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Mein Vater

Wenn jemand mit einem Minimum an Intelligenz meine zum Teil sehr persönlichen, ja beinahe intimen Beiträge im offenen Raum liest, der muss sich klar sein, dass ich damit vor allem auch die hässliche Fratze des Teufels in vielen Usern zum Vorschein bringe. Warum sollte ich so geil darauf sein? Würde ich Geschichten erfinden, dann würde sie keiner lesen. Meine Erfahrung ist die, dass die meisten Menschen keinen Lebenslauf haben oder mit diversen Versäumnisängsten in ihrem Inneren konfrontiert werden, wenn sie meine Texte lesen. Das ist nicht schlimm, weil jeder und jede Ängste hat. Ich hatte ein interessantes Leben, das ich in meinem nunmehr letzten Lebensabschnitt Revue passieren lasse und andere daran beteilige, freiwillig, denn niemand muss meine Texte lesen.
 
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Jede verschriftliche Verlautbarung hier lässt sich ebenso mit kommunikationspsychologischen Mitteln analysieren. Und nichts Anderes habe ich vollzogen. Sich hier als Autor einer überzogen traurigen und zudem selbstkritikfreien Geschichte zu versuchen, schließt es eben mit ein, dass die Kritik daran von dritter Seite sich mitunter abseits der Erwartungen ausnimmt. Denn soziale Netzwerke, wie das Denkforum, sind interaktive Plattformen und dienen in vielschichtigerweise Kommunikationszwecken. Diese Art der Kommunikation im medialen Raum wird One-To-Many-Kommunikation genannt.
 
Als Mutter starb, hatte Vater keine zwei Monate danach eine Pflegegradeinstufung. Damals hieß es noch Pflegestufe und es gab bis zu 3 + Sonderzuschlag. Nach der Haloperidol Vergiftung durch die Uniklinik war Mutters Tod der erste ganz schlimme Demenzschub. Er lebte noch ein Jahr in seinem Haus und wurde während meiner Arbeitswoche vom Pflegedienst betreut und versorgt, der nur einen Katzensprung entfernt war. Eines Tages rief mich die Polizei an und bat mich, zu ihrer Dienststelle zu kommen. Die Streife sei diese Woche um zwei Uhr nachts von Vaters Nachbarn gerufen worden. Er hatte um halb zwei bei ihnen geklingelt und gesagt, bei ihm auf dem Wohnzimmersofa sitzen polnische Bauarbeiter mit weißen Mützen. Die Nachbarn sollen ihn beim Verjagen dieser Männer helfen. Seine Kollegen haben das zuständige Amt informiert, weil mein Vater verwirrt wirke. Ich soll mir überlegen, ob es dauerhaft eine gute Lösung sei, Vater alleine zu Hause zu lassen. Man gab mir die Nummer des zuständigen Sachbearbeiters der Betreuungsstelle und gab meine Nummer weiter. Er rief mich an, er wolle meinen Vater besuchen und mit mir einen gemeinsamen Termin abstimmen. Er wolle Vater befragen und auch einen Eindruck über seinen Zustand bekommen, ggf eine befristete, gesetzliche Betreuung vorschlagen. Ich sagte, dass er Vater gerne alleine befragen darf. Ich will dessen Aussagen nicht beeinflussen. Ich wurde schließlich als gesetzlicher Betreuer bestellt. Ich bin jetzt im 25. Jahr mit Betreuungsaufgaben für den inzwischen dritten Angehörigen beschäftigt. Die unterschiedlichen Ämter von vier Landkreisen waren immer sehr kompetent und hilfsbereit. Ich kann mich an keine schlechte Erfahrung erinnern. Bei der Krankenkasse hatte ich einmal schlechte Erfahrungen in einem der Landkreise. Schlecht, sowohl fachlich, als auch menschlich, waren die allermeisten Ärzte. Ihnen würde ich maximal die Note 5- geben. Ihr Handeln verschlimmerte meistens den gesundheitlichen Zustand. Wenn Ingenieure so arbeiten würden wie unsere Ärzte, dann würde jedes zweite Flugzeug abstürzen. Patientenbeauftragter und Gesundheitsminister sind eine einzige Katastrophe. Es gab Zeiten, da wünschte ich dem Holetschek die Todesstrafe. Zum endgültigen Pflegefall wurde Vater, nachdem auch sein Hausarzt ihm zweimal Haldol spritzte. Als ich den Arzt darauf hinwies, dass ich ihm einen Befund gegeben hatte, der eine Kontraindikation einer Neurologin zu Haldol enthielt, sagte er zu mir: "Ich lese keine Befunde."
 
Als uns beiden klar wurde, dass Mutter ihre Krebserkrankung nicht mehr lange überleben würde, öffnete Vater zunehmend sein Herz mir gegenüber, erzählte mir aus seiner Kindheit. Vielleicht war es auch ein wenig Verzweiflung bei ihm. An deren Goldener Hochzeit brachte ich ihm einen Strauß Gerbera, Mutters Lieblingsblumen, in die Klinik Hohe Mark. Ein Jahr vorher hatte Mutter noch gelebt. Eines Abends saßen wir zwei zusammen auf dem Balkon seines Hauses, als Vater mir erzählte, dass er als Kind sexuell missbraucht wurde. Er sagte mir auch, von wem. Der Mann lebte da noch in unserem Dorf. Ich kannte ihn. Er war der Sohn unseres Bürgermeisters während der NS Zeit. Der Täter war zur Tatzeit selbst erst frisch volljährig. Nicht lange, nachdem Vater mir das erzählte, starb dieser Mann. Vater ging zu dessen Beerdigung bzw. zum ersten Teil. Bei uns ist es üblich, dass die Trauergemeinde sich 30 Minuten vor der Zeremonie vor der Leichenhalle trifft. Dort liegt der Tote dann entweder offen im Sarg oder verschlossen. Daneben sitzen die engsten Angehörigen. Jeder, der mit dem Toten in einer besonderen Beziehung stand und sich bemüßigt fühlt, geht kurz zum Toten und verabschiedet sich persönlich.
 
@KarlSchmidt
Ein Text in einem virtuellem Raum ist
ein Text, der intelligente Menschen
maximal zu inhaltlicher Auseinandersetzung
anregt, falls sie sich angesprochen fühlen.
Nur Leser mit eher geringer Intelligenz
konzentrieren sich auf den Verfasser der Texte.
Auch Deine Psychogramme sind nichts anderes.
 
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