Hm, hm, wem antworte ich jetzt?
Warum sollte dieser Satz eine self-fulfilling prophecy sein?
Weil die Theorie erst die Möglichkeit einführt, durch Nicht-Kommunizieren zu kommunizieren. Vorher war man vielleicht der Meinung: Wenn man nicht redet, redet man eben nicht. Und vielleicht hatte man Recht? Watzlawick hat ja nicht nur eine Tatsache analysiert; sondern eben auch den Teilnehmern an Kommunkation neue Mittel zur Verfügung gestellt: Achtet auf das Nicht-Gesagte! Benutzt Körpersprache! Achtet auf Subtexte!
Sicher stützte er sich auf Beobachtungen; aber durch ein benennen in Theorie bekommt das Kind erst einen Namen. Und indem es in den Diskurs eingeführt wird, verstärkt sich seine Bedeutung immens. Und auch die Möglichkeit des Missbrauchs und der Missdeutung nehmen zu.
@baerliner
Um auf deine AUsgangsfrage zurückzukommen: Natürlich ist mein oft gegebener Ratschlag, im Zweifelsfall nicht zu kommunizieren, eine
Strategie. Die Kommunikation zu unterbrechen, kann nicht verhindern, dass trotzdem interpretiert wird und es stellt auch eine AUssage dar, es zu tun. Ich bahaupte nur, oder schlage vor, in manchen Situationen den Abbruch der Kommunikation vorzuziehen gegenüber einer ständigen fruchtlosen Spirale der Rechtfertigungen.
Zum Unterschied von normaler Argumentation und Rechtfertigung ist mir folgender Vergleich in den Sinn gekommen:
Normale Argumentation: Warum sagst du
das?
Rechtfertigungskommunikation: Warum sagst
du das?
Sind die Disputanten nicht in der Lage, persönliche Attribute aus der Diskussion rauszuhalten, wird es schwierig.
Zur allgemeinen Theorie nochmals:
Lilith kann ein Lied davon singen, dass ich etwas gegen Formulierungen habe wie: Alles ist...
Alles ist Kommunikation, Alles ist eitel, alles basiert auf Liebe, Das Göttliche ist allgegenwärtig - all das ist schwer zu widerlegen. Aber warum verzichtet man auf Differenzierungsmöglichkeiten?
Man kann einfach sagen: Kommunikation ist, wenn zwei Menschen anwesend sind. Punkt. Aber was hat man von diesen Vereinfachungen? Warum soll man nicht auf Modelle zurückgreifen, die theorie- und erkenntnisergiebiger sind?
Den Menschen unterscheidet vom Tier auch, dass er Kommunikation von bloßem Verhalten unterscheiden kann. Also sollte man diese Unterscheidung auch betrachten und für wert erachten. Das habe ich unter "Was ist Kunst ab Beitrag" 130 herauszuarbeiten versucht. Watzlawick legt seinen Schwerpunkt auf Verhaltensforschung. Er beobachtet menschliches Verhalten. Das ist im Bereich der Psychologie legitim. Aber sein Kommunikationsbegriff ist für weitere Betrachtungen zu unscharf.
Es gibt auch einen Unterschied zwischen nonverbaler Kommunikation und bloßem Verhalten.
In dem schönen Film "Before sunrise" gibt es eine Szene, in der das Liebespaar in einer engen Kabine steht und eine volle Minute lang versucht, den Blick des anderen einzufangen. Immer wechselseitig scheitert der Versuch. Für uns Beobachter ist dieses Verhalten sehr aussagekräftig. Die Beiden aber sind sehr verunsichert; denn in dieser Zeitspanne suchen sie nach Anhaltspunkten, das Verhalten des Anderen als Kommunikation zu deuten - und scheitern dabei, zumindest für den Moment. Hätten sie sich in die Augen geschaut und gelächelt oder gezwinkert - dann wäre aus Verhalten Kommunikation geworden.
In Foren ist nonverbale (oder non-textuale) Kommunikation nicht möglich. Selbst im watzlawickischen Sinne ist dann sehr zweifelhaft, ob Schweigen Kommunikation sein kann. Es müssen Voraussetzungen gelten, ich würde sie so formulieren:
Zeitkonkruenz - Interessenkonkruenz - Erreichbarkeit.
Zeitkonkruenz heißt, dass beide in etwa nach der selben Zeit ein Schweigen als Schweigen empfinden und ein Ausbleiben einer Antwort als Abweichung.
Interessenkonkruenz bedeutet, dass die Kommunikationspartner ähnlich stark motiviert sind -und in die selbe Richtung.
Erreichbarkeit bezeichnet die technischen und organisatorischen Voraussetzungen zur Kommunikation.
In der direkten Kommuniaktion ist es möglich dem Verhalten zu entnehmen, ob das Schweigen nun gewollt ist, und welche Bedeutung es hat.
Aber gerade dann muss man Verhalten von Kommunikation differenzieren!