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Denkinhalt und Denkform

R

Robin

Guest
Hallo!

Da die Problematik von Inhalt und Form traditionell vor allem ein Thema der Kunst ist, habe ich diesen Thread hier angesiedelt.
Aber auch bei der Vermittlung von philosophischen Inhalten spielt die Form natürlich die größte Rolle. Sei es, dass zum Beispiel Philosphen sich explizit als Schriftsteller/Künstler verstehen. Sei es auch, dass die Form selbst Gegenstand der Theorie wird, dass man also überlegt, welche sprachlichen Voraussetzungen das Denken und seine Vermittlung braucht.

Ich persönlich stelle zunehmend fest, dass ich immer schneller von Stilistik auf Inhalt schließe, also von Inhalten, die mir sprachlich "unangnehm" formuliert sind, wenig erwarte.
Ist dies der Beginn von Altersintoleranz?
Oder verhält es sich mit dem sprachlich/inhaltlichen Code ähnlich wie mit der DNS, die sich auch in der kleinsten Zelle findet und somit Rückschlüsse vom Kleinen aufs Große meist zulässig sind?

Und ganz allgemein: Was ist bei der Vermittlung von Denkinhalten "guter Stil"?
 
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Ich habe auch den Eindruck, dass diese Vermengung von Inhalt und Form durchaus Allgemeingut ist, dass in bestimmten Kreisen also besonderer Wert darauf gelegt wird, seine Ideen entsprechend zu verpacken.
Einige meiner Kommilitonen sprechen beispielsweise von anderen philosophischen Theorien wie einem heiligen Gral, den man nicht durch seine einfache und naive Wahrnehmung und entsprechende Wiedergabe schänden will. Da erblicken dann interessant- amüsante Äußerungen wie "das ist bei [...] natürlich alles noch viel komplizierter" das zweifelhafte Licht der Verständniswelt ;).

Gerade die Philosophie "leidet" dabei meiner Meinung nach unter dem Widersatz zwischen "Wissenschaft und Kunst" oder auch "Erkenntnisgewinn / Liebe zur Weisheit gegenüber Menschenerforschung". Derjenige, der sich also explizit als Philosoph versteht, wird (häufig) Wert darauf legen, "Erkenntnise" verbreiten zu können, die eben nicht alltäglich sind, die irgendeinen Kontext jenseits der alltäglichen Erfahrungswelt bilden. Und hier ist die Sprache durchaus ein wesentliches Element, immerhin steht sie selbst zwischen dem bloßen Bezeichnen von Konkretem und der "Schöpfung" neuer Wahrnehmungsebenen.

Von daher halte ich es auch für ganz normal, dass man vom Stil auf den Inhalt schließt: Entweder, weil man den Stil für der Sache zuträglich hält, oder weil man der Meinung ist, dass der Schreibende inhaltliche Defizite und Banalitäten durch seinen Sprachgebrauch lediglich verschleiert.
Ganz abgesehen davon sind natürlich immer auch Rückbezüge persönlicher Art möglich, der Sprachgebrauch kann unter Umständen auch gänzlich disquallifizieren oder den Schreiber der Prahlerei bzw. des Wortfetischismus überführen.

Die Wortwahl und der Ausdruck sind ein Teil der Kommunikation und werden neben dem bloßen Inhalt völlig selbstverständlich mitinterpretiert. Wahrscheinlich ist es nur wichtig, dass man sich seiner Wertung auf Grund des Sprachgebrauches bewusst ist.

cf

P.S.
Irgendwie etwas plump, was ich da schreibe, dass man auf Grund des Ausdrucks des Gegenübers Wertungen vornimmt ist ja klar. Lange Rede...
 
Robin schrieb:
Was ist bei der Vermittlung von Denkinhalten "guter Stil"?
Vielleicht sollte man davor noch fragen, wann denn ein Stil "gut" ist ?

Ich neige zu der Annahme,
dass sich bestimmte Formen der Darstellung und Aufbereitung von Vorstellungsinhalten ganz einfach
bewährt haben, als effizientes Vehikel zum Transfer einer Vorstellung vom Hirn des Absenders zu den
Hirnen der Empfänger.

Im Laufe der Jahrhunderte wurden dann diese Formen eben als "guter Stil" ettikettiert.

lg nase
 
Auf Grund des Ausdrucks nimmt man zwar Wertungen vor. Dies sollte aber nicht daran hindern, Denkinhalte -falls erwünscht- vermitteln zu wollen. So gesehen, ist also 'guter Stil' derjenige, der Kommunikation -falls erwünscht auch mit nicht 'Gleichgesinnten'- ermöglicht und nicht a priori verhindert.
Gleichzeitig ist der Stil auch ein Teil der eigenen Identität, ich kann/will ihn nicht gänzlich nur dem 'Verstandenwerden' opfern. So bleiben Einige unverstanden und Andere ausgeschlossen, bisweilen auch gleichzeitig. Persönlich kann man in diesem Zusammenhang durchaus auch von Kasten sprechen, von * bis *****-Menschen. In Bezug auf Ignoranz, Verständnis/Verständlichkeit, Blendwerk etc.
 
Denkinhalte sollen in eine Diskussion oder wenigstens doch in eine Präsentation (Predigt) gebracht werden. Dazu bedarf es der Präzisierung aber auch der Verständlichkeit.
Wenn ich den Eindruck habe, dass der Mitdiskutant mich mit einer schwer verständlichen Sprache zumüllt - und es mir auch nach einiger Anstrengung der Sprach-Analyse nicht gelingt, eine logische Notwendigkeit des schwierigen sprachlichen Ausdrucks zu erkennen - sondern eben nur Sprach-Müll, dann tut sich mir der Eindruck auf, dass der Text gar nicht verstanden werden soll, sondern der Autor nur schillern will: Er spielt. Er spielt (vielleicht) den großen Philosophen, den er mal angelesen, aber nicht verstanden hat.

Einstein hatte mal gesagt, dass alle Dinge und Bezüge letztlich einfach sind! Derjenige ist Spitze, dem es gelingt, die Dinge einfach darzustellen...
Es gibt den Unterschied zwischen Rhetorik und (dialogischem) Argument. Rhetorik ist ein Instrument der Überzeugung. Das Argument ein Instrument zur Erkenntnisgewinnung.

Gysi
 
Gisbert Zalich schrieb:
Rhetorik ist ein Instrument der Überzeugung. Das Argument ein Instrument zur Erkenntnisgewinnung.
Gefällt mir sehr gut,

allerdings muss auch beim Überzeugungsversuch darauf geachtet werden, dass die Botschaft

"beim Empfänger ankommt".


Wenn beim Empfänger durch eine allzu schwurbelige Sprache die Aufnahmebereitschaft abgetötet wird,

dann ist das nicht einmal eine gute Rhetorik, ganz zu schweigen von Erkenntnisgewinn.


Das musste auch einmal gesagt werden.

lg nase

[ Ist der Plural von Terminus nun Termini oder Termina ? ]
 
>Jérôme

Jérôme schrieb:
Auf Grund des Ausdrucks nimmt man zwar Wertungen vor. Dies sollte aber nicht daran hindern, Denkinhalte -falls erwünscht- vermitteln zu wollen. So gesehen, ist also 'guter Stil' derjenige, der Kommunikation -falls erwünscht auch mit nicht 'Gleichgesinnten'- ermöglicht und nicht a priori verhindert.
Bin ich bei dir, Jérôme !

Gute Nacht !

Zeili
 
Rhetorische Philosophie

Inhalt und Form sind zweifelsohne gewaltige Begriffe. Sie reichen hinab bis auf die Basis des sprachlichen Zeichens. Denn die Zeichenform findet sich dem Zeicheninhalt gegenübergestellt. Wenn nun der Inhalt erst in der Form ihren Ausdruck finden kann, muss bereits hier einem die Logik eins auswischen. Erst Form ermöglicht Inhalt. Doch Form, wie sie hier bezeichnet wurde, ist Form in raumzeitlicher Differenz. Inhalt kann nur formell bestimmt werden, so dass die Form zum Inhalt wird, der wiederum formell nur bestimmt werden kann usw. Der Abschluss dieser Kette ist nun die Bestimmung der Form, und nicht die Begrenzung des Inhalts. Der Inhalt wird durch die Abschliessung der Form ent-grenzt. Das will folgendes heissen: die vollkommene Form zur Begrenzung des Inhalts fehlt. Die raumzeitliche Differenz ist die Ökonomie der Form, die als Begrenzendes durch den formellen Inhalt ent-grenzt wird, so dass nichts übrig bleibt, als auf der Form zu beharren. Diese Ausführungen sind insofern von Relevanz, als sie darauf hinauslaufen, auf die Problematik der Dynamik der Sprache zu verweisen.

Wenn also davon gesprochen wird, dass etwas so und so ausgedrückt zu werden hat, geschieht folgendes: Von begrenzten Formen, die scheinbar zur freien Verfügung stehen, wird Gebrauch gemacht, um andere zu überreden, einen imaginären Inhalt zu bezeichnen und abzuschliessen, der selbst nur als Ent-grenztes dem bzw. der Sprechenden (von ihm bzw. ihr allein ist hier die Rede) begegnet. Das ist nichts als Rhetorik. Überredung.
Der Inhalt (das Signifikat) fungiert dabei in einer teleologischen Argumentation als Ursprung und Ziel einer Forderung nach „gutem Stil“. Dass diese Qualität („gut“) somit vorab keiner einwandfreien Kontrolle unterliegen kann, ergibt sich aus diesem Umstand.

Interessant ist auch das Argument „Einsteins“, das Gisbert anführt. Es muss somit zutreffen, dass der Herrscher über die Monade (ich betone ‚Monade’, da ich weiter oben von der raumzeitlichen Differenz gesprochen habe, die jedem Verständnis zugrundeliegt), über das reine Signifikat, „Spitze“ ist. Es ist die ex negativo formulierte und aus Unwissenheit angenommene Spitze der Spitzen überhaupt: Gott.
Deswegen erhalten die Ausführungen über die Verständlichkeit (die seit der antiken Rhetorik vorherrschen) auch einen völlig normativen und moralischen Charakter. Doch nur scheinbar: Denn die Rhetorik versucht uns von einem unreinen Standpunkt, von einem „reinen“ zu überzeugen. Diese persuasive Kraft, die der Rhetorik scheinbar eignet, verliert sich in der Ironie – ironischerweise auch nur ein Tropus (zu dem ich weitere Ausführungen unterlasse, da ich keine rhetorische Abhandlung schreiben möchte). Das ist ziemlich folgenreich:
Die Philosophie, die der Rhetorik häufig gegenübergestellt wird (siehe Gisberts Opposition Überzeugung – Erkenntnis), muss selbst in der Ironie ihrer persuasiven Mittel gefangen bleiben. Es bleibt nichts anderes übrig, als den Text, den sie uns darbietet, poetisch (soll heissen: im Prozess des Hervorbringens, transitiv und intransitiv) zu hinterfragen, was bedeutet, dass die Aufgabe des Übersetzens wahrzunehmen ist (auf die schöne Polysemie des Wortes ‚Aufgabe’ sei hier auch verwiesen). ‚Stil’ ist dabei die Metapher für den Stilus, den Wachstafel-Griffel, mit dem Rhetorik-Schüler ihre Täfelchen beschrieben haben: die Spuren dieser Griffel (mit spitzem und stumpfem Ende) sollten dem Studierenden dienen, die Organisation des Textes zu memorieren. Stil ist die Möglichkeit, Hinzufügungen, Tilgungen, Umstellungen im Text zu erinnern, und d.h. Text überhaupt erst als Text wahrzunehmen und zu produzieren.
Es scheint klar, dass genau solche mittelbaren Verhältnisse (es geht um Technik) das Urteil herausfordern, da es darum geht, die Form zu beherrschen. Wo Herrschaft west, ist die Qualität und also das Urteil stets auch präsent: die traditionelle Einteilung der Stilqualitäten sieht demnach auch folgendermassen aus: Puritas, die „Reinheit“, Perspicuitas, die „Klarheit“, Ornatus, der „Schmuck“ und Aptum, die „Angemessenheit“ (manchmal kommt noch die Brevitas, die „Kürze“, hinzu). All diese Kategorien setzen eines voraus, nämlich dass jede Res – jede ‚Sache’ (für Nicht-Lateiner) – eine eigenes nur für sie bestimmtes Verbum hätte. Hier stossen wir wieder auf unsere Opposition von Inhalt und Form und auf eine 'Ethik' (jedes hat einen seiner Singularität entsprechenden gerechten Ausdruck zu erhalten).

Es ist nachvollziehbar, dass jemand vom Stil auf den Inhalt schliesst, wieso auch nicht, jedoch ist es ein wenig heikel, danach tatsächlich permanent an einer Qualität festhalten zu wollen. Für mich gilt, was Benjamin einmal in seinem Aufsatz über das Kunstwerk im Zeitalter seiner Reproduzierbarkeit gesagt hat: „Innerhalb grosser geschichtlicher Zeiträume verändert sich mit der gesamten Daseinsweise der menschlichen Kollektiva auch die Art und Weise ihrer Sinneswahrnehmung.“ – was auch immer „grosse“ geschichtliche Zeiträume sein mögen, die raumzeitliche Differenz ist jedenfalls Bedingung bereits kürzester (persuasiver) Geschichten. Mir erscheint deswegen der grobe Schrei nach Verständlichkeit häufiger als eine Ironie. Eine Ironie, die den Unverstandenen begleitet, der anderen – die er nicht verstanden zu haben scheint – Verständnis (für ihn) mit dem Richterhammer einprügeln möchte. Amen. :engel2:
 
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Neugier schrieb:
Wenn beim Empfänger durch eine allzu schwurbelige Sprache die Aufnahmebereitschaft abgetötet wird,

dann ist das nicht einmal eine gute Rhetorik,
Ja, haste recht, man kann das nicht mal "gute Rhetorik" nennen. Ich hatte auf dem Schirm gehabt, dass der Autor in der Diskussion lediglich bezweckt, als "großer Philosoph" zu schillern - in der Erwartung, dass der Leser sich für - sorry, Kaismoessner - blöde hält. Er will den "Schwarzen Peter", den er möglicherweise empfindet zu haben, (gefühlsmäßig) an einen anderen abgeben...

Gysi
 
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