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sapere aude

oktoberwind

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20. November 2007
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1.025
Sapere aude - Ein Plädoyer gegen die herrschende Dummheit

Selbst wenn es sicherlich ironisch gemeint war, was Erasmus von Rotterdam in seinem “Lob der Torheit” schrieb, ein Körnchen Wahrheit kann man ihm nicht absprechen, “dass die christliche Religion offensichtlich eine gewisse Verwandtschaft zur Torheit hat, dagegen weit weniger mit der Weisheit übereinstimmt”. Solange das Denken gefangen bleibt in religiösen Vorstellungen - gleich welcher Provenienz - wird der Schritt aus der Dummheit heraus nie gelingen.

Aufklärung ist ein Akt gegen die religiöse Vormachtstellung. Der viel beschworene “Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ - definiert als „das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines Anderen zu bedienen“ - muss Massstab menschlicher Entwicklung bleiben.

Die uneingeschränkt gültige Forderung danach wird auch im zwanzigsten Jahrhundert aufrecht erhalten. Zu Anfang durch den berühmten Aphorismus Einsteins: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“

In der Literatur findet dieses Wissen Niederschlag beispielsweise in Heinrich Manns Roman über die “Jugend des Königs Henri IV.”, eines historischen Romans, dem Mann unverkennbar zeitgenössische Züge einbaut. Im Kapitel “Fama” lässt er Montaigne auftreten mit der Devise: “Das muss man wissen: wer denkt, soll handeln, und nur der. Dagegen gibt es das sittlich Ungeheure außerhalb der Grenzen der Vernunft. Das ist die Sache der Unwissenden, die gewalttätig werden durch ihre ausschweifende Dummheit.”

Und noch Alexander Mitscherlich fand es notwendig, in seiner Dankesrede zum Friedenspreis des deutschen Buchhandels 1969 “Feindseligkeit und hergestellte Dummheit” thematisieren zu müssen, weil die “unausrottbare Dummheit” einer der Faktoren sei, der den Weg zu einer friedlicheren Entwicklung versperre. Er spricht aber von einer “anerzogenen Dummheit” und meint damit eine “durch Erziehung zu Vorurteilen herbeigeführte Dummheit”. Sein Schlusssatz lautet: “Wie die Welt auch aussehen mag, bewohnbar wird sie nur bleiben, solange wir Glück und Unglück des Einzelnen nicht aus dem Auge verlieren”.
 
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AW: sapere aude

...
1. , “dass die christliche Religion offensichtlich eine gewisse Verwandtschaft zur Torheit hat, dagegen weit weniger mit der Weisheit übereinstimmt”.
2. Solange das Denken gefangen bleibt in religiösen Vorstellungen - gleich welcher Provenienz - wird der Schritt aus der Dummheit heraus nie gelingen.
...
3. Zu Anfang durch den berühmten Aphorismus Einsteins: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“
....
Zu 1.:
Und was ist mit der Torheit der Weisen:confused:
Sepp Maier, Ex-Torwart der deutschen Fußballnationalmannschaft, nannte sein berühmtes philosophisches "Hauptwerk": "Ich bin doch kein Tor!":lachen::lachen::lachen:
Zu 2.:
Siehe hierzu das Gesülze der unfehlbar-dogmatischen cäsaren-papistischen MickeyMouse aus Rom ...Beweis: Seine bisherigen 2 Enzykliken ...:lachen::lachen::lachen: Von seinen depperten Reden gar nicht zu reden ...:clown2:
Zu 3.:
Zum Uni-versum:
Es spricht einiges dafür, dass es unbegrenzt, aber endlich ist ...
wokarb./.Einstein 1:0...(zur Halbzeit!):ola:
 
AW: sapere aude

Hallo !

Im Buch eines amerikanischen Außendienstverkäufers las ich einmal den meiner Meinung nach auch etwas moralischen Ratschlag (natürlich hatte dieser den Hintergedanken, etwas zu verkaufen, sinngemäß): "Hilf' dem potentiellen Kunden, draufzukommen, was er will und zeige ihm dann einen Weg dazu, wie er sich seinen Wunsch erfüllen kann."

Ich finde, hier sollten wir auch im täglichen Leben ansetzen, um der Dummheit - über die ich mich auch manchmal maßlos ärgere, und zwar über die eigene genauso wie die mancher meiner Mitmenschen - Herr zu werden. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die allermeisten Menschen mehrere Wünsche haben, die allerdings oft - aus welchem Grund auch immer - in ihrem Unterbewusstsein schlummern. Helfen wir ihnen, diese Wünsche, Träume und Ziele hervorzuholen und sagen wir ihnen dann, dass sie natürlich eine gewisse (Aus)bildung dazu brauchen, um das Ersehnte zu erreichen. Freilich dürfen wir dabei auf eine Kultur im Sinne von absolutem Gewaltverzicht nicht vergessen.

Nur so ein Vorschlag !

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: sapere aude

Sapere aude - Ein Plädoyer gegen die herrschende Dummheit

Selbst wenn es sicherlich ironisch gemeint war, was Erasmus von Rotterdam in seinem “Lob der Torheit” schrieb, ein Körnchen Wahrheit kann man ihm nicht absprechen, “dass die christliche Religion offensichtlich eine gewisse Verwandtschaft zur Torheit hat, dagegen weit weniger mit der Weisheit übereinstimmt”. Solange das Denken gefangen bleibt in religiösen Vorstellungen - gleich welcher Provenienz - wird der Schritt aus der Dummheit heraus nie gelingen.

Aufklärung ist ein Akt gegen die religiöse Vormachtstellung. Der viel beschworene “Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ - definiert als „das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines Anderen zu bedienen“ - muss Massstab menschlicher Entwicklung bleiben.

Die uneingeschränkt gültige Forderung danach wird auch im zwanzigsten Jahrhundert aufrecht erhalten. Zu Anfang durch den berühmten Aphorismus Einsteins: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“

In der Literatur findet dieses Wissen Niederschlag beispielsweise in Heinrich Manns Roman über die “Jugend des Königs Henri IV.”, eines historischen Romans, dem Mann unverkennbar zeitgenössische Züge einbaut. Im Kapitel “Fama” lässt er Montaigne auftreten mit der Devise: “Das muss man wissen: wer denkt, soll handeln, und nur der. Dagegen gibt es das sittlich Ungeheure außerhalb der Grenzen der Vernunft. Das ist die Sache der Unwissenden, die gewalttätig werden durch ihre ausschweifende Dummheit.”

Und noch Alexander Mitscherlich fand es notwendig, in seiner Dankesrede zum Friedenspreis des deutschen Buchhandels 1969 “Feindseligkeit und hergestellte Dummheit” thematisieren zu müssen, weil die “unausrottbare Dummheit” einer der Faktoren sei, der den Weg zu einer friedlicheren Entwicklung versperre. Er spricht aber von einer “anerzogenen Dummheit” und meint damit eine “durch Erziehung zu Vorurteilen herbeigeführte Dummheit”. Sein Schlusssatz lautet: “Wie die Welt auch aussehen mag, bewohnbar wird sie nur bleiben, solange wir Glück und Unglück des Einzelnen nicht aus dem Auge verlieren”.

Die Aufklärung wendet sich ab von der dogmatischen Offenbarungsreligion und öffenet sich hin zur Vernunftreligion oder Naturreligion...

Heute allerdings verdummt die Aufklärung selbst, weil sie eben nur blendet...

Wäre Dawkings mal bei seiner Präferenz der Zoologie geblieben.....
....dann wäre uns die neo-atheistische Verdummung ersparrt geblieben.

Lieber Oktoberwind,

Du bringt hier so viele Themen zusammen und ich hätte da einige Fragen, die sich mir auftun:

1. Kennst Du den Unterschied zwischen religiöser Vorstellung und religiöser Wirklichkeit (also die religiöse Erfahrung = Kontemplation)?
2. kennst Du das Einstein Zitat, ohne Religion keine Wissenschaft und ohne Wissenschaft keine Religion?
3. Kannst Du die Sittlichkeit ohne Legitimationsglauben begründen?
4. Kannst Du Glück und Unglück ohne Glauben, also nur mit WISSEN erklären?
5. Hältst Du die agnostische Mitte des ursprünglichen Atheismus der Aufklärung und frühen Neuzeit für einen faulen Kompromiss?
6. Hast Du schon was von den neuen Atheisten - Neo-Atheisten - gehört, gelsen, gesehen? (der Kreuzzugbus der neuen Atheisten fährt ja durch Europa?)
:blume1:

Lieben Gruß
Axl
 
AW: sapere aude

Sapere aude: Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen. So die Kant’sche Übersetzung.

Da ich „Verstand“ für eine Theorie halte, bzw. für eine Metapher, was gewohnheitsmäßig übersehen wird, und so niemand so recht weiß, was er sich eigentlich darunter vorzustellen hat, möchte ich vorschlagen diese Wendung durch eine zeitgemäßere zu ersetzen:

Habe Mut, Dich eigenständig zu entscheiden.

Dann brauchen wir auch keine Dummheit.
Dann geht es darum, uns gegenseitig beim eigenen ‚entscheiden’ nützlich zu sein. Darüber könnten wir philosophieren.

manni :)
 
AW: sapere aude

Sapere aude: Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen. So die Kant’sche Übersetzung.

Da ich „Verstand“ für eine Theorie halte, bzw. für eine Metapher, was gewohnheitsmäßig übersehen wird, und so niemand so recht weiß, was er sich eigentlich darunter vorzustellen hat, möchte ich vorschlagen diese Wendung durch eine zeitgemäßere zu ersetzen:

Habe Mut, Dich eigenständig zu entscheiden.

Dann brauchen wir auch keine Dummheit.
Dann geht es darum, uns gegenseitig beim eigenen ‚entscheiden’ nützlich zu sein. Darüber könnten wir philosophieren.

manni :)
Hallo !

Recht gute Gedanken, finde ich; Entscheidungshilfen von außen für schwere Entscheidungen (auch für persönliche) sollten wir nicht ablehnen.

Liebe Grüße

Zeili
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: sapere aude

'entscheiden' ist m.E. eine kontinuierliche Tätigkeit jedes Menschen. Die Frage ob eigenständig 'entschieden' wird, beantwortet sich m.E. dann positiv, wenn 'entscheiden' autonomen Kriterien folgt.

manni :)

Die meisten unserer Entscheidungen fällen wir unbewußt. Was wir tun können, ist, uns klar zu machen, worin der Sinn und worin der Preis einer bestimmten Entscheidung liegt: was nützt es mir, meiner Entwicklung, einem oder mehreren anderen, und was muss ich selbst tun, lassen oder von außen annehmen, damit eine "runde Sache" draus werden kann.

Bewußt gefällte, geplante und berechnete Entscheidungen ziehen meiner Erfahrung nach immer völlig andere Folgen nach sich, als es vorher erschien.
 
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AW: sapere aude

Die meisten unserer Entscheidungen fällen wir unbewußt. ... Bewußt gefällte, geplante und berechnete Entscheidungen ziehen meiner Erfahrung nach immer völlig andere Folgen nach sich, als es vorher erschien.

Ich denke auch, dass das rationale Entscheidungsmodell - das vielfach noch verwendet wird - nicht der Realität unseres ‚entscheiden’ entspricht. Dies folgt m.E. auch aus den neurophysiologischen Experimenten wie sie u.a. Libet schon in den 60igern des letzten Jahrhunderts gemacht hat. ‚entscheiden’ scheint demnach eine körperliche Aktivität zu sein, die wir im Moment des ‚entscheiden’ (=’handeln’) allenfalls verhindern oder ihr zustimmend folgen können. Für mich heißt das, dass ich an meinem ‚entscheiden’ nur vorbereitend im Sinne meines eigenen Wertsystems mitwirken kann. Dazu tragen auch die vielen Erfahrungen bei, die ich mit meinem ‚entscheiden’ mache. ‚reflektieren’ ist m.E. dabei die zentrale Aktivität.

manni :)
 
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