Das Gesellschaftliche Leben ist hassdurchtrännkt und dann wundert man sich, warum es kracht.
Ich empfinde das gesellschaftliche Leben nicht als
hassdurchtränkt, sondern als
gespalten im extremsten Sinne dieses Wortes. Die Verrohung der Gesellschaft ist, wie ich oben bereits ausführte, ein davon komplett getrenntes Geschehen. Was die Gesellschaft spaltet, wie noch nie zuvor, ist die Etablierung zahlreicher in sich geschlossener Narrative, die sich gegenseitig ausschließen. Aufgrund des Internets kann jeder Einblicke in diese Parallelwelten bekommen, der gewillt ist, danach zu suchen. Da immer noch die meisten dies nicht tun, kennen sie nur das Mainstream-Narrativ und merken nicht, dass dieses eben auch nur ein Narrativ ist. In der linken Informationsblase sieht man sich im Zeitalter des Spätkapitalismus, der immer obskurere Erscheinungen hervorbringt, um noch ein paar Jahre weiter bestehen und die restliche Welt ausbeuten zu können. Außerdem haben die Nazis den Bundestag unterwandert und das vierte Reich steht praktisch schon vor der Tür. In der Umweltschutz-Informationsblase verkündet man, dass der menschengemachte Klimawandel uns in der nahen Zukunft ausrotten wird, wenn wir nicht sofort grundlegende und weitreichende Maßnahmen einleiten, um dies zu verhindern. Je nach Radikalitätsfaktor haben wir dafür noch bis 2100, 2050 oder 2030 Zeit. Manche sagen sogar, es ist schon längst zu spät. Ich verfolge den Podcast eines Evolutionsbiologen, der davon ausgeht, dass die Menschheit im Jahre 2025 aussterben wird und er bezieht sich dabei ausschließlich auf Zahlen aus der
peer reviewed literature und projiziert diese in die Zukunft. Glaube ich ihm?
Glauben ist für mich keine Kategorie, jedenfalls nicht bei weltlichen Themen. Ich höre mir gerne alle Standpunkte an um ein ausgewogenes Bild zu bekommen. Dann hätten wir noch die rechtskonservative Ecke, die den Untergang durch Migrationsbewegungen und Identitätsverlust heraufziehen sieht. Esoteriker, die ein neues spirituelles Zeitalter herbeihoffen. Prepper, die sich auf den Zusammenbruch der Zivilisation und die Rückkehr zum Recht des Stärkeren vorbereiten. Libertäre, die sich auf das Naturrecht beziehen und den Staat loswerden wollen (ich weiß, das sind alles starke Vereinfachungen) und dann wären da auch noch die religiösen Fundamentalisten. Durch das Internet ist es heutzutage möglich, sich in eine beliebige Informationsblase zu begeben und für den Rest des Lebens nicht mehr aus dieser aufzutauchen. Jeder verkündet für sich
die Wahrheit gefunden zu haben. Ich persönlich glaube, dass keine dieser Gruppen ganz im Recht oder ganz im Unrecht ist. Ich glaube auch nicht, dass die Wahrheit etwas ist, was man jemals ganz genau definieren oder in menschlicher Sprache zum Ausdruck bringen wird. Aber was ich glaube ist, dass die größte aller Informationsblasen, der Mainstream, nicht mehr lange die Dominanzstellung haben wird, die er derzeit hat.
Im Internet reden wir mit Menschen, mit denen wir normalerweise aufgrund der eigenen Vorurteile oder aufgrund völlig unterschiedlicher, gewöhnlicher Aufenthaltsorte garkeinen Kontakt haben könnten. Diese Chance sollten wir weiterhin nutzen und weiterhin dafür sorgen, dass diese Möglichkeit offen bleibt. Man sollte also niemanden so beleidigen, dass eine Versöhnung generell ausgeschlossen ist. Mit dem in den Hetzblättchen breitgeschmierten Hass hat das natürlich nichts zutun, wie Chris ausführte.
Ich suche immer wieder gerade die Konfrontation mit anderen Weltbildern. Und dies ist eben etwas, das im Mainstream fast völlig fehlt. Dort werden
die Anderen meistens, sogar fast immer nur ausgegrenzt. Wie es halt in Informationsblasen üblich ist. Das Ideale wäre für mich ein Mainstream, der keinerlei Scheuklappen mehr hätte. Natürlich wird ein solcher
neuer Mainstream nicht über Nacht entstehen, aber die Entwicklung sollte dahin gehen. Wenn die Vertreter der jeweiligen Informationsblasen vor einem großen Publikum zu Wort kommen würden, dann würde sich sehr schnell die Spreu vom Weizen trennen. Leute, die wirklich völlig abstruse Ansichten vertreten, würden von der Bildfläche wieder verschwinden, weil keiner sie ernst nimmt. So gibt es zum Beispiel Leute, die ernsthaft glauben, dass jedes Fußballspiel in den höheren Ligen bis ins Detail abgesprochen ist, spektakuläre Tore nach der 90. Minute inklusive. Jeder, der schon einmal selber Fußball gespielt hat, weiß, dass dies unmöglich ist, es gibt viel zu viele Faktoren, man könnte ein abgesprochenes Spiel niemals glaubhaft rüber bringen, und schon gar nicht tausende, zehntausende Spiele und vor allem:
Wieso sollte man dies überhaupt tun? Es gibt tatsächlich
Verschwörungstheorien, die einem die Haare zu Berge stehen lassen. Die Vertreter dieser Theorien würden sich dann aber vor einem großen Publikum ganz schnell blamieren und somit in der Irrelevanz versinken. Diejenigen jedoch, die wirklich tiefgründige und ausgefeilte alternative Ansichten präsentieren, würden sich durchsetzen und genau so ernst genommen werden wie der derzeitige Mainstream. Ich finde, es zeugt von großer Unsicherheit, dass die Massenmedien nur noch
eine Linie fahren. Wenn ihre moralischen Überlegenheitsgefühle wirklich so stark sind, dann sollten sie weniger Angst vor Konfrontationen haben.