Immer wieder wird auf eine Metonymie verwiesen: Evola. Was sagt uns dieser Name? Was wird es mir gebracht haben, das angegebene Buch gelesen zu haben, wenn doch die Diskussion hier stattfindet? V.a.: Gibt es verlässliche Schlüsse, die aus dem angegeben Buch gezogen werden können? Schliesslich beurteilt man ein Buch, ein Name, indem man sich der vermeintlich im Niedergang begriffenen Sprache bedient, die wir alle beherrschen und von der wir alle beherrscht werden. Ein Urteil – ein richterliches Wort – nimmt dort seinen Anfang, wo der Name aus sich heraus tritt, um etwas ausser sich zu bezeichnen, und also der Abstraktion verfällt. Da Gewalt im Bereich der Sitte zunächst anzusiedeln ist (es macht keinen Sinn, im abstrakten Begriff Natur Gewalt aufspüren zu wollen – die unendliche Totalität und Statik, die dem Begriff Natur anhaftet, ist m.E. ungeeignet, um sich dem
Begriff Gewalt zu nähern), ist der Schritt zur Sprache bereits getan: Sprache als Mittel zum Zweck verfehlt Gerechtigkeit (ex negativo definiert). Dies alles schreibe ich nur, um einige Vorbereitungen getroffen zu haben, die es eventuell ermöglichen, sich Bewegungen, die sich in den bislang geschriebenen Texten vorfinden, zu nähern. Zurück also zur Gewalt und der Gerechtigkeit. Auch Entscheidungen haben es mit diesen beiden Begriffen zu tun, v.a. wenn bedacht wird, dass Entscheidungen Urteilen und richterlichen Sprüchen analog zu begreifen sind. Eine Interpretation (hierzu zähle ich Übersetzungen, Deutungen, Verwendung von Sprache überhaupt, die sich signifikant äussert) hat sich etwas zu bedienen: Sprache: – doch einer inkommensurablen Sprache nur, deren Grenzen in ihrem sprachlichen Wesen selbst nur abgesteckt sein können (sprachliches Wesen als Signifikat, das mit der signifikanten Bezeichnung bezeichnet werden will und insofern nicht bezeichnet werden kann, als bloss eine beschränkte Anzahl einer inkommensurablen Menge an Signifikanten dafür zur Verfügung steht, die dasselbe Problem haben). Wie kann also jemand, der sich innerhalb dieser Aporie nur befindlich wissen kann, mit Gewissheit rein destruktive Bewegungen wahrnehmen wollen (siehe folgendes Zitat)?
kaismoessner schrieb:
Aufgabe der Kasten und der Hierarchie sollte sein, eine affektive Destruktivität zu vermeiden. Die Askese stellt hier nicht etwa Selbstgeißlung sondern vielmehr die Vernunft dar, Triebe dort unter Kontrolle zu halten, wo sie sich negativ auswirken.
Wenn wir Bewegungen in diesem Text uns vornehmen, erscheint uns zunächst klar, dass er vom Niedergang spricht. Ausserdem lebt er von Oppositionen: Eudämonie – Destruktivität; Vernunft – Triebe/Affekte; positive Auswirkungen – negative Auswirkungen (ich erinnere an die obigen Ausführungen zum richterlichen Wort, das in der Bibel rund um den Baum der Erkenntnis und den Sündenfall thematisch anzusiedeln ist). Jede Feststellung, jede Entscheidung (ohne sie könnte keinem festgehaltenen Umstand Gerechtigkeit widerfahren) wird vom Unentscheidbaren heimgesucht, d.h. jede Entscheidung muss sich dem Unentscheidbaren stellen (da sie sich auf etwas absolut Singuläres zu beziehen hat). Das Unentscheidbare ist das, was jeder gerechten Entscheidung vorausgehen muss: das Unendliche, das Totale (das Wissen schlechthin, die Totalität der Sprache, das freie Signifikat). Eine Entscheidung, die sich nicht am Unentscheidbaren misst, wäre keine freie Entscheidung mehr, sondern nichts weiter als eine programmierbare Anwendung oder ein berechenbares Vorgehen. Sobald eine Entscheidung und ein Urteil (etwas ist „äffisch triebhaft“, „affektiv“, „destruktiv“, „negativ“) gefällt wurden, muss es sich der Prüfung des Unentscheidbaren unterzogen haben; doch hat sie so eine Regel befolgt (das, was als Unentscheidbares betrachtet zu werden hatte, wurde ein Entscheidbares und hinter sich gelassen, indem ihm nicht gerecht wurde) und sich eine neue Regel vorgeben, die sie abermals zu überprüfen hat: gerecht ist sie so dem Vergewaltigten in der Gegenwart nicht geworden („vergewaltigt“ taucht hier mit Verweis auf die Ausführungen zu Beginn auf).
Somit lässt sich also alles umdrehen: Solange es Ungleichheit gibt (und Kasten zielen darauf ab), kann Gerechtigkeit in der Gegenwart nicht anwesen. Völlig unentscheidbar ist es folglich für jene, die sich selbst (kastenmässig) über andere erheben (richterlich), ob etwas „pervers“ oder „verachtenswert“ ist (siehe folgendes Zitat):
kaismoessner schrieb:
In der Arbeitermoral ist wohl die pervertierteste Form des Impetus nach "Wohlstand" zu sehen. Die äffische Triebbefriedung (welche, vergessen wir nicht Mittel und nicht Zweck selbst sind) schiebt sich vor die Eudämonie des Menschen als Individuum - verachtenswert.
Ich merke, dass mein Post langsam aber sicher anwächst und anwächst, dabei hätte ich noch viel zur neuen Opposition „Technik“ – „Natur“ zu sagen, die im Text aufgestellt wird. Technik ist Mittel zum Zweck, so wie auch die Verwendung von Sprache mittelbar geschieht: der Bereich der Sitte und des Zusammenlebens ist also von Technik unmittelbar durchdrungen. Über den richtigen Umgang mit der ‚Natur’, die als Abwesendes (ex negativo) postuliert wird, lässt sich nur im Bereich der Technik, der Sitte, der Mittel entscheiden. Da aber, wie gesagt, selbst dieser Bereich einem nicht als Mittel zu Zwecken zur Verfügung steht, sondern vielmehr dieser unmittelbar seine Grenzen inhärent inkommensurabel selbst nur abstecken kann, ist der diesen Bereich scheinbar transzendierende Standpunkt des 'Kastenmenschen' wohl ein ziemlicher Trugschluss.
Im mir vorliegenden Text folgen Argumentationen zu einem ebenso vorgehenden Ästhetizismus („der Mensch ist Teil der "Umwelt", kann jede Sekunde Leben genießen, sieht die Schönheit in jedem Blatt und jedem Grashalm (…)“) und einer Askese, die totale Herrschaft über den anderen anstrebt (‚natürlich’ in völliger Selbstaufgabe, die mit dem Prädikat „Liebe“ versehen wird :„Durchlässige Kasten sollen den Weisen, den der Obiges 'erkennt' an die Position führen, von wo aus er die Gemeinschaft der Menschen die er liebt, wie könnte er anders ?, bestmöglich unterstützen kann" – auch die vorgängige Beschreibung eines „Altruismus“ aus dem „Egoismus selbst heraus“ reiht sich in die Intention dieses Textes: erst die absolute Herrschaft über sich selbst ermöglicht die vermeintlich gerechte Herrschaft über andere: Michel Foucault u.a. haben das sehr schön beschrieben, v.a. hat es an Aktualität gewonnen, da die „Sorge um sich“ dem neoliberalen Zeitgeist schön entspricht: wer also davon redet, das in einer etwas unscharf bezeichneten ‚Moderne’ Hierarchie aufgelöst worden sei, ist ideologisch wohl etwas verblendet: „In der Moderne kann man die Konsequenz der Auflösung dieser Hierarchie und des blinden Hedonismus sehn.“ Da wir uns im Politik-Thread befinden, musste dies einmal gesagt werden).