mwirthgen
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Ausgangspunkt ist Rortys erworbene Gründlichkeit philosophischen Problemen nachzuspüren: „Ein »philosophisches Problem« war das Produkt gewisser in die Terminologie der Problemformulierung eingebauter unbewußter Voraussetzungen, die man zu hinterfragen hatte, bevor man die eigentliche Problematik ernst nehmen durfte.“ (Rorty: Spiegel der Natur,S.9) so erläutert Rorty die Quintessenz seiner philosophischen Studien.
Der Kontext, in den Rorty seinen Ausgangspunkt setzt, ist der jahrhundertalte Wunsch der traditionellen Philosophie, ewige Fundamente fürs Wahrnehmen und Handeln im Mentalen zu finden. Dieser Wunsch manifestiert sich auch in den Problemen, die sich ihr stellen: „Die Philosophen meinen gewöhnlich, ihr Fach handle von zeitlosen, ewigen Problemen - Problemen, die aufkommen, sobald wir zu reflektieren beginnen.“ ( ebd. S.10.)
Zu nennen wären da z.B. erkenntnistheoretische Probleme. Die Frage nach dem Ding an sich.
Mit 'eingebauten unbewussten Voraussetzungen' bezieht sich Rorty u.a. auf kulturelle Vorraussetzungen, und insbesondere auf die, die durch Sprache impliziert werden.
Schon Augustinus hatte in seinem Dialog 'Über den Lehrer' seinen Sohn Adeatus davor gewarnt, Wörtern mehr zuzutrauen, als sie zu leisten in der Lage sind. „Sie können nichts lehren!“, meinte Augustinus damals und fuhr sinngemäß fort: 'Denn das, was sie bezeichnen, muss jeder selber bereits kennen.' Nicht thematisiert hat Augustinus, dass Menschen Wörter, die bereits bekanntes bezeichnen, auf anderes übertragen. So wurde z.B. 'psyche' aus seiner ursprünglichen Bezeichnung für Atem bzw. Blut als dem Lebensprinzip unserers Körpers übertragen auf die Vorstellung eines immaterielles Lebensprinzipes. Dies ist ein üblicher Umgang mit Sprache. In Fritz Mauthners „Philosophischem Wörterbuch“ finden sich weitere zahlreiche Beispiele dafür und jedes Wörterbuch, insbesondere Herkunftswörterbücher sind voll mit diesen Phänomenen. 'Übertragen' ist eigentlich nur fast zutreffend, setzt es doch voraus, als gäbe es da etwas, auf das ein Wort übertragen werden könne. Diese weit verbreiteten implitziten Voraussetzungen haben weitreichende Konsequenzen. Aus übertragenen Bezeichnungen werden – vermutlich in Folge der Gewöhnung an den übertragenden Gebrauch – Entitäten z.B. wie die Vernunft, die dann wieder Begründungen für sensuierbare Phänomene liefern sollen. Spürt man dieser historischen Entwicklung nach, werden nicht nur diese Begriffe, sondern gar das ganze Projekt der traditionellen Philosophie fragwürdig.
„Wir werden uns damit abfinden müssen,“ so fasst Rorty daher das Ergebnis detaillierter Erläuterungen zu dieser Frage unter der Überschrift „Referenz“ im VI. Kapitel zusammen, „daß der Begriff des »Begriffsschemas« einfach nicht leisten kann, was sich die Philosophen der Tradition von ihm erhofft hatten - die Klärung gewisser spezieller Adäquatheitsbedingungen, die die »Vernunft« an unsere Theorien stellt, und die erklären, warum unsere idealen Theorien »der Wirklichkeit zu korrespondieren haben«. (Putnam, »Realism and Reason«, 5.486 (S. 126 in Meaning and the Moral Sciences).“ Kurz gesagt, „...eine Theorie, die sich die Sprache als ein Abbild der Welt denkt - ein System von Darstellungen, ... ist für die Erklärung des Erwerbs und Verstehens von Sprache nicht brauchbar.“ (Rorty, Spiegel der Natur, S. 323f)
Den Weg zu dieser Einsicht beschreibt Rorty u.a. an der Frage: "Warum soll man sich das Phänomenale als etwas Immaterielles denken?« (ebd. 39)
Nachdem R. darüber hinaus noch weitere 8 Merkmale des Mentalen diskutiert hat, kommt er zu dem Schluss, dass alle Antworten bereits Mentales implizieren, ohne es beschreiben zu können: „wir haben nicht den leisesten Begriff davon, was das Mentale ist; ...“ (ebd.43)
Für Rorty ergab sich außerdem aus der Beschäftigung mit der Geschichte des 'Problems des Geistigen bzw. des Geistes', dass Geist, Bewusstsein, Vernunft, Verstand durch Hypostasierung von Eigenschaften entstanden sein könnten. Diese Hypostasierungen wurden schließlich wie etwas „Seiendes“ (Entität) angesehen. (Vgl. vor allem die Kapitel III und IV in seinem 'Spiegel der Natur) Daran hätte die Metaphorik der Griechen genauso mitgewirkt, wie die Unterscheidung Descartes zwischen res extensa und res cogitans.
Geist, Bewusstsein und Verstand, als 'Metaphorik', d.h. als Bezeichnung für etwas, das wir nicht kennen, aufzufassen, führt zu einer im Grundsatz von der Tradition abweichenden philosophischen Auffassung. Ist nämlich Mentales letztlich nichts anderes als möglicherweise ein physikalische Eigenschaft, dann hat Mentales seine verlässliche Funktion – wie sie Kant und heute moderne Vertreter der 'Philosophie des Geistes' annehmen - als Begründung für unsere Schlussfolgerungen verloren. „Philosophen .. wie ich ... müssen das traditionelle philosophische Projekt aufgeben, nämlich die Suche nach etwas Stabilem, das als Beurteilungskriterium für die vergänglichen Erzeugnisse unserer vergänglichen Bedürfnisse und Interessen dienen könnte...“ (Richard Rorty: Relativismus – Entdecken und Erfinden. In: Antje Gimmler/Mike Sandbothe/Walther Ch. Zimmerli (Hrsg.), Die Wiederentdeckung der Zeit, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt. http://www.information-philosophie.de/?a=1&t=563&n=2&y=1&c=1#)
Diese endgültige Absage an jedwede kantianische Transzendentalphilosophie, jede Art von Ontologie des Geistes ist zugleich eine Absage an jedes Wissenschaftsverständnis das davon ausgeht, es gäbe Kriterien, die eine verlässliche und dauerhafte Bewertungen von Forschungsergebnissen möglich machen bzw. quasi von oben herab, Forschungsergebnisse entsprechend dieser Kriterien in eine ganz bestimmte Ordnung zu bringen seien.
D.h., es gibt keine Letztbegründungen und auch keine (sinnvolle) Theorie ohne Praxisbezug. „Wir können die Wahrheit nicht als Ziel einer Untersuchung betrachten. Zweck einer Untersuchung ist vielmehr, eine Übereinkunft zwischen Menschen ... darüber zu erzielen, ...“ (Rorty: Relativismus, ebd.)
Dieses Übereinkommen wird aber nicht mehr wie zu Kants Zeiten von irgendwelchen ewigen Aprioris gesteuert, sondern einzig und allein durch sachbezogene Verständigung über die jeweiligen Forschungsergebnisse. Sie ist von der Autonomie der Beteiligten, ihren Kenntnissen und ihrer Fähigkeit gemeinsam Bedeutungsvolles finden zu wollen, abhängig.
Das was uns voranbringt ist eine Kultur „... in welcher im Vergleich untereinander weder Priester noch Physiker noch Poeten noch die Partei als 'rationaler', als 'wissenschaftlicher' oder als 'tiefer' denkend gelten. Kein Teilbereich dieser Kultur kann für sich alleine beanspruchen, exemplarische Bedingungen (bzw. solche die nicht exemplarisch sind) zu kennen, nach denen sich der Rest zu richten habe. Es würde keinen Sinn machen, davon auszugehen, dass jenseits aller momentan akzeptierten interdisziplinären Kriterien, denen einerseits gute Priester und auch gute Physiker folgen, diese sich noch an darüber hinaus gehende gebunden fühlen, d.h. also weder interdisziplinäre, noch intrakulturelle, noch historisch akzeptierte Kriterien außerdem gelten ließen.“ (Rorty, Consequences of Pragmatism. Minnesota Press 1982)
Gemeinschaftlich geteilte Überzeugungen statt Wissen.
„Hat man verstanden, daß das Erkennen nicht ein Wesen hat, das von den Wissenschaftlern oder den Philosophen beschrieben werden könnte, sondern daß es die Berechtigung ist, kraft momen*tan gültiger Maßstäbe etwas zu glauben, so ist man ein gutes Stück in die Richtung der Auffassung weitergekommen, für die das Gespräch der unhintergehbare Kontext ist, ...“ (Spiegel der Natur, 421f)
manni
Der Kontext, in den Rorty seinen Ausgangspunkt setzt, ist der jahrhundertalte Wunsch der traditionellen Philosophie, ewige Fundamente fürs Wahrnehmen und Handeln im Mentalen zu finden. Dieser Wunsch manifestiert sich auch in den Problemen, die sich ihr stellen: „Die Philosophen meinen gewöhnlich, ihr Fach handle von zeitlosen, ewigen Problemen - Problemen, die aufkommen, sobald wir zu reflektieren beginnen.“ ( ebd. S.10.)
Zu nennen wären da z.B. erkenntnistheoretische Probleme. Die Frage nach dem Ding an sich.
Mit 'eingebauten unbewussten Voraussetzungen' bezieht sich Rorty u.a. auf kulturelle Vorraussetzungen, und insbesondere auf die, die durch Sprache impliziert werden.
Schon Augustinus hatte in seinem Dialog 'Über den Lehrer' seinen Sohn Adeatus davor gewarnt, Wörtern mehr zuzutrauen, als sie zu leisten in der Lage sind. „Sie können nichts lehren!“, meinte Augustinus damals und fuhr sinngemäß fort: 'Denn das, was sie bezeichnen, muss jeder selber bereits kennen.' Nicht thematisiert hat Augustinus, dass Menschen Wörter, die bereits bekanntes bezeichnen, auf anderes übertragen. So wurde z.B. 'psyche' aus seiner ursprünglichen Bezeichnung für Atem bzw. Blut als dem Lebensprinzip unserers Körpers übertragen auf die Vorstellung eines immaterielles Lebensprinzipes. Dies ist ein üblicher Umgang mit Sprache. In Fritz Mauthners „Philosophischem Wörterbuch“ finden sich weitere zahlreiche Beispiele dafür und jedes Wörterbuch, insbesondere Herkunftswörterbücher sind voll mit diesen Phänomenen. 'Übertragen' ist eigentlich nur fast zutreffend, setzt es doch voraus, als gäbe es da etwas, auf das ein Wort übertragen werden könne. Diese weit verbreiteten implitziten Voraussetzungen haben weitreichende Konsequenzen. Aus übertragenen Bezeichnungen werden – vermutlich in Folge der Gewöhnung an den übertragenden Gebrauch – Entitäten z.B. wie die Vernunft, die dann wieder Begründungen für sensuierbare Phänomene liefern sollen. Spürt man dieser historischen Entwicklung nach, werden nicht nur diese Begriffe, sondern gar das ganze Projekt der traditionellen Philosophie fragwürdig.
„Wir werden uns damit abfinden müssen,“ so fasst Rorty daher das Ergebnis detaillierter Erläuterungen zu dieser Frage unter der Überschrift „Referenz“ im VI. Kapitel zusammen, „daß der Begriff des »Begriffsschemas« einfach nicht leisten kann, was sich die Philosophen der Tradition von ihm erhofft hatten - die Klärung gewisser spezieller Adäquatheitsbedingungen, die die »Vernunft« an unsere Theorien stellt, und die erklären, warum unsere idealen Theorien »der Wirklichkeit zu korrespondieren haben«. (Putnam, »Realism and Reason«, 5.486 (S. 126 in Meaning and the Moral Sciences).“ Kurz gesagt, „...eine Theorie, die sich die Sprache als ein Abbild der Welt denkt - ein System von Darstellungen, ... ist für die Erklärung des Erwerbs und Verstehens von Sprache nicht brauchbar.“ (Rorty, Spiegel der Natur, S. 323f)
Den Weg zu dieser Einsicht beschreibt Rorty u.a. an der Frage: "Warum soll man sich das Phänomenale als etwas Immaterielles denken?« (ebd. 39)
Nachdem R. darüber hinaus noch weitere 8 Merkmale des Mentalen diskutiert hat, kommt er zu dem Schluss, dass alle Antworten bereits Mentales implizieren, ohne es beschreiben zu können: „wir haben nicht den leisesten Begriff davon, was das Mentale ist; ...“ (ebd.43)
Für Rorty ergab sich außerdem aus der Beschäftigung mit der Geschichte des 'Problems des Geistigen bzw. des Geistes', dass Geist, Bewusstsein, Vernunft, Verstand durch Hypostasierung von Eigenschaften entstanden sein könnten. Diese Hypostasierungen wurden schließlich wie etwas „Seiendes“ (Entität) angesehen. (Vgl. vor allem die Kapitel III und IV in seinem 'Spiegel der Natur) Daran hätte die Metaphorik der Griechen genauso mitgewirkt, wie die Unterscheidung Descartes zwischen res extensa und res cogitans.
Geist, Bewusstsein und Verstand, als 'Metaphorik', d.h. als Bezeichnung für etwas, das wir nicht kennen, aufzufassen, führt zu einer im Grundsatz von der Tradition abweichenden philosophischen Auffassung. Ist nämlich Mentales letztlich nichts anderes als möglicherweise ein physikalische Eigenschaft, dann hat Mentales seine verlässliche Funktion – wie sie Kant und heute moderne Vertreter der 'Philosophie des Geistes' annehmen - als Begründung für unsere Schlussfolgerungen verloren. „Philosophen .. wie ich ... müssen das traditionelle philosophische Projekt aufgeben, nämlich die Suche nach etwas Stabilem, das als Beurteilungskriterium für die vergänglichen Erzeugnisse unserer vergänglichen Bedürfnisse und Interessen dienen könnte...“ (Richard Rorty: Relativismus – Entdecken und Erfinden. In: Antje Gimmler/Mike Sandbothe/Walther Ch. Zimmerli (Hrsg.), Die Wiederentdeckung der Zeit, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt. http://www.information-philosophie.de/?a=1&t=563&n=2&y=1&c=1#)
Diese endgültige Absage an jedwede kantianische Transzendentalphilosophie, jede Art von Ontologie des Geistes ist zugleich eine Absage an jedes Wissenschaftsverständnis das davon ausgeht, es gäbe Kriterien, die eine verlässliche und dauerhafte Bewertungen von Forschungsergebnissen möglich machen bzw. quasi von oben herab, Forschungsergebnisse entsprechend dieser Kriterien in eine ganz bestimmte Ordnung zu bringen seien.
D.h., es gibt keine Letztbegründungen und auch keine (sinnvolle) Theorie ohne Praxisbezug. „Wir können die Wahrheit nicht als Ziel einer Untersuchung betrachten. Zweck einer Untersuchung ist vielmehr, eine Übereinkunft zwischen Menschen ... darüber zu erzielen, ...“ (Rorty: Relativismus, ebd.)
Dieses Übereinkommen wird aber nicht mehr wie zu Kants Zeiten von irgendwelchen ewigen Aprioris gesteuert, sondern einzig und allein durch sachbezogene Verständigung über die jeweiligen Forschungsergebnisse. Sie ist von der Autonomie der Beteiligten, ihren Kenntnissen und ihrer Fähigkeit gemeinsam Bedeutungsvolles finden zu wollen, abhängig.
Das was uns voranbringt ist eine Kultur „... in welcher im Vergleich untereinander weder Priester noch Physiker noch Poeten noch die Partei als 'rationaler', als 'wissenschaftlicher' oder als 'tiefer' denkend gelten. Kein Teilbereich dieser Kultur kann für sich alleine beanspruchen, exemplarische Bedingungen (bzw. solche die nicht exemplarisch sind) zu kennen, nach denen sich der Rest zu richten habe. Es würde keinen Sinn machen, davon auszugehen, dass jenseits aller momentan akzeptierten interdisziplinären Kriterien, denen einerseits gute Priester und auch gute Physiker folgen, diese sich noch an darüber hinaus gehende gebunden fühlen, d.h. also weder interdisziplinäre, noch intrakulturelle, noch historisch akzeptierte Kriterien außerdem gelten ließen.“ (Rorty, Consequences of Pragmatism. Minnesota Press 1982)
Gemeinschaftlich geteilte Überzeugungen statt Wissen.
„Hat man verstanden, daß das Erkennen nicht ein Wesen hat, das von den Wissenschaftlern oder den Philosophen beschrieben werden könnte, sondern daß es die Berechtigung ist, kraft momen*tan gültiger Maßstäbe etwas zu glauben, so ist man ein gutes Stück in die Richtung der Auffassung weitergekommen, für die das Gespräch der unhintergehbare Kontext ist, ...“ (Spiegel der Natur, 421f)
manni