AW: ...und wiedermal
Diese Amokläufe werden sich m.E. immer wieder wiederholen.
Ich vermute, man sieht darinnen in erster Linie wie hilflos sich ein Kind gegenüber unserer brutalen Fürsorge (Regeln, Erwartungen, Anreize, Erfolg) und denen, die sich an diese Brutalität angepasst haben (Mitschüler, Lehrer, Geschäftsleute) fühlt. Ein fühlendes natürliches Lebewesen wird m.E. einfach zerquetscht. Wer bereits in der Schulzeit merkt, was um ihn herum passiert, der hats aus meiner Sicht schwer, sie zu überstehen. Glücklicherweise wachen die meisten erst im späten Arbeitsleben oder später oder nie auf. Dann sind sie stumpf genug (erwachsen genug), um anstelle eines eigenen Lebens nun ein paar Kurse und Seminare, Philosophien, Bücher und Meditationen zu konsumieren. Der Ersatz genügt ihnen in dieser Lebensphase bereits.
Der Amoklauf ist m.E. ne logische Folge aus einer Gesellschaft, die den Kindern einerseits tausend theoretische und gut ausgemalte Möglichkeiten bietet (Pappas Superstar zu sein), sie andererseits mit nach wie vor unbarmherziger Härte zum „richtigen Denken und Handeln“, zum anpassen, zum perfekt sein, zum entsprechen zwingt. Selbstverständlich zu ihrem Besten. Ein Sendeverbot von Amokläufen oder z.B. Jugendlichen, die sich die Arme aufritzen wäre m.E. auch „zu ihrem besten“. Man zwingt Kinder zum Guten, indem ihnen der Ausschluß aus der Gemeinschaft und der Ausschluß von Chancen, die bunten Spielsachen zu erreichen, droht, wenn sie nicht funktionieren. Das ist unser Verständnis von Freiheit. Und aus diesem Verständnis heraus entwickeln wir „Maßnahmen“, um die Gewalt der Kinder untereinander zu verringern?
Ein Superstar zu sein, mit 6 Jahren Chinesisch zu lernen, Kurse und noch mehr Kurse und sich steigenden Anforderungen mit einem leeren Gefühl im Inneren gegenüber zu sehen...vielleicht sollte man das nicht immer nur „akzeptieren“...wie einem der sog. Therapeut riet, sondern es etwas genauer anschauen. Selber. Vielleicht kommt das leere Gefühl auch daher, weil das Kind, so wie es ist, nicht akteptiert wird. Nun heißt es immer, so sei es doch garnicht, wir wissen doch heute, was Kinder brauchen. Gehört hab ich das auch schon mal. Und wenigstens ein Idiot kommt immer und sagt „du bist doch ok mein Kind...aber du musst dich entwickeln, du musst wachsen..auch im Yoga kann man wachsen“. Versteht man das? Wenn wir meinen, so schlimm, wie die Mitschüler die Kinder behandeln, so schlimm verhalten sich Erwachsene uns untereinander nicht, die Kleinen müssen von uns erst lernen, wie man lieb zueinander ist, sie müssen unsere Regeln lernen und unsere Vorgaben lernen, der sieht m.E. nicht was wir tun und setzt bei den Symptomen an. Symptome kann man ewig therapieren, das bringt etwas sehr wertvolles, Arbeit. Sinnlose Arbeit.
Der Amoklauf hat sicher als eine Art grandioses Ereignis einen höheren Wert im Nachahmen als „depressiv zu sein“ (was es nun mal auch geben soll)...aber hier geht’s doch um die Ursachen, die dazu geführt haben...und indem ich den letzten, den finalen Befreiungsschlag eines Seelchens versuche zu verschweigen oder mit Waffengesetzen und Kontrollen versuche zu verhindern...bleiben Ursachen bestehen. Das ist nach wie vor unser Prinzip, Verstehe nicht, warum das so schwer verständlich sein soll.
Lerne, werde besser und sei in deinem Leben ein Superstar. Der Amokläufer IST es im Grunde und er erklärt möglicherweise auf seltsame Weise, dass der Maßstab, anhand dessen wir den bewundernswerten vom verteufelnswerten Star unterscheiden...von Menschen festgelegt wurde, die selber bis zur Halskrause mit Vorgaben und unausgedrückten Regungen abgefüllt sind. Lediglich werden „die guten“ dann krank. Oder sie machen ihren Amoklauf als Politiker oder Börsianer. Auch die haben Ausdrucksmittel gefunden. Vielleicht sollte man über diese Ausdrucksmittel ebenso nicht mehr berichten...möglicherweise könnte man damit weit mehr Nachahmer verhinderen. Auf dem Wege reich und mächtig zu sein, bleiben weit mehr Opfer liegen, als bei ein paar Jugendliche, die ausrasten.
Bernd