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Phantasien

Ein Gedicht analytisch zu betrachten ist meiner Meinung nach eine gewagte Sache.
Ein Gedicht ist etwas Verdichtetes, viele Eindrücke zusammengenommen und zu einer Richtung verdeutlicht.
Er fährt im Kreis! Das kann Mehreres bedeuten - kein Ankommen oder Verharren oder die Ganzheit erreichen oder
auf eine neue Dimension warten....
 
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@KarlSchmidt

Der Konstruktivismus kommt sicher vor, ist aber nicht zu stark, mit seinen radikalen Formen, wie bei Luhmann oder Watzlawick, von Glasersfeld usw. kann ich nichts anfangen, da sie mir zu weit gehen, die dort betonte Differenz zwischen Wirklichkeit und Realität erschließt sich mir auch nicht.
Ich gehe davon aus, dass ein Ich zwar entsteht und nicht immer schon vorhanden ist, dass aber Selbstbild und Weltbild nach einigen Schritten auf den Stufen der Entwicklung relativ stabil sind und die Tendenz haben, sich selbst zu bestätigen. Diese erleben wir dann als Wirklichkeit.
Von ihr abweichende Daten werden ignoriert, negiert, bagatellisiert, erst wenn sie beharrlich auftreten ist man irritiert, das Weltbild bekommt Risse und man fühlt sich selbst in der Regel zerrissen. So unegfähr ist meine Vorstellung.
 
Ein Gedicht analytisch zu betrachten ist meiner Meinung nach eine gewagte Sache.
Ein Gedicht ist etwas Verdichtetes, viele Eindrücke zusammengenommen und zu einer Richtung verdeutlicht.
Er fährt im Kreis! Das kann Mehreres bedeuten - kein Ankommen oder Verharren oder die Ganzheit erreichen oder
auf eine neue Dimension warten....
Man kann so etwas nicht in die menschliche Sprache übersetzen. Ich erinnere mich an eine Ausstellung im Frankfurter Städel von vor bestimmt zwei Jahrzehnten, glaube, das Thema war Impressionismus mit zahlreichen Bildern unterschiedlicher Künstler, oft auch eher unbekannten. Wenigstens kannte ich viele Namen nicht. An der Tür des letzten Ausstellungsraums im Untergeschoss stand ich mit einem Paar, das so um die 60 sein musste. Wir öffneten die Tür und wie durch einen geheimen Reflex gesteuert gingen wir drei auf das gleiche Bild am anderen Ende des Raumes zu, das von der Tür aus nur unklar erkennbar war. Es war der einzige van Gogh in der Ausstellung, ein Landschaftsbild. Bei Deinen Bildern kann man die Seele dahinter auch sehr gut erspüren. Handwerkliche Güte ist natürlich nur im Original zu erkennen.
 
Ein Gedicht analytisch zu betrachten ist meiner Meinung nach eine gewagte Sache.
Das mag so sein, wenn man Lyrik über deren Wortwahl und Metaphern hin nur konsumieren möchte. Wenn Lyrik dagegen berühren soll, braucht es meiner Meinung nach schon einen analytischen Zugang dorthin. Generell sind es Gedichte damit allemal wert, dass man Ihnen mehr als nur einen Blick darauf widmet. Denn wir könnten uns selbst in ihnen wiedererkennen, unsere Ängste, unsere Freuden, unsere Sehnsüchte und unsere Empörung; je nach der empfundenen Berührungsdichte daraus.
 
@CarlMoor

Betreffs der Empfindung der Wirklichkeit halte ich es dagegen eher mit den Soziologen Cooley und Mead, deren entsprechende Postulate mit zu einer Wende im Begreifen der Wirklichkeit beigetragen haben. Demnach konstruiert sich das „Selbst“ bzw. die Identität eines Menschen aus kontinuierlichen sozialen Interaktionen heraus; beispielsweise indem man die Reaktionen anderer Menschen auf die eigene Person hin reflektiert und bewertet. Somit entsteht ein „Selbst“ als Produkt der Gesellschaft und seiner Mitglieder. Wahrnehmung, Erkennen und Reflektionen sind demnach die Zutaten für ein Wirklichkeitsempfinden.
 
@KarlSchmidt

Das ist glaube ich durchaus richtig, kommt aber später.
Das Ich ist ja nicht starr und immer gleich, sondern entwickelt sich in konzentrischen Kreisen, deren Eigenschaft eine jeweilis anwachsende Fähigkeit zur Verarbeitung komplexer Daten ist. Am Anfang stehen neben einigen angeborenen Fähigkeiten zum Dialog durch Affekte, die fundamentalen Objektbeziehungen, primär zur Mutter, dann zum Vater und weiteren engen Bezugspersonen. Im wesentlichen richte ich mich da nach der psychoanalytischen Objektobeziehungstheorie von Melanie Klein, Winnicott und Kernberg. Dieser Kreis wird nach uns nach erweitert, wenn die Entwicklung halbwegs störungsfrei verläuft und dann kommt glaube ich das ins Spiel, was Cooley und Mead sagen.
Die Fähigkeit zur Reflexion tritt ja vergleichsweise spät auf, aber wenn man bis zu ihr gelangt, ist das natürlich noch mal ein entscheidender Sprung.
 
@CarlMoor

Sorry, war betreffs der Wirklichkeitsempfindungen hier bisher immer von erwachsenen Menschen ausgegangen. Melanie Klein (lange ist es meinerseits her) hat meines Wissens für Heranwachsende die Freud’schen unbewussten Triebwünsche (als primären Inhalt des Unbewussten) durch unbewusste Fantasien ersetzt. Sie statuierte (meines Wissens) die Fantasie als eine grundlegende psychische Aktivität, die jedem psychischen Prozess zugrunde liegt und somit auch Grundlage aller seelischen Vorgänge ist. Das ist natürlich ein psychoanalytischer Ansatz, wohingegen die von mir angeführten Cooley und Meat einen eher soziologischen Ansatz vertreten haben; und freilich nur für adulte Personen. Für Klein ist die Fantasie damit wesentlich für das psychische Wachstum und vom Ursprung her angeboren; wenngleich auch nur in rudimentärer Form. Ausdruck findet die Fantasie sodann im Kinderspiel und später dann auch im Denken und Verhalten von Erwachsenen; und damit letztendlich auch in deren Wirklichkeitsempfinden.
Der Mensch baut sich also von Beginn seines Lebens an eine eigene, unverwechselbare innere Welt auf. Diese besteht aus bewussten und unbewussten Anteilen, und beeinflusst dessen Verhalten. Eine solche innere Realität mit unbewussten Fantasien von inneren Objekten besitzt demnach jeder Mensch ab seiner Geburt. Hinshelwood beispielsweise erklärt dieses Gefühl von Objekten, die in unserem Innern wohnen, damit, dass körperliche Empfindungen psychisches Erleben nach sich zieht, das als Beziehung zu einem Objekt gedeutet werden kann.
 
Das mag so sein, wenn man Lyrik über deren Wortwahl und Metaphern hin nur konsumieren möchte. Wenn Lyrik dagegen berühren soll, braucht es meiner Meinung nach schon einen analytischen Zugang dorthin. Generell sind es Gedichte damit allemal wert, dass man Ihnen mehr als nur einen Blick darauf widmet. Denn wir könnten uns selbst in ihnen wiedererkennen, unsere Ängste, unsere Freuden, unsere Sehnsüchte und unsere Empörung; je nach der empfundenen Berührungsdichte daraus.
Es gibt keine geheime Formel, die ausrechnet, was gute und noch nicht so gute Kunst ist.
 
Sorry, war betreffs der Wirklichkeitsempfindungen hier bisher immer von erwachsenen Menschen ausgegangen. Melanie Klein (lange ist es meinerseits her) hat meines Wissens für Heranwachsende die Freud’schen unbewussten Triebwünsche (als primären Inhalt des Unbewussten) durch unbewusste Fantasien ersetzt. Sie statuierte (meines Wissens) die Fantasie als eine grundlegende psychische Aktivität, die jedem psychischen Prozess zugrunde liegt und somit auch Grundlage aller seelischen Vorgänge ist.
Sie hat vor allem aus Freuds Ich-Psychologie (das Ich war einfach da), eine Psychologie der Ich-Entstehung aus der Internalisierung von Beziehungen gemacht. Noch anderes, aber das ist der wesentliche Punkt, d.h. das Ich ensteht und die Güte und Funktionalität/Organisation des Ich ist wesentlich abhängig von der Qualität der erlebten (Objekt)Beziehungen.
Diese verinnerlichten Objektbeziehungen werden in der Folge auf weitere Menschen projiziert, vielleicht ist das hier mit Phantasie gemeint. Aber hier kann man sehen, wie ungeheuer wichtig diese Verinnerlichungen sind und darum reitet die Psychoanalyse auch völlig zurecht auf der frühen Kindheit herum. So als Ulrakurzfassung.
Ausdruck findet die Fantasie sodann im Kinderspiel und später dann auch im Denken und Verhalten von Erwachsenen; und damit letztendlich auch in deren Wirklichkeitsempfinden.
Wenn die frühen Objektbeziehungen gestört sind, was nicht sehr selten ist, dann übernehmen diese Muster der Identitätsdiffusion, wie es technisch heißt, das Regiment und durchziehen sämtliche wichtige Bereiche des Lebens, in dem es dann mehr oder weniger egal ist, wie andere Personen, Institution usw. wirklich sind, sie werden stark verzerrt gesehen und man kann sagen, wenn man es auf unsere Begrifflichkeiten zuspitzen will, dass die Realität überhaupt keine Chance gegen die (von projektiven Identifikationen durchsetzte) Phantasie hat.
Das wächst sich dann auch nicht mit 15 oder 50 aus.
Der Mensch baut sich also von Beginn seines Lebens an eine eigene, unverwechselbare innere Welt auf. Diese besteht aus bewussten und unbewussten Anteilen, und beeinflusst dessen Verhalten. Eine solche innere Realität mit unbewussten Fantasien von inneren Objekten besitzt demnach jeder Mensch ab seiner Geburt.
Exakt.
Hinshelwood beispielsweise erklärt dieses Gefühl von Objekten, die in unserem Innern wohnen, damit, dass körperliche Empfindungen psychisches Erleben nach sich zieht, das als Beziehung zu einem Objekt gedeutet werden kann.
Das kann ich jetzt nicht einschätzen, es hört sich aber plausibel an.
 
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Es gibt keine geheime Formel, die ausrechnet, was gute und noch nicht so gute Kunst ist.
Meinem ganz eigenen Urmaß an Phantasie verpflichtet (vgl. Melanie Klein), erinnert mich Dein Einwand ein wenig daran, wie ein Schüler gerade gegen die Benotung seines Aufsatzes opponiert. Woraufhin ihm dessen Lehrer, zum wiederholten Male und unter Aspekten der Ästhetik, gewisse Grundstandards dafür versucht näherzubringen. Denn René Descartes genialer Satz „Ich denke, also bin ich“ wird seit Gutenberg, oder allerspätestens seit es die sozialen Medien gibt, nirgends woanders so unverhohlen ausgelebt, wie in der Verschriftlichung von Gedanken. Das verlangt schon nach gewissen Rahmenstandards, wobei sich die Ästhetik dazu allemal anbietet.

Die Bezugnahme Deines Einwandes auf einen vorangegangenen Beitrag meinerseits hin, übersteigt allerdings, in Ermanglung kompatibler Anknüpfungspunkte, mein besagtes Urmaß an Phantasie und irrleitet mich deshalb zur Prosa eines gewissen Herrn Andrij Melnyk: „Was für ein Bier muss man getrunken haben?“
 
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