M
majanna
Guest
Robin Rudolph „Ausblende“ – Versuch einer Besprechung
Was den Reiz dieses kurzen Romans ausmacht, ist gleichzeitig seine Schwäche.
Der interessierte Leser erfährt sehr viel über das Radiosendung- Machen, genauer noch über das Musikradiomachen. Anschaulich, lebendig, an Menschen und ihren Schicksalen wird das Ende einer großen technischen Neuerung des 20. Jahrhunderts zum Thema gemacht. Und das durch einen interessanten Autoreneinfall: das Symbol wird personifiziert: am Ende der Romans ist das Funkhaus nicht nur metaphorisch vom Erdboden verschwunden.
Rudolph verknüpft aber nicht nur das Technische und allgemein Humane mit dem Musikmachen, er macht auch die Musik zum Thema. Und das auf eine mitunter für Nichtmusikliebhaber, ach was, Nichtkenner sehr ermüdende Weise.
Verbunden wird tontechnisches Wissen und musikwissenschaftliche Hintergrundinformation - Anna Janotscheks innerer Monolog über die Musik Brahms als Beispiel für die Binnendifferenzierung in der Musik – durchaus in fachwissenschaftlichem Gestus. - Bei der Schilderung Karls, des Penners beim Dirigieren der großen Stadt werden wir mit musikwissenschaftlichen Grundbegriffen konfrontiert. Die Reflexionen über das absolute Gehör – dargestellt am Objekt Kruschke erfolgen wieder in fast auctorialer Erzählweise . . Schön und anregend für den, der darüber Wissen hat – weniger schön für den ohne.
Dasselbe Phänomen : Reiz oder Langeweile – ist bei den zahlreichen , mitunter kursiv gedruckten Stellen, in denen Philosophisches berichtet wir, zu beobachten.. Auf Seite 5 wird die Totentanzidee als sich selbst auflösende Systemtheorie „entlarvt“.
Rudolph geht dabei durchaus flexibel mit darstellerischen Mitteln um:z.B. als Sachtext getarnt – S.5, als Beschreibung des Lebenssinns einer Figur : „ Rene sah sein Leben als eine Abfolge von Beobachtungen ... Ich bin ein Fortpflanzen in der Zeit... (S53). Es gäbe noch weitere Beispiele.
Der Autor versucht zwar, auch durch die Erzählung diese philosophischen Ansprüche in Erlebbares umzuformen, aber ob ihm das zur Gänze gelingt? Er teilt das Buch in drei Teile: Die Tür ( 133 Seiten), Das Verhör ( 5 Seiten) Das Verschwinden ( 42 Seiten), wohl um das Verschwinden von Anstalt und Menschen deutlich zu machen. Ist man geneigt, dem Mittelteil der durch Kürze auffällt, eine besondere Bedeutung beizumessen, wird man eher enttäuscht .Kursiv gedruckt wird ein neuer Schauplatz eingeführt: ein Polizeigebäude. In diesem erfolgt das Verhör des männlichen Hauptprotagonisten, Rene Risalto, durch einen Beamten. Dieses Verhör kann aber nicht einem realen gleichgesetzt werden: Wieder nach altem Muster: Reflexionen – diesmal in direkter Rede zeitdeckend erzählt – über die Wahrscheinlichkeit von Zufällen. Verhörer und Verhörter reden durchaus als Gleichgestellte miteinander.
Soll diese Dreiteilung nur als Hilfe eine moderne Auflösung von Kafkas Parabel: Der Türhüter gedacht sein?
Trotz Sex - direkt erzählt anhand von Episoden mit Jasmin/ Rene und Jasmin/Britta- umschrieben das erotische Abenteuer zwischen der ältlichen Anna Janotschek und Rene und crime: immerhin lesen wir von drei geheimnisvollen Todesfällen- bleibt die Handlung irgendwie blutleer. Das mag auch durch die Episodisierung ( jeder Teil 1, 2, 3 usw
durchgezählt) der Handlung erfolgen, die an Filmszenen erinnert und die das stringente Zusammenfügen der Einzelgeschehnisse doch sehr dem Leser überlässt.
Das rätselhafte Verschwinden der Radioanstalt , nachdem sie der Leser, die Nachwelt, noch einmal perspektivisch aus der Sicht der dort irgendwie schicksalhaft verbunden Erscheinenenden ,liebevoll geschildert bekam, könnte etwas Beklemmendes haben, wenn, ja wenn Max Frisch dieses Verschwinden des Menschen und seiner kulturellen Leistungen nicht viel stärker in seinem Text „Der Mensch erscheint im Holozän „ uns vorerzählt hätte.
Oder verschwindet bei Robin Rudolph „eh“ nur die „Anstalt“. Karl der Penner übergibt ja die Aufgabe, eine Stadt zu dirigieren, auch einer Jüngeren. Rudolphs philosophischer Ansatz, die Welt als eine Welt sich einander ablösender Systeme zu sehen, lässt das vermuten.
Kurz: ein ambioniertes Werk, in dem Anspruch und Realisierung sich nicht immer die Waage hält.
Marianne
Was den Reiz dieses kurzen Romans ausmacht, ist gleichzeitig seine Schwäche.
Der interessierte Leser erfährt sehr viel über das Radiosendung- Machen, genauer noch über das Musikradiomachen. Anschaulich, lebendig, an Menschen und ihren Schicksalen wird das Ende einer großen technischen Neuerung des 20. Jahrhunderts zum Thema gemacht. Und das durch einen interessanten Autoreneinfall: das Symbol wird personifiziert: am Ende der Romans ist das Funkhaus nicht nur metaphorisch vom Erdboden verschwunden.
Rudolph verknüpft aber nicht nur das Technische und allgemein Humane mit dem Musikmachen, er macht auch die Musik zum Thema. Und das auf eine mitunter für Nichtmusikliebhaber, ach was, Nichtkenner sehr ermüdende Weise.
Verbunden wird tontechnisches Wissen und musikwissenschaftliche Hintergrundinformation - Anna Janotscheks innerer Monolog über die Musik Brahms als Beispiel für die Binnendifferenzierung in der Musik – durchaus in fachwissenschaftlichem Gestus. - Bei der Schilderung Karls, des Penners beim Dirigieren der großen Stadt werden wir mit musikwissenschaftlichen Grundbegriffen konfrontiert. Die Reflexionen über das absolute Gehör – dargestellt am Objekt Kruschke erfolgen wieder in fast auctorialer Erzählweise . . Schön und anregend für den, der darüber Wissen hat – weniger schön für den ohne.
Dasselbe Phänomen : Reiz oder Langeweile – ist bei den zahlreichen , mitunter kursiv gedruckten Stellen, in denen Philosophisches berichtet wir, zu beobachten.. Auf Seite 5 wird die Totentanzidee als sich selbst auflösende Systemtheorie „entlarvt“.
Rudolph geht dabei durchaus flexibel mit darstellerischen Mitteln um:z.B. als Sachtext getarnt – S.5, als Beschreibung des Lebenssinns einer Figur : „ Rene sah sein Leben als eine Abfolge von Beobachtungen ... Ich bin ein Fortpflanzen in der Zeit... (S53). Es gäbe noch weitere Beispiele.
Der Autor versucht zwar, auch durch die Erzählung diese philosophischen Ansprüche in Erlebbares umzuformen, aber ob ihm das zur Gänze gelingt? Er teilt das Buch in drei Teile: Die Tür ( 133 Seiten), Das Verhör ( 5 Seiten) Das Verschwinden ( 42 Seiten), wohl um das Verschwinden von Anstalt und Menschen deutlich zu machen. Ist man geneigt, dem Mittelteil der durch Kürze auffällt, eine besondere Bedeutung beizumessen, wird man eher enttäuscht .Kursiv gedruckt wird ein neuer Schauplatz eingeführt: ein Polizeigebäude. In diesem erfolgt das Verhör des männlichen Hauptprotagonisten, Rene Risalto, durch einen Beamten. Dieses Verhör kann aber nicht einem realen gleichgesetzt werden: Wieder nach altem Muster: Reflexionen – diesmal in direkter Rede zeitdeckend erzählt – über die Wahrscheinlichkeit von Zufällen. Verhörer und Verhörter reden durchaus als Gleichgestellte miteinander.
Soll diese Dreiteilung nur als Hilfe eine moderne Auflösung von Kafkas Parabel: Der Türhüter gedacht sein?
Trotz Sex - direkt erzählt anhand von Episoden mit Jasmin/ Rene und Jasmin/Britta- umschrieben das erotische Abenteuer zwischen der ältlichen Anna Janotschek und Rene und crime: immerhin lesen wir von drei geheimnisvollen Todesfällen- bleibt die Handlung irgendwie blutleer. Das mag auch durch die Episodisierung ( jeder Teil 1, 2, 3 usw
durchgezählt) der Handlung erfolgen, die an Filmszenen erinnert und die das stringente Zusammenfügen der Einzelgeschehnisse doch sehr dem Leser überlässt.
Das rätselhafte Verschwinden der Radioanstalt , nachdem sie der Leser, die Nachwelt, noch einmal perspektivisch aus der Sicht der dort irgendwie schicksalhaft verbunden Erscheinenenden ,liebevoll geschildert bekam, könnte etwas Beklemmendes haben, wenn, ja wenn Max Frisch dieses Verschwinden des Menschen und seiner kulturellen Leistungen nicht viel stärker in seinem Text „Der Mensch erscheint im Holozän „ uns vorerzählt hätte.
Oder verschwindet bei Robin Rudolph „eh“ nur die „Anstalt“. Karl der Penner übergibt ja die Aufgabe, eine Stadt zu dirigieren, auch einer Jüngeren. Rudolphs philosophischer Ansatz, die Welt als eine Welt sich einander ablösender Systeme zu sehen, lässt das vermuten.
Kurz: ein ambioniertes Werk, in dem Anspruch und Realisierung sich nicht immer die Waage hält.
Marianne