• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Der Sitzende

PhilippP

Well-Known Member
Registriert
8. April 2003
Beiträge
930
Der Sitzende

Es ist nicht so, als sitze er gerne, nein, es ist viel mehr so, dass er annimmt nicht gerne zu stehen, eben und gerade darum sitzt er, gezwungen durch seine eingebildete Abneigung, das Stehen betreffend, sozusagen.

Und wenn er dasitzt, dann denkt er heimlich, was wohl wäre, wenn er tatsächlich einmal stünde. Dann wird ihm recht schnell anders zumute und kleine, klebrige Schweißperlchen bilden sich auf seiner Runzelstirn.

Allein die leisen Gedanken des möglichen Stehens, allein schon diese, lassen ihm die angenommenen Mühen unbezwingbar erscheinen.

So hört er bald auf, mit der heimlichen Grübelei, was wohl wäre, wenn er stünde, wischt sich den Angstschweiß ab, mit seinem knautschigen, verfleckten Stofftaschentuch und bleibt sitzen, um es, das Vermutete, nicht erleben zu müssen, das Stehen, das Andere.

So erfährt er nichts, wagt nichts und bleibt, was er schon immer war, nicht wissend weshalb, nicht wissend weshalb nicht, schlicht, ein Sitzender.

Philipp P.
 
Werbung:
Versuch einer Verständnisherstellung

Hi, Philipp! Der Text - ist er von Dir?- gefällt mir sehr gut. Er ist sprachlich klar (personale Erzählweise, anschauliche Situationsdarstellung. -
einziges Uppserlebnis:"dann denkt er heimlich,"(Zitat).Aber das Parabelhafte kommt sehr gut aus dem Gegensatz: sitzen - stehen hervor.

Einer, der nie steht, wird immer sitzen.
Einer, dessen Angst vor der Veränderung größer ist als sein Wille dazu, wird immer der Gleiche bleiben.

Das ist für mich zunächst einmal die allgemeine Aussage.

Der Text führt dann aber in die interpretatorischen Möglichkeiten.

Wer kann sich in welche Richtung verändern? (psychologische Deutung)
Welche Zustände können sich aus welchen Gründen nicht verändern?(soziologische Deutung)
Soll sich der Mensch, warum verändern? (ethisch/philosophische Deutung)


Diese Vieldeutigkeit gefällt mir und macht aus dem Kurztext einen "langen".


Und ganz zum Schluss: er spricht mich ganz persönlich an.Ich bin ein Mensch, der im Sitzen (dem Beharren auf Erreichtem)nicht verharren möchte trotz aller Angst vor der Veränderung.

majanna:) :) :)
 
Hallo Majanna,

ja, den Text habe ich geschreibselt. Es freut mich, dass er dich anspricht, ich hätte meinen Text inhaltlich zudem nicht besser deuten können, durchaus sehr gut getroffen.

Die soziologische Deutung sehe ich auch unter dem Aspekt des gesellschaftlichen Rollenselbstverständnisses gegeben. Wir sehen Rollen und werden oftmals fast zwangsläufig in eine solche gedrängt. Man verfestigt in jener Rolle, die Selbstbestimmung muss sich schließlich dem gesellschaftlichen Rollendruck und der bereits aufgegebenen Selbstidentität und verinnerlichten Fremdidentität beugen.

Der Text beschreibt einen solchen Menschen. Er ist fest in seine Rolle gedrängt und trotzdem er sich in dieser eigentlich nicht erfüllt sieht, ist er nicht in der Lage, die Rolle aus eigener Kraft zu verlassen. Unbegründete Ängste und eine lähmende Starrheit fixieren ihn in seiner selbstverständlich scheinenden Rolle, so dass jegliche auch nur andeutungsweise Reflexion hierüber bereits im Keime ersticken muss.

Du merkst, auch hier beschäftige ich mich wieder mit dem Thema des Selbstverständnisses, wenn es diesmal auch auf einen etwas anderen Kontext bezogen ist, welcher evtl. etwas pragmatischer ist als der Letzte ;)

Grüße,

Philipp
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo, Philipp


Den Gedanken, dass auch das individuelle Selbstverständnis nicht so autonom ist, wie es manche Subjektivisten annehmen möchten, verfechte ich seit langem.
Natürlich ist es schmerzlich für das Ego, sich in Kernbereichen ebenfalls als fremdbestimmt zu erleben.

Aber - es kommen bei einem kreativen Menschen wie bei Dir dann solche "Bewältigungstexte" heraus.

Und ich denke immmer: die Freiheit des Menschen besteht darin, über seine Unfreiheit reflektieren zu können.Um in Deinem Text zu bleiben:Erst wer merkt, dass er sitzt,kann aufstehen wollen.

einen "freien" Sonntag wünscht
Marianne
 
Hallo Majanna,

Bewältigungstexte, das ist ein sehr passender Begriff. Mit meinen Texten versuche ich stets, meine Gefühle und Gedanken zum Ausdruck zu bringen und jene somit in gewisser Weise zu bewältigen, geistig zu bearbeiten. Ich schreibe nicht für Andere, ich schreibe nur für mich. Umso schöner ist es, wenn Andere - in diesem Falle du - meine Gedanken nachvollziehen können. Dann weiß ich, dass ich damit nicht alleine stehe. ;)

Viele Grüße,

Philipp
 
Hallo, Philipp

Deine Worte haben mich sehr gefreut.Auch aus einem Grunde, den Du gar nicht wissen kannst.

Ich bin sehr viel älter als Du und dass wir so unbefangen miteinander kommunizieren, festigt meine Meinung, dass alt und jung doch miteinander können.

Mir ist nicht die Gabe gegeben, kreativ zu sein, aber ein bisschen die, Kreatives zu lieben.

liebe Grüße - bis zu nächsten Text



;) ;) ;) Majanna
 
Hallo Majanna,

das Alter spielt für mich eigentlich nur eine untergeordnete Rolle, auf die Persönlichkeit des Gegenübers kommt es an, wie ich finde. Aber ich muss dennoch einräumen, dass ich mit deutlich älteren Menschen wesentlich leichter in Kontakt komme, zu gleichaltrigen finde ich hingegen nur schwer Zugang, zu verschieden sind die Interessen und Ansichten gelagert. Es gibt jedoch auch Ausnahmen, zum Glück. Nicht alle jungen Erwachsenen sind oberflächlich und partyfixiert. Daher ist deine These vollkommen zutreffend, alt und jung können miteinander reden, zumindest dann, wenn die "Wellenlänge" stimmt. Diese stimmt zudem auch bei alt und alt oder jung und jung oft genug nicht, deshalb sehe ich das Alter nicht als wirklich entscheidendes Kriterium für einen bereichernden Kontakt.

Wieso siehst du dich nicht als kreativ an? Ich finde deine Ausdrucksart läßt durchaus auf Kreativität schließen, ich würde mich wundern, wenn dem nicht so wäre. Eine kreative Ader haben viele (wenn nicht gar alle) Menschen, nur fehlt oft der nötige Mut, diese zu ergründen. Lange Zeit erging mir dies ähnlich, ich hielt mich für wenig kreativ und ziemlich durchschnittlich, daher traute ich mir nichts zu und erwartete demnach auch nichts von mir. Die Schule steuerte ihren Teil dazu bei, dass ich meinen Intellekt für sehr bescheiden hielt. Erst langsam stelle ich fest, dass ich durchaus kreative Seiten an mir habe und dies auch ohne Abitur, wenn ich nur Vertrauen darein setze. Die wichtigste Basis für Kreativität, sprich eigenes Schaffen, ist Vertrauen in das eigene Wesen. Gepaart ist dieses Vertrauen manchmal auch mit einer gesunden Überheblichkeit, denn wer sich für durchschnittlich hält, der wird auch nur durchschnittliches kreieren können, um es einmal deutlich darzustellen. Man muss sich von gesellschaftlichen Rollenbildern freidenken und die eigenen Potentiale ungehindert ergründen. So empfinde ich dies zumindest.

Kreatives darf man natürlich auch dann lieben, wenn man kreativ ist, also so wie du. ;)

Viele Grüße,

Philipp
 
PhilippP schrieb:
Hallo PhilippP !

Lange Zeit erging mir dies ähnlich, ich hielt mich für wenig kreativ und ziemlich durchschnittlich, daher traute ich mir nichts zu und erwartete demnach auch nichts von mir. Die Schule steuerte ihren Teil dazu bei, dass ich meinen Intellekt für sehr bescheiden hielt. Erst langsam stelle ich fest, dass ich durchaus kreative Seiten an mir habe und dies auch ohne Abitur, wenn ich nur Vertrauen darein setze. Die wichtigste Basis für Kreativität, sprich eigenes Schaffen, ist Vertrauen in das eigene Wesen. Gepaart ist dieses Vertrauen manchmal auch mit einer gesunden Überheblichkeit, denn wer sich für durchschnittlich hält, der wird auch nur durchschnittliches kreieren können, um es einmal deutlich darzustellen. Man muss sich von gesellschaftlichen Rollenbildern freidenken und die eigenen Potentiale ungehindert ergründen. So empfinde ich dies zumindest.
Da bin ich weitgehend einer Meinung mit dir. Allein das Wort "Überheblichkeit" finde ich sehr negativ belegt und würde es durch Selbstbewusstsein ersetzen. Obwohl selbst nicht am Markt, möchte ich dich ermutigen, weiterhin auf dein Inneres zu hören und so oft kreativ zu sein, wie es deine Lebensumstände zulassen. Du hast eine sehr schöne Ausdrucksweise, die ich (und da bin ich sicher nicht alleine) gerne lese.

Viele Grüße,

Zeili
 
Hallo Zeilinger,

ich finde es nett, dass du dir die Mühe machst, bzw. über das Interesse verfügst, in der Vergangenheit dieses Forums zu stöbern und immer wieder auch ältere Beiträge unter dicken Staubschichten zutage förderst.

Ich wollte damals, wenn ich mich recht entsinne, die Überheblichkeit in dem von mir dargestellten Kontext nicht als negativ belegt verstanden sehen, weshalb ich auch ganz bewusst "gesund" hinzufügte. Allerdings muss ich dir in soweit Recht geben, als dass "gesundes Selbstbewusstsein" ohne Zweifel eine bessere Begriffswahl dargestellt hätte, allein schon aus dem Grund, um Missverstehen vorzubeugen.

Vielen Dank für deine Ermutigung, ich hoffe auch, dass ich weiterhin die Möglichkeiten habe, bzw. mir diese auch selbst zu schaffen und halten vermag, mein Sein so selbstgerecht als vernünftig zu gestalten.

Eine abschließende Frage. Was meinst du damit, dass du selbst nicht "am Markt" seist, und an welchem Markte befindlich siehst du mich demnach?

Viele Grüße,

Philipp
 
Zuletzt bearbeitet:
Werbung:
PhilippP schrieb:
Hallo Phlipp !
Eine abschließende Frage. Was meinst du damit, dass du selbst nicht "am Markt" seist, und an welchem Markte befindlich siehst du mich demnach?
Damit meine ich, dass ich mich selbst auch hin und wieder textlich kreativ versuche, meine Zeilen aber noch von keinem Verlag angenommen wurden. Ich unterstellte dir einmal, dass du bereits auf dem Büchermarkt bist und schätze dich so ein, dass du das bezeiten (auf)klären wirst.

Viele Grüße,

Zeili
 
Zurück
Oben