• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Medienkratie

Ziesemann

New Member
Registriert
3. November 2005
Beiträge
929
Mit diesem neuen Thread soll möglichst das im Forum Allg. Politik über den „Politischen Diskussionsstil“ geführte Gespräch thematisch erweitert fortgesetzt werden.
Medienkratie = Herrschaft der Medien, nicht zu verwechseln mit Mediokratie = Herrschaft der Mittelmäßigkeit, auch wenn beide deckungsgleich sein können. –
Die moderne Gesellschaft mutiert zur Mediengesellschaft und Politiker, gerade sie, beugen sich ihren Gesetzen. Noch vor etwa 20 Jahren wäre es solch knorrigen Gestalten wie Franz-Josef Strauß (CSU) oder Herbert Wehner (SPD) niemals eingefallen, sich nach den Vorstellungen der Print- und elektronischen Medien zu richten, aber heute drängen sie alle, wenn Kamera und Mikrophon oder Interviewer locken. Ist doch schlimmer als die schärfste Kritik totgeschwiegen zu werden – denn das ist der politische Tod.
Welches sind nun die Gesetze der Medienkratie? – Ich versuche, sie in Kurzthesen darzustellen - schon um diese Eröffnung knapp zu halten – dennoch hoffend, dass sie der Diskussion für würdig befunden werden. Ihrer bedürftig sind sie allemal.
1. Politische Kultur und Medienkultur vermischen sich. Typisch dafür ist etwa die ZDF-Serie Kanzleramt, bei der Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und politischen Vorgängen nicht zufällig sondern gewollt waren.
2. Da alle Medien stets auch dem entertainment dienen, wird die politische Information zum Infotainment. Charakteristisch ist dafür die Sendung der Sabine Christiansen, die eine weitaus höhere Einschaltquote erzielt als die spannendste Bundestagssitzung.
3. Menschen lassen sich medial leichter darstellen als Parteiprogramme, also führt die Mediatisierung zu Personalisierung. – Nicht die Partei mit ihren Zielen und Wegen sondern „auf den Kanzler kommt es an“.
4. Wenn die Person selbst in den Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung gerückt wird, muss sie auch als Privatmensch der Öffentlichkeit vorgeführt werden. So beteuert Karin, dass Edi Stoiber ein treusorgender Ehemann und liebevoller Großvater sei und Doris versichert (als Ehefrau Nr.4) , dass „der Gerd“ ein sehr toleranter Mensch sei, der gut zuhören könne.
5. Höhepunkt der Verprivatisierung des höchst Politischen sind die Fernsehduelle. (Allein das Wort schon: Duell, als ob es darauf ankäme, wer der stärkste ist und nicht wer das bessere Programm hat, den besten Weg zeigen kann.) Nicht der vorgestellte Inhalt ist wahlausschlaggebend, sondern wie der Kandidat „ankommt“. Da kann schon die Blusenfarbe der Kandidatin eine Rolle spielen wie seine Krawatte. – Die Liebeserklärung an die Ehefrau vor einem Millionenpublikum ist dann nur noch das Sahnehäuptchen auf der Showtorte.

Noch manches gibt es zu ergänzen; aber das mag im Laufe der Diskussion erfolgen - Ziesemann
 
Werbung:
Hallo Ziesemann,

ein sehr wichtiges und auch vielschichtiges Thema, die Rolle der Medien im heutigen politischen Geschehen.
Du erwähntest es schon, das Infotainment bzw. die damit verbundenen Einschaltsquoten und auch Auflagen bei den Printmedien und deren große Rolle.
Leider wird alles so sehr zum Geschäft - und wir nehmen es als selbstverständlich hin, merken gar nicht wie sehr wir hauptsächlich am Bildschirm eine verfälschte Realität dargeboten bekommen.
Es gibt aber auch kritische Stimmen diesbezüglich - nur werden sie denn überhaupt von der Mehrheit wahrgenommen?

So meint Daniel Cohn-Bendit, der Europaabgeordnete der Grünen:

"Zwei Wochen nach der Bundestagswahl veröffentlicht das Politbarometer die Stimmung . Da sind die bei neun und die bei sieben und dann kommt die Frage: 'Was würden Sie wählen, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre?' Zwei Wochen nachdem sie gerade gewählt haben. Das ist doch lächerlich. Was soll ich vier Jahre und 50 Wochen, oder drei Jahre und 50 Wochen vor der nächsten Wahl sagen? Was wäre, wenn nächsten Sonntag Wahlen wären. Was ist der Sinn der Sache? Niemand kann es messen, was da herauskommt. Das ist doch alles gaga. Richtig ist: Die Stimmung geht so und so. Das ist interessant, aber was damit gemacht wird, dieses 'Ich sage euch jetzt, was wäre, wenn' - das ist das Lächerliche und das ist eine Manipulation."(Wort von mir hervorgehoben).

Ich muss gestehen, dass ich die Absurdität dieses "Was wäre wenn" - Spielchens erst bemerkt habe, als ich die Worte von Cohn-Bendit las und es mir bewusst wurde, wie sehr wir durch solche alltäglichen und auch banalen Geschehnisse, manipulier werden.

Natürlich haben wir es den Medien zu verdanken, dass wir auf dem Laufenden durch sie gehalten werden. Was wir aber nichtmehr wahrnehmen, ist die enorme Macht die die Medien auf die Politik ausüben.
 
Ich stimme euch zu.

Vermutlich ist das Mittelmaß in der Bevölkerung aber noch lange nicht in dem Niveau der Medien abgebildet, sodass wir sicher einen noch personifizierteren Wahlkampf und die weitere Verlagerung von Politik auf politische Schau- und Selbstdarstellungsveranstaltungen, sowie Denunziationsfernsehen erleben werden. Der Verfall im Niveau des Fernsehens wird erst auf dem Niveau der menschlichen Reife der Bevölkerung eine Bodenbildung finden . Ich denke, dass es da noch viel Spielraum gibt.

Man verwendet, wenn man auf Stimmenjagd oder „Fernsehen ist Bildung-Tour“ ist, gern die Worte: „der Bürger ist mündig genug, selbst zu wählen, was er ansieht und glaubt“.

Genau, auch die Mündigkeit der Bürger bildet sich im unparteiischen Niveau der Medienlandschaft ab.

Viele Grüße
Bernd
 
Miriam schrieb:
Hallo Ziesemann,

ein sehr wichtiges und auch vielschichtiges Thema, die Rolle der Medien im heutigen politischen Geschehen.

Ich muss gestehen, dass ich die Absurdität dieses "Was wäre wenn" - Spielchens erst bemerkt habe, als ich die Worte von Cohn-Bendit las und es mir bewusst wurde, wie sehr wir durch solche alltäglichen und auch banalen Geschehnisse, manipulier werden.
.
Miriam, nett dass Du das Thema angenommen hast. -
Nun mag ich Cohn-Bendit nicht unbedingt als Kronzeugen benennen; er steht Dir als Deutsch-Franzose sicherlich näher als mir, aber man kann ihm nicht fundamental widersprechen, deshalb habe ich ihn hier auch nicht noch einmal zitiert.
Mir wurde die Absurdität der "Was-wäre-wenn-Frage" einmal in einer Antwort von Bundeskanzler Helmut Schmidt bewusst. Einer dieser manipulierenden Journalisten frug ihn, wir schrieben eines der Jahre auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges in offensichtlich provokativer Absicht: "Was würden Sie tun, wenn die sowjetische Armee hier eingefallen ist und ein Rotarmist vergewaltigt in ihrem Haus am Brahmsee in Ihrer Gegenwart Ihre Frau?" Schmidt lehnte es entrüstet ab, auf eine hypothetische Frage eine hypothetische Antwort zu geben.
Übrigens Kauder soll nach dem für die CDU enttäuschende Wahlausgang gesagt haben: Das nächste Mal fliege ich, statt das Geld für Demoskopen auszugeben, mit meiner Mannschaft nach Mallorca.
Beste Grüße - Ziesemann
 
dieses medienzeitalter kotzt mich langsam an...
natürlich hat jede medaille 2 seiten, aber meiner meinung nach werden wir viel zu viel mit infos zugestopft und manipuliert...da gibts nur 2 möglichkeiten:
entweder abschalten und sich abschotten oder dran verrecken...

sorry, aber das musste jetzt mal sein...da sieht doch kein schwein mehr durch...

grüze fromm wütenden
-ö- :wut1:
 
Liebes Öntschie,

wir leben halt in einer Gesellschaft die von den Medien dominiert ist, so wie die Medien auch in der Politik eine sehr große Rolle spielen. Dies können wir genau so wenig ändern, wie wir vergleichbar aus der Globalisierung nicht aussteigen können. Es gilt nur immerwieder sich der Machtverhältnisse auch in einer Demokratie bewußt zu sein - beeinflußen können wir diese m.E. nur wenig.

Man darf andererseits nicht vergessen, dass Demokratie überhaupt erst möglich ist durch die Information die über die Medien vermittelt wird. Denn zur Demokratie gehört auch ein gewisser Informationsstand einer breiten Masse. Natürlich wäre es da wünschenswert, dass die Einschaltsquoten oder die Auflagen der ernst zu nehmenden Sender und Printmedien im Vordergrund stünden.

Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie, den ich gerne zitiere, zeigt auf was eigentlich das Bedenkliche in diesem ganzen Mächteverhältnis Politik / Medien ist, und nennt dabei das...

"...sich in den Vordergrund Schieben von Moderation, von Vermittlung [...] die schwer zu ertragen sind. Und ich kann Talking Heads immer schwerer ertragen, wenn sie sozusagen nur zur Autoritätsbildung einer These genommen werden, die sowieso gerade in einer Sendung gefragt ist, also diese Sound-Bites eines Politikers über 30 Sekunden, der mal schnell die Gesundheitsreform erklären soll."

Leggewie denkt nicht, dass diese Verhältnisse zum politischen Engagement beitragen, genau so wenig wie er glaubt...

"...dass es die Komplexität der Entscheidungen, vor denen wir stehen, in irgendeiner Form abbildet, sondern, dass es sie auf eine hemmungslose Art und Weise reduziert."
 
Es gibt gute und zugleich fachlich versierte Journalisten.
aber sie sind die ausnahme, die meisten sind in ihrer naturwissenschaftlichen Bildung weit unter Mittelmaß.
und das ist eine gefahr.
Wenn nämlich die Weltsicht dieser Journalisten und Filmemacher der breiten Masse aufgedrückt wird.

Beispiele:
1.
Fazit vieler Sendungen und Spielfilme:
was brauchst du Mathematik oder Physik?
Das ist was für Sonderlinge. Esoterik ist viel wichtiger.

2.
in talkshows werden
Astronomie und Astrologie
oder „Schul“-Medizin und „alternative“ Medizin
oder, oder....
als gleichberechtigt zur diskussion gestellt.
oft ist der Scharlatan redegewandter oder charismatischer...

3.
im deutschen Fernsehen sind alle einschlägigen sendungen gegen die Kernenergie gerichtet,
an Stelle sachlicher Argumente treten Panikmache und Falschinformationen,
Ergebnis: (fast) die ganze Welt baut neue Kernkraftwerke, D steigt aus
die wirtschaftlichen folgen werden erst in den nächsten generationen zu Buche schlagen, aber sehr nachhaltig.
 
öntschie,
Dein emotionaler Ausbruch ist verständlich - auich wenn ich schmunzelnd hinzufügen möchte - dass niemand verlangt, dass "Schweine" durchblicken können. - Sachlich aber hilft Dein Auskotzen kaum weiter.

Ich möchte anknüpfen an
Miriam.
Nicht grundlos hat das BVerfG die aktive Meinungsfreiheit als einen der wichtigsten Elemente einer freiheitlichen Demokratie bezeichnet. Solange man Misstände, Korruption, Falschentscheidung noch benennen darf, besteht immhin die Hoffnung auf Korrektur. Bezeichnend ist, das ist historisch nachweisbar, dass bei der Etablierung diktatorischer Formen die Medienfreiheit zuerst stirbt.

Im Übrigen soll es bei diesem Thread ja um die "Herrschaft der Medien" gehen -inwiefern und inwieweit beeinflussen die die Meinung, so dass sich Politiker ihrer nur zu gern bedienen.

Grüße an beide - Ziesemann
 
Claus schrieb:
Es gibt gute und zugleich fachlich versierte Journalisten.
aber sie sind die ausnahme, die meisten sind in ihrer naturwissenschaftlichen Bildung weit unter Mittelmaß.
und das ist eine gefahr.
Wenn nämlich die Weltsicht dieser Journalisten und Filmemacher der breiten Masse aufgedrückt wird.
Lieber Claus,
ob nur speziell in den Naturwissenschaften die meisten Journalisten "weit unter Mittelmaß" liegen, weiß ich nicht, Du wirst Dich da besser auskennen.
Ich meine, speziell in Deutschland herrscht nicht ein Beobachtungs- und Berichtjournalismus vor, sondern der Meinungs- und Beeinflussungsjournalismus. Die Medienmacher verstehen sich oft als selbst ernannte Präzeptoren, die das Volk in ihrem Sinne sozusagen erziehen wollen und nicht nur unterrichten. Bezeichnend ist auch, dass über 70% von ihnen sich als "links stehend" einschätzen - d.h. also stärker auf Veränderung in Richtung Sozialismus statt konservativer Erhaltung des Bestehenden ausgerichtet sind. Nach manchen TV-Kommentaren denke ich oft, wie hilfreich für die Einordnung des Gesagten - gerade für den politischen Laien - könnte es sein, wenn eingeblendet würde: "Mitglied der SPD" oder "Der CDU nahestehend".

Besten Gruß - Ziesemann
 
Werbung:
Zitat von Ziesemann:
wie hilfreich für die Einordnung des Gesagten - gerade für den politischen Laien - könnte es sein, wenn eingeblendet würde: "Mitglied der SPD" oder "Der CDU nahestehend".

hähä, das werden die nicht machen, sonst würden ja alle Leute gleich lesen können:
„schräg und grün“ (bei den meisten),

meint Claus
 
Zurück
Oben