menschen - ganz generell finde ich es doch eher eine Anmassung solches zu tun.

Ich möchte Situationen beurteilen können. Auch Verhaltensweisen - eigene oder fremde - kann ich in mein Wertesystem einordnen.
Aber einen anderen Menschen in eine Schublade zu stecken aufgrund eines Eindrucks, den ich von ihm habe oder einiger äusserer Attribute scheint mir doch mehr als fragwürdig.

Ich versuche, dies zu unterlassen. Ich sehe absolut keinen Sinn darin.

Und ich frage mich, wie man überhaupt zu so einer Aussage wie der, dass Frauen schlechtere Physiker als Männer sind kommt. Benjamin, weshalb stellst du dir überhaupt diese Frage?

Und woher kommt eigentlich das Bedürfnis, andere Menschen zu beurteilen?
 
AW: Vor- und andere Urteile

Ob nun Vorurteile oder Be- oder Verurteilungen anderer Menschen - ganz generell finde ich es doch eher eine Anmassung solches zu tun.
...
Und woher kommt eigentlich das Bedürfnis, andere Menschen zu beurteilen?

Liebe Ela,

schau Dir doch einmal meinen Text da oben (#11) an. Da hab ich was genau dazu geäußert... :)

LG, pispezi :zauberer2
 
AW: Vor- und andere Urteile

Liebe Ela,

schau Dir doch einmal meinen Text da oben (#11) an. Da hab ich was genau dazu geäußert... :)

LG, pispezi :zauberer2

Ja, danke Pispezi. :)
Stimmt, du hast da einiges darüber geschrieben und ich kann es im Grunde auch nachvollziehen.

Allerdings halte ich es dennoch nicht wirklich für vernünftig, aufgrund von Vorurteilen, die, wie du ja schreibst Verallgemeinerungen und Kategorisierungen sind, bestimmten Menschen anders zu begegnen als anderen.
Vernünftig wäre es meiner Ansicht nach, zB die Körpersprache meines Gegenübers zu deuten, oder seine Mimik. Wirkt diese zB. aggressiv, dann ist Vorsicht am Platz. Aber bloss vorsichtig zu sein, weil der andere Albaner ist - was ist daran vernünftig?

Das meinte ich mit beurteilen von Situationen oder Verhaltensweisen.

Liebe Grüsse
Ela
 
AW: Vor- und andere Urteile

Ja, danke Pispezi. :)
Stimmt, du hast da einiges darüber geschrieben und ich kann es im Grunde auch nachvollziehen.

Allerdings halte ich es dennoch nicht wirklich für vernünftig, aufgrund von Vorurteilen, die, wie du ja schreibst Verallgemeinerungen und Kategorisierungen sind, bestimmten Menschen anders zu begegnen als anderen.
Vernünftig wäre es meiner Ansicht nach, zB die Körpersprache meines Gegenübers zu deuten, oder seine Mimik. Wirkt diese zB. aggressiv, dann ist Vorsicht am Platz. Aber bloss vorsichtig zu sein, weil der andere Albaner ist - was ist daran vernünftig?

Das meinte ich mit beurteilen von Situationen oder Verhaltensweisen.

Liebe Grüsse
Ela


Ela, das eine schließt das andere nicht aus.
Zunächst eine gewisse Reserviertheit zu bewahren bei Menschen(gruppen), über die man eher negative Nachrichtenn hat, bleibt für mich richtig.
Denn man darf auch nicht vergessen, dass "nettes Wesen" auch clever vorgetäuscht werden kann - und von Verberchern auch wird.
Ich würde mir nicht unbedingt zutrauen, aus der Körpersprache immer richtig zu deuten, wie mein konkretes Gegenüber ist - insbesondere wenn er aus einem fremden Kulturkreis kommt. Denn es gibt in jeder Kultur "Codes", die man nur wiedererkennt, wenn man damit genau vertraut ist.

Treffe ich also auf einen fremden Albaner, welche Wahl habe ich?

Blind vertrauen in den "Bruder Mensch"?

Meine eigene Deutung mitteleuropäischer Humanreaktionen auch auf ihn anwenden, obwohl ich weiß, dass das wahrscheinlich realitätsfern ist?

Oder besser Abstand wahren, solange ich die Person nicht länger kenne?

Ich würde letzteres tun - und sag Du mir, warum das falsch sein soll - bzw. welche der drei obigen Optionen Du wählen würdest.

LG, pispezi :zauberer2
 
AW: Vor- und andere Urteile

Es ist natürlich nicht falsch, wenn du das so empfindest.

Auch ich vertraue nicht einfach blind dem "Bruder Mensch" - obwohl ich sicher die Tendenz habe erst mal nicht Böses zu erwarten und damit bisher meistens gut gefahren bin.
Ich meine aber schon, dass die Körpersprache und Mimik eines Albaners wohl nicht sooo sehr anders sind, als dass ich sie nicht, zumindest ansatzweise, deuten könnte.

Aber vielleicht bin ich da tatsächlich ganz einfach nur sehr naiv. :)

Aber es gibt ja noch andere Vorurteile, die nicht unbedingt mit dem eigenen Sicherheitsgefühl zu tun haben, bei denen es einfach darum geht, andere zu beurteilen und zu kategorisieren. Und das ohne Not.

Ich will dir ein persönliches Beispiel geben.
Als ich noch zur Schule ging, fanden Leute, die erfuhren, dass ich das Gymnasium besuchte, ich sei doch ziemlich schlau und begegneten mir mit einem gewissen Respekt. Dann brach ich die Schule ab (weil ich doch etwas zu wenig schlau war ;)) und machte eine Lehre als Töpferin. Nun fanden viele Leute, ich sei wahrscheinlich geistig etwas zurückgeblieben, weil ich einen Beruf lernte, den sie nicht ernst nehmen konnten ("was, das kann man lernen?"), während dieser Ausbildung besuchte ich an einem Tag pro Woche die Kunstgewerbeschule. Wenn die Leute dies vernahmen, dann war ich plötzlich in ihren Augen eine Künstlerin und wurde schon beinahe bewundert.
Ich könnte jetzt noch weitere Stationen aufzählen, lass es aber, sonst wird das hier zu lang. ;)

Kurz gesagt, bei jeder Tätigkeit, die ich ausübte, landete ich automatisch in einer bestimmten Schublade und wurde auf eine bestimmte Weise beurteilt.
Mal bekam ich Respekt, mal nicht und war doch im Grunde immer die Selbe.

Und warum? Welchen Gewinn ziehen die Leute aus solch einem Verhalten?
Welche Notwendigkeit besteht für solche Urteile?
 
AW: Vor- und andere Urteile

Und warum? Welchen Gewinn ziehen die Leute aus solch einem Verhalten?
Welche Notwendigkeit besteht für solche Urteile?

Nun, ich denke, die Meisten machen das nicht in böser Absicht, weil solche Kategorisierungen eben zum evolutionär erworbenen Verhaltensrepertoire gehören - auch wenn sie im konkreten Fall vielleicht nicht nützlich sind.
Aber sie waren eben über Millionen Jahre statistisch nützlich, und nur das entscheidet!

LG, pispezi :zauberer2
 
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AW: Vor- und andere Urteile

Ja, das könnte tatsächlich sein. Von dieser Seite her hab ich das bisher noch nicht überlegt.

Danke Pispezi und gute Nacht. :blume1:
 
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