Jocelyne Lopez
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- Registriert
- 21. Juli 2005
- Beiträge
- 156
Hallo zusammen!
Ich habe mal in einem großen deutschen Philosophieforum (PhilTalk) eine kurze autobiographische Erzählung in einem Thread „Philosophie des Essens“ gestellt, aber sie war irgendwie ein bisschen “deplaziert“, da es dort auf mehrere Seiten ausschließlich um Austausch von Küchenrezepten ging… Es gibt schon seltsame philosophischen Foren…
Also ich stelle lieber diese Erzählung hier in diesem Forum, ist ja vielleicht besser geeignet.
Meine „Philosophie des Essens“ wurde mir als Kind von katholischen Nonnen irgendwie beigebracht, da ich ca. ab mein 4. Lebensjahr in von Nonnen geführten Internaten groß geworden bin. Was mir in dieser Hinsicht sehr stark in Erinnerung geblieben ist sind nicht die Speisen, die wir dort bekommen haben, sondern ... die Gebete. Vor und nach jeder Mahlzeit haben wir kurz kleine Gebete gemeinsam gesungen, immer die 2-3 selben, und da wir eben öfter eine Mahlzeit zu uns nahmen, weiß ich diese Gebete bis heute noch auswendig, einschließlich die Melodie…
Eins davon ging so (es war noch die Zeit, wo wir Gott gesiezt haben…):
Bénissez-nous, Seigneur
Bénissez ce repas
Ceux qui l’ont préparé
Et procurez du pain
A ceux qui n’en ont pas
Ainsi soit-il
(gefolgt vom Krach von ein paar duzenden geschobenen Stühlen… )
Also:
Segnen Sie uns, Herr
Segnen Sie diese Mahlzeit
Und diejenige, die sie zubereitet haben
Und geben Sie auch Brot
Denjenigen, die keins haben
Amen
Vor allem der Vers „Segnen Sie diejenige, die sie zubereitet haben“ hat mich damals immer sehr stark beeindruckt, ich musste immer dabei an diejenige denken, die eben unsere Mahlzeiten zubereitet haben: Das waren „les soeurs de la cuisine“, die Küchennonnen. Wir kannten sie kaum, nur vom Namen, wir hatten mit den nichts zu tun, wir sahen sie nur sonntags in der Kapelle und eben jeden Tag vor den Mahlzeiten, als wir vor die Großküche zum Esssaal gingen. Es war irgendwie beeindruckend sie bei Hitze, Lärm und Dampf zu sehen, immer beschäftigt, immer in Bewegung, mit ihren schweren dunkelblauen Roben, ihren sperrigen weißen Nonnenhauben, wo sie ganz bestimmt schrecklich unter der Hitze leiden mussten, vor allem im Sommer, wenn schon draußen so unerträglich heiß war, sie waren immer rot im Gesicht. Um bequemer zu arbeiten haben sie ihre langen hölzernen Rosenkränze mit dem schweren Metallkruzifix an der Taille befestigt, ihre weiten Hauben und ihre breiten Ärmel mit Wäscheklammern zurückgebunden, sie waren immer rot im Gesicht, wir kannten sie kaum, wir sprachen sie nie an. Irgendwie taten sie mir leid, ich wäre nicht gerne an ihre Stelle gewesen.
Seitdem haben sehr viele Menschen meine Mahlzeiten weiter zubereitet, Tausende von unbekannten Menschen. Ich kenne ihre Namen nicht, ich singe auch nicht mehr vor und nach den Mahlzeiten. Aber es ist mir bis heute noch unmöglich in einem Restaurant mich über eine Speise zu beschweren, auch wenn sie mir nicht besonders geschmeckt hat.
Das war meine anerzogene Philosophie des Essens.
Liebe Grüße
Jocelyne Lopez
Ich habe mal in einem großen deutschen Philosophieforum (PhilTalk) eine kurze autobiographische Erzählung in einem Thread „Philosophie des Essens“ gestellt, aber sie war irgendwie ein bisschen “deplaziert“, da es dort auf mehrere Seiten ausschließlich um Austausch von Küchenrezepten ging… Es gibt schon seltsame philosophischen Foren…
Also ich stelle lieber diese Erzählung hier in diesem Forum, ist ja vielleicht besser geeignet.
Meine „Philosophie des Essens“ wurde mir als Kind von katholischen Nonnen irgendwie beigebracht, da ich ca. ab mein 4. Lebensjahr in von Nonnen geführten Internaten groß geworden bin. Was mir in dieser Hinsicht sehr stark in Erinnerung geblieben ist sind nicht die Speisen, die wir dort bekommen haben, sondern ... die Gebete. Vor und nach jeder Mahlzeit haben wir kurz kleine Gebete gemeinsam gesungen, immer die 2-3 selben, und da wir eben öfter eine Mahlzeit zu uns nahmen, weiß ich diese Gebete bis heute noch auswendig, einschließlich die Melodie…
Eins davon ging so (es war noch die Zeit, wo wir Gott gesiezt haben…):
Bénissez-nous, Seigneur
Bénissez ce repas
Ceux qui l’ont préparé
Et procurez du pain
A ceux qui n’en ont pas
Ainsi soit-il
(gefolgt vom Krach von ein paar duzenden geschobenen Stühlen… )
Also:
Segnen Sie uns, Herr
Segnen Sie diese Mahlzeit
Und diejenige, die sie zubereitet haben
Und geben Sie auch Brot
Denjenigen, die keins haben
Amen
Vor allem der Vers „Segnen Sie diejenige, die sie zubereitet haben“ hat mich damals immer sehr stark beeindruckt, ich musste immer dabei an diejenige denken, die eben unsere Mahlzeiten zubereitet haben: Das waren „les soeurs de la cuisine“, die Küchennonnen. Wir kannten sie kaum, nur vom Namen, wir hatten mit den nichts zu tun, wir sahen sie nur sonntags in der Kapelle und eben jeden Tag vor den Mahlzeiten, als wir vor die Großküche zum Esssaal gingen. Es war irgendwie beeindruckend sie bei Hitze, Lärm und Dampf zu sehen, immer beschäftigt, immer in Bewegung, mit ihren schweren dunkelblauen Roben, ihren sperrigen weißen Nonnenhauben, wo sie ganz bestimmt schrecklich unter der Hitze leiden mussten, vor allem im Sommer, wenn schon draußen so unerträglich heiß war, sie waren immer rot im Gesicht. Um bequemer zu arbeiten haben sie ihre langen hölzernen Rosenkränze mit dem schweren Metallkruzifix an der Taille befestigt, ihre weiten Hauben und ihre breiten Ärmel mit Wäscheklammern zurückgebunden, sie waren immer rot im Gesicht, wir kannten sie kaum, wir sprachen sie nie an. Irgendwie taten sie mir leid, ich wäre nicht gerne an ihre Stelle gewesen.
Seitdem haben sehr viele Menschen meine Mahlzeiten weiter zubereitet, Tausende von unbekannten Menschen. Ich kenne ihre Namen nicht, ich singe auch nicht mehr vor und nach den Mahlzeiten. Aber es ist mir bis heute noch unmöglich in einem Restaurant mich über eine Speise zu beschweren, auch wenn sie mir nicht besonders geschmeckt hat.
Das war meine anerzogene Philosophie des Essens.
Liebe Grüße
Jocelyne Lopez