• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Diskursethik

AW: Diskursethik

Hallo Thorsten, hallo Robin, ich sehe das Problem, sich in einer Diskussion im Kreis zu drehen, in der Praxis nicht als so schlimm an, wie es sich in euren Beiträgen anhört. Die Diskussionen in der Politik sind doch eher deswegen verkeilt, weil jeder unbedingt seinen Parteistandpunkt durchbringen will, anstatt, dass bewusst versucht wird, gemeinsam eine Lösung zu finden. Ich möchte das an einem Beispiel erläutern:

A: „Ich finde Gentechnik schlecht“ (1)
B: „Ich finde Gentechnik gut.“ (2)
A: „Es ist aber schlecht wegen den Umweltrisiken.“ (3)
B: „Umweltrisiken sind vorhanden. Sie betragen aber nur 1,78%. Das ist wenig.“ (4)
A: „Dann ist Gentechnik gut.“ (5)

Person A gibt seine Meinung preis. Ab jetzt ist nach Habermas schon zweiseitige Kommunikation möglich, denn Person B hat einen Punkt, an dem sie ansetzen kann. Sie muss nun Rationalität einsetzen, um nun Teile ihre Meinung mit der Aussage von A zu verknüpfen. Das geht, wie man sieht, obwohl diese ganz Gegenteilig ist, also scheinbar noch kein Konsens besteht. B beschränkt sich in (2) aber erstmal darauf seine Meinung gegenüberzustellen, sodass A genau das eben beschriebene tun kann. Auch das herausfinden der These des Gegenübers stellt praktisch in einem Diskurs keine Probleme da. Person A versetzt sich nun mittels ihrer Ratio in Person B und überlegt, was bei B ´s Ansätzen nun noch fehlen könnte und was gleichzeitig die These berührt. B bewilligt in (4) einen gemeinsamen Konsens (es gibt gewisse Risiken) und setzt an diesem Punkt weiter an. Sie ergänzt die Prozentwerte. Das hat wie in (5) deutlich wird nun genau die Einzelpunkte von A berührt. Man sieht also (auch wenn dieser Diskurs jetzt übertrieben vereinfacht ist): ein gemeinsamer Konsens ist keine Gesprächsvoraussetzung.

Ein zweiter Punkt, besonders für Robin: Gefühle sind natürlich prägend für uns Menschen. Der Erbauer des Holocaustdenkmal brauchte aber auch seine Ratio, um seine Gefühle über dieses Ereignis, dem Publikum mitzuteilen. Sonst hätte er sie nicht in ein Kunstwerk stecken können. Hier muss sich ja sogar mit Baustoffen und architektonischen Problemen auseinandergesetzt werden.

Freundliche Grüße
J.
 
Werbung:
AW: Diskursethik

ein gemeinsamer Konsens ist keine Gesprächsvoraussetzung


es gibt zwei Worte dafür,
wie man ohne Kommunikation miteinander 'kommuniziert',
und zwar:

Konsens
Kompromiss

im Falle des Konsenses sind alle Beteiligten derselben Meinung
und weil sie sich dessen sicher sind,
sprechen sie auch nicht über ihre Meinung​

im Falle des Kompromisses wollen die Beteiligten ihre
Meinungsunterschiede nicht ausdiskutieren,
sondern suchen nach Mehrheiten für ihre Meinung​

der Unterschied zur eigentlichen Kommunikation besteht darin,
daß beim Konsens und beim Kompromiss ZIELE verfolgt werden,
während bspw. in einer Diskussion der SINN entscheidet

die Ziele werden beim Konsens durch Einsicht
und beim Kompromiss durch Absicht (Koalition, Veto) erreicht​

der Sinn ergibt sich
(dialogisch) durch das Abgrenzen des Gesprächsgegenstandes
(dialektisch) durch die Synthese des Gesprächsgegenstandes
(hermeneutisch) durch die Schöpfung (Genese) des Gesprächsgegenstandes

.............

Kommunikation umfasst die gesamte Skala von freundlich bis
unfreundlich

man kann miteinander sprechen,
Klartext reden,
sich anschreien,
handgreiflich werden,
sich bekriegen​
 
Robin, dagegen sind wir machtlos.

Robin, hier kommen wir nicht mehr durch. Ich sagte ja schon zu Beginn, daß Habermas die Voraussetzungen von Kommunikation an Lieschen Müller überantwortet hätte und das dies grundfalsch sei; jetzt aber kommt Lieschen mit ihrer Einbauküche. Jaja, solche simple pragmatische Vernunft hat immer recht, das ist ja auch die Basis von Habermas Ethik.

Ich gehe dann mal die Ostern feiern und lasse mir den möglichen Vorwurf von scilla, ich würde ja weder diskutieren noch argumentieren wollen, vorläufig gefallen -

- oder, Robin, wir führen eine Sprechaktanalyse durch und stellen fest, daß Lieschen es mit Habermas aufnehmen will. Viel Vergnügen, Lieschen!

Och scilla, daß Du immer klüger sein möchtest als die Anderen;
daß Du immer glaubst, ein Gedanke ist nur dann sinnvoll, wenn Du ihn in eigenen Worten formuliert hast - wer hat Dir das denn beigebracht?

Sag doch mal! Oder kannst Du auch "mit uns", nicht nur "zu uns" sprechen?

Wer war es, der euch so verblödet hat, daß ihr immer nur auf der banalen Einsicht rumreitet, daß Menschen einander bitteschön nicht die Köpfe einschlagen sollen und ihr folglich Regeln fürs Miteinander aufstellen müßt?

Wer war es? Wenn nicht die urgermanische Rechtsprechung (die einiges für sich hat), dann doch neuerlich Habermas. Gleichursprünglich, sozusagen.

:morgen: Thorsten
(war ich eben etwa etwas fies?)
 
Das abwesende Kreuz

Und hier noch ein echter Reißer aus Habermas' Klaue:

Die evolutionsgeschichtliche Funktion von Moral als des sozialen Integrationsinstruments, das an die Stelle der Religion getreten ist, besteht darin, daß unter Bedingungen einer kommunikativ hergestellten Intersubjektivität die Autorität des Heiligen in die bindende Kraft normativer Geltungsansprüche, die allein diskursiv eingelöst werden können, überführt wird.

Jedem klar?

Er beschreibt es richtig. Genau so gehen wir in den österlichen Gottesdienst.

Nicht klar? Trotz dem Verfall von Religiosität, wünsche ich allen frohe Ostern,
Thorsten
- auch wenn es mir dabei gerade zum Heulen zumute ist. Nur so eine Anwandlung, geht schnell vorbei.
 
AW: Das abwesende Kreuz

(...) Nicht klar? Trotz dem Verfall von Religiosität, wünsche ich allen frohe Ostern,
Thorsten
- auch wenn es mir dabei gerade zum Heulen zumute ist. Nur so eine Anwandlung, geht schnell vorbei.

Thorsten, sag bloß, du verstehst das auf Anhieb! Allerdings muss ich zugeben, dass mir bei solchen Texten schon lang die Lust vergangen ist, sie überhaupt nur lesen zu wollen. Wenn einer schon so gescheit ist, dann sollte er sich auch so ausdrücken können, dass es ein anderer versteht. Und angeblich gehts da drin sogar um Kommunikation. Oder?

Ist dir deswegen zum Heulen zumute? Ich werde jedenfalls immer öfter wütend, weil mit dieser Insider-Sprache schon eine Kluft zum "gewöhnlichen Volk" erzeugt wird und das vermutlich auch noch bewusst.

Dir wünsche ich ein frohes Osterfest, lieber Thorsten!
Du verstehst ja zum Glück auch das gewöhnliche Deutsch.

Und das :kuss1: sowieso!
lilith
 
AW: Das abwesende Kreuz

Thorsten, sag bloß, du verstehst das auf Anhieb! Allerdings muss ich zugeben, dass mir bei solchen Texten schon lang die Lust vergangen ist, sie überhaupt nur lesen zu wollen. Wenn einer schon so gescheit ist, dann sollte er sich auch so ausdrücken können, dass es ein anderer versteht. Und angeblich gehts da drin sogar um Kommunikation. Oder?

Ist dir deswegen zum Heulen zumute? Ich werde jedenfalls immer öfter wütend, weil mit dieser Insider-Sprache schon eine Kluft zum "gewöhnlichen Volk" erzeugt wird und das vermutlich auch noch bewusst.

*looool*

Lilith, Thorsten, das muss man natürlich im Zusammenhang und erst noch positiv sehen und nicht gleich heulen und lamentieren *looool*. Jetzt wird nämlich alles wieder gut! Die kath. Kirche will sich die führende Position der moralspendenden Institution von der Evolution zurückerobern *looool*, und deshalb in Zukunft auf die Habermas'sche "allg. Verständlichkeitsregel" zurückgreifen. Die Heilige Messe wird wieder in lateinischer Sprache gedient und damit das auch der letzte Depp richtig kapiert, mit dem Rücken zum Schaf *loool*. Alles klar? Ich stell mir jetzt natürlich sofort vor, was man dann alles in der Kirche anstellen wird können, wenn der Pfarrer die Schäfchen nicht sieht. Die Kommunikation wird damit eindeutig gefördert.

Oder sollte sie doch einem exklusiven Kreis überlassen werden, Lilith? Tja, dann solltest du dich nicht weiterhin weigern, dein "Wenn einer schon so gescheit ist..." durch "Bei der intendierten Realisierung der linguistischen Simplifizierung des regionalen Idioms resultiert die Evidenz der Opportunität extrem apparent, den elaborierten und quantitativ opulenten Usus nicht assimilierter Xenologien konsequent zu eliminieren!" zu ersetzen. Sonst wirst du weiterhin warten müssen, bis auch du als ein der optischen Wahrnehmung unfähiges, gefiedertes, aber des Fliegens nicht mächtiges Haustier in den Besitz nicht näher definierter Sämereien gelangst. Ich würde dir allerdings gerne dabei Gesellschaft leisten, wenn magst, aber jetzt sollten wir die Messe nicht verpassen...

Euch beiden Lieben schöne Ostern und lasst euch noch von mir abschlabbern :kuss1: und sagen:
In meiner psychologischen Konstitution manifestiert sich eine absolute Dominanz positiver Effekte für eure existente Individualität. :autsch:

:sekt:
 
Distinktionen

Robin, hier kommen wir nicht mehr durch. Ich sagte ja schon zu Beginn, daß Habermas die Voraussetzungen von Kommunikation an Lieschen Müller überantwortet hätte und das dies grundfalsch sei; jetzt aber kommt Lieschen mit ihrer Einbauküche. Jaja, solche simple pragmatische Vernunft hat immer recht, das ist ja auch die Basis von Habermas Ethik.

Genau!
Die Funktion solcher Ethik ist doch dann, zu unterscheiden: Macht es so (Appell!), dann klappt's. Schafft ihr es so nicht, seid ihr zu blöd. Oder irgendwie unreif, oder was?

Jing:
A: „Ich finde Gentechnik schlecht“ (1)
B: „Ich finde Gentechnik gut.“ (2)
A: „Es ist aber schlecht wegen den Umweltrisiken.“ (3)
B: „Umweltrisiken sind vorhanden. Sie betragen aber nur 1,78%. Das ist wenig.“ (4)
A: „Dann ist Gentechnik gut.“ (5)

Dann erklär mir doch bitte mal, warum es so praktisch nie läuft?!
Spielen denn nicht ganz andere Faktoren eine Rolle, warum eben A. i.d.R. auf seinem Standpunkt beharrt und B. auf dem seinen?

Und auch was das Fremdsprech von Habermas angeht: Es geht darum, Grenzen zu ziehen, zwischen sich und den anderen. (Nun gut, auch Luhmann soll ja manchmal schwer verständlich sein, ich bin jetzt so geübt, merk es kaum noch ;) ). Aber Luhmann thematisiert das immerhin. Er sagt, dass Codes natürlich Grenzen ziehen, wissenschaftliche Codes z.B. Und so ein Code hat dann nicht nur die Funktion "wissenschaftlich" zu sein, sondern eben auch: Auszuschließen.

UNd eben diese Funktion Einschließen/Ausschließen, so banal sie zu sein scheint, die muss man bei all dem bedenken!
Lieschen Müller sagt: Es geht beim Kommunizieren ums Verstehen und z'samma sein. Aber es geht immer auch ums Ausschließen, gebt es doch zu, öffnet eure verklebten Äuglein.

Und weil neulich der Lebenstil thematisiert wurde. Natürlich geht es bei einem solchen Thread nicht (nur) um Integration von stilbewussten Menschen. Es geht auch immer um den Ausschluss von stillosen Menschen. Auch wenn man das nicht "will" - es wird ausgeschlossen (ich verrat aber nicht wer ...). Nein, nicht bewusst. Das Einschließen/Ausschließen stellt sich ein, und ich verstehe jeden, der sich darüber ärgert.
Aber dann gibt es eben noch das Schmiermittel für Kommunikation, das sind Höflichkeit und Lüge. Sie gewähren ein Mindestmaß an Erträglichkeit der Kommunikation. Aber wenn es das braucht, kann man doch nicht ernsthaft behaupten, es ginge um Konsens! Oder: Kommunikation mit Lüge sei korrumpierte Kommunikation...

Und jetzt könnte man fragen: Müsste eine Diskursethik sich nicht damit beschäftigen? Wie die Zumutungen der Kommunikation durch Abschwächungsmechanismen abgefedert werden? Wie der fortdauernde Ausschluss von Menschen (denn der Vorwurf, sie sollen sich eben anstrengen oder was auch immer, ist absurd - wenn sie den Code verfehlen, können sie sich anstrengen,wie sie wollen) kommunikativ gerechtfertigt, verdrängt, schöngeredet, sanktioniert wird...

Das Gute bei Luhmann: Er lässt die Ethik einfach weg, es sei denn, als einen Code neben vielen anderen...

Thorsten, noch verstehe ich nicht alles, aber weil du gerade so nett bist: Für Habermas bist net, für Luhmann ah net, für wen biast'n?

Sorry, komme a) gerade aus Bayern und b) brauch ich Orientierung
 
AW: Das abwesende Kreuz

"Bei der intendierten Realisierung der linguistischen Simplifizierung des regionalen Idioms resultiert die Evidenz der Opportunität extrem apparent, den elaborierten und quantitativ opulenten Usus nicht assimilierter Xenologien konsequent zu eliminieren!"
Jo, wia g'sagt, i kumm grod aus Bayern. Und do isses gfei grod so, wiast gsogt hoßt, g'nau so!

Gfiad di!
 
AW: Diskursethik

Hallo Thorsten

Och scilla, daß Du immer klüger sein möchtest als die Anderen;
daß Du immer glaubst, ein Gedanke ist nur dann sinnvoll, wenn Du ihn in eigenen Worten formuliert hast - wer hat Dir das denn beigebracht?

offensichtlich ist die Qualität meines Textes höher als die HABERMAS-Textes

Sag doch mal! Oder kannst Du auch "mit uns", nicht nur "zu uns" sprechen?

....

Wer war es? Wenn nicht die urgermanische Rechtsprechung (die einiges für sich hat), dann doch neuerlich Habermas. Gleichursprünglich, sozusagen.

das 'thing' als altgermanische diskursethik ist tatsächlich mit einer der gründe
(neben der synthese von hegel, der interpretation topographischer karten und den dialogen platons),
warum ich davon ausgehe,
daß ÜBER EINEN GEGENSTAND gesprochen werden kann

Wer war es, der euch so verblödet hat, daß ihr immer nur auf der banalen Einsicht rumreitet, daß Menschen einander bitteschön nicht die Köpfe einschlagen sollen und ihr folglich Regeln fürs Miteinander aufstellen müßt?

aus philosophischer Sicht ist Parmenides das Vorbild

ein junger Mann,
der aus der Reihe der Orphiker (Frauenhasser) ausgescheert ist,
um mit der Göttin der Wahrheit zu schlafen,
anstatt sie als Lieschen Müller zu vergewaltigen

aus religiöser Sicht (in meinem Kulturkreis) waren es die Christen
 
Werbung:
Auto-Empirie

Ich finde diesen Thread gut, da er sich sozusagen im Bezug auf Diskurstheorie selbst-empirisch verhält, er belegt einige seiner eigenen Thesen und verhält sich damit so selbstreferentiell, dass es Habermas grauste.

Insbesondere zeigt sich, dass das Schema Einschließen/Ausschließen durch Internetkommunikation ausgehebelt werden kann. Die Folgen sind evident. Die Mechanismen sind die folgenden:

- Teilhabe durch Nicht-Teilhabe.
Kommunikationsteilnehmer glänzen durch Aussagen wie: "Ich finde das wissenschaftliche Gelaber zwar scheiße und will daran gar nicht teilhaben, aber ich nehme daran teil, um genau dies mitzuteilen."

fehlende Evaluation
- Evaluation wird, falls sie überhaupt halbwegs kompetent geschieht, nicht durch Autorität gestützt. In der Folge kann sie von Diskussionsteilnehmern ungestraft ins Gegenteil verkehrt werden, indem sie ihren eigenen Schwachsinn als genial deklarieren. (Anm. diesen Missstand könnte man natürlich durch ein Punktesystem wie früher auch nicht beheben)

fehlende Anschlüsse
- Der Druck, an Argumente anzuschließen, fehlt in höchstem Maße. In der Folge werden direkte Fragen ignoriert, Argumente übersprungen und da alles sowieso auf Grund von mangelhaft geklärten Begriffsdefinitionen geschieht, gerät die Abfolge zwei sinnvoller Beiträge zum wahren Glücksspiel.

Die Folge ist vielleicht eine Art "befreite Gesellschaft" im Miniaturformat. Ein einziges Dummgesumme...
 
Zurück
Oben