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Der Telekom Staat

AW: Der Telekom Staat

Auch wenns langweilig wird, hier noch zwei aktuelle Fälle, einer abstruser als der andere:

In Österreich sind die Wohnungen von 23 Tierschützern durchsucht worden, weil sie verschlüsselt gemailt hatten und, ähm, Tierschützer sind. 10 von ihnen sind verhaftet worden

Begründung für die Hausdurchsuchungen:
... ist der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Organisation gemäß §278a StGB. Gegen zwölf Personen, bei denen Hausdurchsuchungen stattgefunden haben, liegen Haftbefehle vor. Begründet werden diese mit Verdunkelungsgefahr, da die Betroffenen zb mit verschlüsselten Mails kommuniziert haben sowie Tatbegehungsgefahr, weil die Betroffene teilweise seit langem in der Tierrechtsszene aktiv sind.

Und noch ein Fall in England. Noch abgefahrener:
Student war für 6 Tage in U-Haft, weil er Dokumente über Al-Queda Taktik im Zimmer hatte. Er wollte eine Arbeit darüber schreiben. Die Dokumente hat er von einer US-Regierungsseite downgeloaded. Ein anderer Student, der ihm behilflich war, wurde auch verhaftet. Er lebt seit 13 Jahren in England und soll nun abgeschoben werden.


Bei der Gelegenheit möchte ich doch nochmal auf meinen Thread von neulich zurückkommen, was das Thema Menschenwürde betraf. Vielleicht versteht ja der eine oder andere, worum es mir da ging, anhand dieser Beispiele. Nur so als Denkanstoss.


servus, xcrypto
 
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AW: Der Telekom Staat

...

das Problem der Kontrolle kann man recht leicht umgehen: keine Daten sammeln :)
...
Wenn wir also verhindern wollen, dass dermaleinst jemand diese Daten gegen uns verwendet, dann müssen wir verhindern, dass sie heute gesammelt werden. Sobald die Daten da sind, ist es bereits zu spät.

lg, xcrypto

Meine Frage
an mögliche Interessierte war eigentlich, ob bei unaufhaltsam weiter sich entwickelnder Technik auch eine weiter entwickelte Demokratie einschließlich besserer Kontrollmöglichkeitne denkbar ist. Also: ob sich jemand da positiv etwas bei ausdenken könnte.

Zu der Empfehlung "keine Daten sammeln" habe ich einfach mal bei Google eingegeben "denkforum.at" und "xcrypto" , schon kommt das Angesammelte.
Die alte Frage: "Was tun?" ist in neuen Zusammenhängen wieder aktuell und ich hoffe nicht auf Wunsch- sondern auf Nachdenken. - Das können doch alle hier, oder? :confused:
 
AW: Der Telekom Staat

Hallo Zumzum,

die Strategie der Datenvermeidung meint nicht, dass man die Kommunikation einstellen sollte. Dass Du also bei google meine Postings findest hat damit nichts zu tun. Wie ich heisse, wo ich wohne usw. wirst Du so nicht erfahren.

Zum Thema Datenvermeidung gibt es bei TP ein Interview mit Ricardo Cristof Remmert-Fontes vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Dort wurde er gefragt, ob nicht ein strengerer Datenschutz und härtere Strafen bei Verletzungen auch helfen würden. Seine Antwort darauf ist genau das, was ich auch meinte:

Nein. Kriminologen wissen: härtere Strafen senken die Kriminalitätsrate nicht. Was die Raten senkt, sind Änderungen an den Rahmenbedingungen. Dazu gehören bei "normaler" Kriminalität Armutsbekämpfung, Bildung, soziale und kulturelle Programme. Auch eine gute Straßenbeleuchtung ist sinnvoller als Kameras.

Im Fall von Datenspeicherung heißt dies: strikte Datenvermeidung.


lg, xcrypto
 
AW: Der Telekom Staat

Hallo Zumzum,

die Strategie der Datenvermeidung meint nicht, dass man die Kommunikation einstellen sollte. Dass Du also bei google meine Postings findest hat damit nichts zu tun. Wie ich heisse, wo ich wohne usw. wirst Du so nicht erfahren.

Zum Thema Datenvermeidung gibt es bei TP ein Interview mit Ricardo Cristof Remmert-Fontes vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Dort wurde er gefragt, ob nicht ein strengerer Datenschutz und härtere Strafen bei Verletzungen auch helfen würden. Seine Antwort darauf ist genau das, was ich auch meinte:




lg, xcrypto

Hi xcrypto,

erlaube mir mich einzuklinken.

Das, was du schreibst bzg. Datenschutz und Straftatenbekämpfung deckt sich voll und ganz mit meiner Beobachtung.
Einem Jugendlichen, hier in Graz z.B., kümmert es herzlich wenig, ob eine Kamera irgendwo stationiert ist. Der zieht einfach seine Kapuze tiefer ins Gesicht und sticht zu. Wohingegen nur allein das Wissen, dass jeden Augenblick ein Polizist vorbeikommen könnte, von vorneweg seine Aggessivität im Zaum halten würde.

Selbstverständlich Ursachen an den Wurzeln zu packen ist viel schwieriger.
Das Ausweichen auf Kameras auf allen möglichen und unmöglichen Plätzen ist viel einfacher und trägt außerdem zur Wirtschaft bei.
Und manche Sparten verdienen natürlich dabei ernorm. (Entschuldige bitte, aber irgendwie kommt bei mir schon eine eher beißende Ironie hoch, wenn ich an dieses Thema denke!!)

Was mir auch noch auffällt ist, dass bei Überwachung so wenig wissenschaftliche Erkennisse mit einfließen. Ist doch Aggressivität zumeist auf Unsicherheit, Angst und Verzweiflung ebenfalls zurückzuführen. Keiner wird freiwilllig arbeitslos (die Prozentrate solcher Menschen ist eher sehr, sehr gering!), keiner will als Außenseiter abgestempelt werden usw.

Der gläserne Mensch .... nun, meine Bank hat so ziemlich alle Informationen über meine Aktivitäten, wieviel Strom pro Monat verbraucht, was ich einkaufe, wo ich z.B. gerne teilnehme (Theater, Konzert etc.) ja, ja, und meine Sozialversicherung speichert ebenfalls sämtliche Krankheiten usw., die Ärtze abrufen können, somit sind sie im Bilde. Und die Apotheken wissen natürlich ebenfalls so einiges, wenn ich Medikamente auf Rezeptverschreibung einkaufe .... usw.

lb Gr sartchi
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
AW: Der Telekom Staat

S.g. Xcrypto.

Da dich offensichtlich dieses Thema sehr beschäftigt habe ich ein paar kurze Fragen:

Gibt es irgendwelche persönlichen Daten über dich, die irgend jemand zu deinem Nachteil verwenden könnte ?

Wenn ja, von welcher Art sind dies Daten (z.B. medizinische Daten)?

Wenn nein, warum hast du "Angst" vor Datenüberwachung ?

L.G. Belair57
 
AW: Der Telekom Staat

Gibt es irgendwelche persönlichen Daten über dich, die irgend jemand zu deinem Nachteil verwenden könnte ?

Wenn ja, von welcher Art sind dies Daten (z.B. medizinische Daten)?

Na sicher, die gibts von jedem von uns! Zum Beispiel mit wem ich wann wie lange telefoniere. Oder welche Webseiten ich besuche. Oder mit wem ich maile. Oder welche Zeitungen ich abonniert habe. Welche Krankheiten ich habe. Usw.

Mit all diesen Daten kann man ein Profil von mir erstellen und sich ein Urteil bilden, was für ein Mensch ich bin und welche Einstellung ich haben könnte. Dieses KÖNNTE macht die Sache so gefährlich, weil das ja nicht unbedingt stimmen muss. Die könnten auf die hirnrissige Idee kommen, ich sei "staatsfeindlich" eingestellt, ein "Dissident" oder gar ein "Linker".

Ausserdem geht das alles den Staat und die Behörden nichts an. Das ist meine Sache. Die Behörden bzw. der Staat darf sich erst für mich interessieren, wenn ich ein Verbrechen begangen habe, vorher nicht.

Wenn nein, warum hast du "Angst" vor Datenüberwachung ?

Du brauchst das Wort Angst nicht in Anführungsstrichen zu schreiben, ich habe davor wirklich Angst. Ich bin im Osten schon wegen meiner Gesinnung verfolgt worden. Ich weiss daher aus purer Erfahrung, wovor ich hier Angst habe.



Gruss, xcrypto
 
AW: Der Telekom Staat

Na sicher, die gibts von jedem von uns! Zum Beispiel mit wem ich wann wie lange telefoniere. Oder welche Webseiten ich besuche. Oder mit wem ich maile. Oder welche Zeitungen ich abonniert habe. Welche Krankheiten ich habe. Usw.

Mit all diesen Daten kann man ein Profil von mir erstellen und sich ein Urteil bilden, was für ein Mensch ich bin und welche Einstellung ich haben könnte. Dieses KÖNNTE macht die Sache so gefährlich, weil das ja nicht unbedingt stimmen muss. Die könnten auf die hirnrissige Idee kommen, ich sei "staatsfeindlich" eingestellt, ein "Dissident" oder gar ein "Linker".

Ausserdem geht das alles den Staat und die Behörden nichts an. Das ist meine Sache. Die Behörden bzw. der Staat darf sich erst für mich interessieren, wenn ich ein Verbrechen begangen habe, vorher nicht.



Du brauchst das Wort Angst nicht in Anführungsstrichen zu schreiben, ich habe davor wirklich Angst. Ich bin im Osten schon wegen meiner Gesinnung verfolgt worden. Ich weiss daher aus purer Erfahrung, wovor ich hier Angst habe.



Gruss, xcrypto

S.g. Xcrypto.

Ich habe natürlich überhaupt bedacht dass hier im Forum " gebrannte Kinder " aus der ehemaligen DDR sind.

In diesen Fall sind eure Ängste begründet und ernst zu nehmen.

Ich sehe die Sache als jemand der im " goldenen Westen " aufgewachsen ist nicht so drastisch. Vor allem da ich überzeugt bin das der Staat garnicht das Personal und die Ressourcen hat um jeden einzelnen Staatbürger individuell zu überwachen, und auch gerade weil die Menge an Daten permanent zunimmt.

L.G. Belair57
 
AW: Der Telekom Staat

Ich sehe die Sache als jemand der im " goldenen Westen " aufgewachsen ist nicht so drastisch. Vor allem da ich überzeugt bin das der Staat garnicht das Personal und die Ressourcen hat um jeden einzelnen Staatbürger individuell zu überwachen, und auch gerade weil die Menge an Daten permanent zunimmt.

Ja das ist in der Tat ein Umstand, unter dem man das ganze etwas milder betrachten kann. Zu der personellen Unterbesetzung kommt ausserdem noch die offenbar notorische Inkompetenz hinzu, welche man unter anderem Lichte aber auch wieder als gefährlich beurteilen könnte.

Allerdings hat auch diese Medaille zwei Seiten. Die andere Seite dieser Medaille ist leicht zu erkennen. Diese ganzen Daten werden HEUTE gesammelt. Und die ganzen Ermittlungsbehörden (BKA, LKA, Staatsanwaltschaften, Bundesstaatsanwaltschaft, BND, VfS, Staatsschutz, MAD usw) sind HEUTE personell unterbesetzt und oft genug schlecht ausgerüstet.

HEUTE.

Aber was ist, wenn sich das mal ändert? Was ist, wenn auf einmal beschlossen wird, die Löhne von Polizisten wesentlich zu erhöhen und sie massiv besser auszurüsten? Dann hätten wir ein ernstzunehmendes Problem. Denn dann wären die Daten immer noch da, weil kaum jemand davon ausgehen kann, dass die Datensammelei in nächster Zukunft wieder aufgegeben werden wird, und es gäbe genug Personal um die Daten - wofür auch immer - zu verwenden.

DAVOR habe ich Angst. Also meine Befürchtungen betreffen gar nicht so sehr das Hier und Jetzt, das uns im Moment direkt betrifft, sondern die Zukunft. Wir wissen nicht, welche Politik dann gemacht werden wird. Aber sollte die Politik in eine unschöne Richtung gehen UND diese Datenberge noch vorhanden sein, dann Gnade uns Gott.

Zum Schluss sei ausserdem an China erinnert. Zwar hat die chinesische Polizei und die Armee mehrere Millionen Angehörige, was zahlenmässig gigantisch erscheint. Andererseits müssen die sich um 1000 Millionen Menschen kümmern, was im Verhältnis wieder unseren Zustand ähnelt.

Doch trotz dieser schieren Menge an Menschen bringen es die Chinesen fertig, die Bevölkerung nahezu vollständig zu kontrollieren. Es gibt keinerlei freie Presse, kaum ein Chinese hat die Chance sich im Internet kritisch zu äussern und wenn er es schafft, dann verschwindet die Seite innerhalb von wenigen Tagen und der Betreffende ebenfalls. Wer in China gegen das Regime ist und beschliesst, etwas dagegen zu unternehmen, wird erkannt und geschnappt. Und zwar mit absoluter Sicherheit, es gibt - momentan - kaum ein Entkommen.

Und hier liegt der Hund begraben: das Ziel der Überwachung, zumindest in China, sind nicht die eine Milliarde Menschen. Es sind die paar Tausend die aufmucken. Und irgendwie kriegen sie sie immer.

Solche Zustände sind es, die die Furcht in mir wecken, und solche Zustände sind es, die wir zur Zeit der Stasi und der Gestapo in Deutschland schon zweimal hatten. Und die Versicherungen von Politikern wie Schäuble, dass die Daten nur in "extremen Ausnahmefällen" verwendet werden, sind sicher nicht gelogen. Der Mann meint das exakt so wie er es sagt. Aber auch ein Schäuble kann nicht in die Zukunft schauen, er kann nicht wissen, was seine Nachfolger mit den Daten machen werden, er kann nicht wissen ob sie auf seine guten Vorsätze pfeifen werden.



lg, xcrypto
 
AW: Der Telekom Staat

Nachtrag von Herr Vetter, seines Zeichens Rechtsanwalt:

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat laut Süddeutscher Zeitung zunehmende Schwierigkeiten damit, dass ein Terrorist den gleichen Schutz des Grundgesetzes genießen soll wie jeder Bürger.

Die Grund- und Verfahrensrechte, die Schäuble bedrücken, gelten nicht für Bürger. Sie gelten für Menschen. Das hat seinen Grund. Früher wurde auch schon gern gelabelt. Juden, Intellektuelle, Zigeuner, Homosexuelle, die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, waren mit einem Mal auch keine “Bürger” mehr. Die Folgen sind Gegenstand unzähliger Gedenkstunden, bei denen der Innenminister gewöhnlich die Ansprache hält.

Nun also neue Label. Terrorist. Gefährder. Wer das ist, entscheiden - vor einer rechtskräftigen Verurteilung - dann wohl die Bedarfsträger. So werden sie ja jetzt verharmlosend genannt, die künftigen Superpolizisten mit der Lizenz zum Schnüffeln, Ausquetschen und Festsetzen. Ausgerechnet jene, Staatsanwälte und Richter eingeschlossen, welche die Grund- und Verfahrensrechte zu rechtsstaatlichem Handeln veranlassen sollen, sollen über die Anwendung dieser elementaren Rechte entscheiden? Die Kontrollierten setzen die Kontrolle außer Kraft. Wie praktisch.

Dem Bürger bleibt natürlich Vertrauen. Bedarfsträger sind nämlich unbestechlich und unfehlbar. Sie lieben uns alle, sie kämpfen für das Gute. Es wird deshalb schon keine Falschen treffen. Aus diesem Grund hat man auch nichts zu befürchten, so lange man Bürger von Schäubles Gnaden ist.

Und als Mensch zweiter Klasse hat man es halt nicht anders verdient.
 
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