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Gedanken zum vergangenen Weihnachtsfest

Z

zwetsche

Guest
Hallo allerseits und alles Gute zum Neuen Jahr.

Nun ist es also vorbei, das Weihnachtsfest. Mir hat es ehrlich gesagt zu denken gegeben. Für mich waren vor allem die Tage zwischen den Festtagen aufschlußreich, denn ich verbrachte sie in einer für meine Verhältnisse größeren Stadt.

Eigentlich mag ich das immer ganz gerne, so durch die Geschäfte wandern, CD´s und Bücher ansehen, auch mal von dem reichhaltigen Angebot profitieren, meist gar nicht mal, um alles zu kaufen, sondern es anzusehen, etwas zu schmökern usw..

Diesmal schien mir alles und alle wie von einer Droge aufgeputscht. Die Leute trieben wie im Kokain-Rausch durch die Straßen, überschwemmten die Grabbeltische und Sonderangebote. Alles wimmelte nur so von "Sonderangeboten" und "Schlußverkauf", obgleich der Winter doch erst angefangen hatte.

In einem großen Kaufhaus ist es mir besonders aufgefallen:

Unten: Die Abteilung für Wahnsinnige, es gab Hosen im Angebot, alles auf dem Grabbeltisch und Super-Billig. Dazu ein paar notdürftig aufgestellte mobile umkleidekabinen und Schlangen von Menschen davor. Ich mittendrin, wer weiß, man könnte ja was verpassen, da warte ich gern mal ne Stunde. Schade, ich hätte vielleicht meine aktuelle Größe kennen sollen, dann hätte ich mir die Warterei sparen können, meine Größe (wohl offenbar speziell, obgelich ich weder besonders dick noch dünn bin) war gar nicht dabei.
Also rauf in die

Mitte: Abteilung für gediegene Käufer: Es gab trotzdem Hosen im Angebot. Sogar die gleichen wie unten. Wow, lauter freie Umkleidekabinen und dazu eine nette zuvorkommende Verkäuferin, die für meine smarten Körperformen das richtige Auge hatte. Nach gediegenen Anprobieren habe ich mir eine rausgesucht. Mal schauen, was eine Treppe oben zu finden ist

Oben: Abteilung für Penner und ähnliche: Es gab (immer noch) Hosen im Angebot. Eigentlich gar keine so anderen als unten und in der Mitte. Nur war hier überhaupt keine nette Beraterin. Stattdessen abgewetzte Billig- Umkleidekabinen, kunterbunt und häßlich wie die ganze Abteilung. Billiger als in der Mitte war es eigentlich auch nicht, nur nannte sich das hier "Schnäppchenabteilung" und soll wohl gezielt den "Harz 4" Käufertyp ansprechen. Dazu ein Typ der über Mikro die Leute anspornte, sich dies, jenes und sonstwas auch immer bloß nicht entgehen zu lassen. Und der Knabe war überhaupt nicht freundlich. Und die ganzen armselig unelegant gekleideten nervösen Käufer grabellten schneller und schneller zwischen den Klamotten oder drängten sich an die Kasse.

Jetzt ist bei mir ein Licht aufgegangen. Ich war gar nicht in einem Kaufhaus, sondern in einer religiösen Erweckungsveranstaltung mit dem einzigen Unterschied, daß hier nicht einem Gott oder einem Kind in einer Krippe gehuldigt wird, sondern dem schieren Wahn des Geldes fein säuberlich aufgeteilt im Sinne eines pseudohinduistischen Kastensystems getrennt nach Käuferqualität.

Ich griff mir schnell noch eine Billig Hose, bezahlte an der Kasse gegenüber einer wohl ganz gedrillt unfreundlichen Kassiererin und dann nichts wie raus.

Mein Weg führte mich dann auf den Weihnachtsmarkt. Wen kratzt es heute schon noch, daß die Weihnachtstage normalerweise am 27.12. vorbei sind. Darum geht es hier genausowenig wie bei der Frage, daß auch am 4. Advent der Sonntag verkaufsoffen ist.

Ich weiß: Das was ich hier von mir gebe, ist altmodisch, "innovationsfeindlich", abgedroschen und vielleicht auch naiv. Aber ich beteuere, nicht auf einmal zu einem frömmelnden Otto geworden zu sein, der ohne die alte Weihnachtsromantik nicht auskommt. Ich stelle mir nur die Frage, ob wir nicht längst einer ganz anderen Form des "religiösen" Wahns unterlegen sind, ohne es noch zu merken. Wir finden hier sämtliche Elemente, die wir eigentlich religiösen Spinnern vorwerfen: Plumpe Unterwerfung unter Hoffnungsutopien (z.B. auf das ultimative Schnäppchen), Maßloses Anstreben eines immer höher gesteckten Ziels ("eine CD, Hose, sonstwas muß es noch sein zum Glück") und schließlich das unreflektierte Hinnehmen von Vorgaben und Dogmen (Weihnachten ist nicht mehr ab Heiligabend, sondern beginnt im September in der Aldi-Süßwarenecke und endet irgendwann, wenn der Weihnachtsmarkt nicht mehr lukrativ genug ist).

Und es ist gar nicht so einfach, sich dem völlig zu entziehen, ich war ja mittendrin.


Viele Grüße
Zwetsche

PS: Übrigens, ich hab dann doch noch das ultimative Schnäppchen gemacht. In einem Laden hab ich eine Jacke gefunden, nicht daß ich die zwingend gebraucht hätte, aber: 20 % (!!!). Und die Verkäuferin, eine wahre Hohepriesterin der o.g. Religion hat mich überzeugt, wenn ich gleich drei Teile kaufe gibt es sogar 30 % (!!!!) Rabatt. Ich hätte sogar noch weitere 10 % bekommen, weil ich ja gar noch Geburtstag hatte, wer weiß vielleicht gar weitere, weil´s ein runder war. Dummerweise hatte ich die Kundenkarte erst an dem Tag beantragt. Scheibenkleister.
 
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AW: Gedanken zum vergangenen Weihnachtsfest

Danke dir für deinen wunderbaren Bericht über die nachweihnachtlichen Hosen und ihren Erwerb.

Ja ja, die Hosenanbeterei ist ein weit verbreitetes und Vielfältiges Phänomen unsere Zeit. So zum Beispiel auch ich … lassen wir das!

Andererseits, da dieses Phänomen auch den Kirchen bekannt ist und auch die Gefahr, dass der Mensch, verführbar wie er ist, das Wesentliche dadurch aus den Augen verlieren könnte, wurde die kluge Entscheidung gefasst, dass bei den kirchlichen Würdenträger die Hose unter einem langen Gewand dem schwachen Wesen Menschen verborgen bleibt.

Nachdenkliche Grüße :confused:

Miriam
 
AW: Gedanken zum vergangenen Weihnachtsfest

Hallo Zwetsche,

Weihnachten kann für beide ein "Wahnsinn" sein, für den Verkäufer und für den Konsumenten.
Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich kenne beide Seiten.
Warum wir uns alle gerade zu Weihnachten so hetzen und Konsum-"terrorisieren" lassen, die Frage kann ich auch nicht beantworten.
Mir selbst macht das Einkaufen leider überhaupt keine Freude mehr, weil ich keine Illusionen über den Handel mehr habe.

Im Weinversand habe ich Weihnachten, bei den Kommissionen, so erlebt: Nachdem im ganzen Oktober und auch noch im November wenig Bestellungen eintrafen, war im Dezember "die Hölle" los. Der Handel engagiert in dieser Zeit nur wenige Aushilfen, und wenn, dann sind auch sie im untersten Kostensektor angesiedelt. Das heißt: Die VerkäuferInnen müssen plötzlich einen Mehraufwand an Arbeit bewältigen, bei dem oft nicht einmal feststeht, ob dieser Aufwand entweder durch Zeitausgleich oder Überstundenpauschale ausgeglichen wird. Über sonstige "Praktiken" des Handels möchte ich hier gar nicht schreiben.
Die Kunden verstehen es manchmal, oder aber auch nicht. Bestellungen, die am 23. Dezember eintreffen und bis zum 24. Dezember, möglichst kostengünstig, geliefert werden sollen, sind keine Seltenheit. Und so weiter, und so fort.

Kundenkarten, die Du hier ansprichst, haben eigentlich nur den Zweck, den Konsumenten zu "durchleuchten", seine Kaufgewohnheiten zu erfahren. Dementsprechend gestaltet sich oft das Warenangebot, bzw. die Werbung, die einem dann "zuteil" wird.
Aber eines muss uns immer klar sein: Der Handel hat nichts zu verschenken, und er tut es auch nicht!

Alles Gute im neuen Jahr, und trotzdem viel Freude mit dem Einkauf,

wünscht FirstDay
 
AW: Gedanken zum vergangenen Weihnachtsfest

von Zwetsche:
Jetzt ist bei mir ein Licht aufgegangen. Ich war gar nicht in einem Kaufhaus, sondern in einer religiösen Erweckungsveranstaltung mit dem einzigen Unterschied, daß hier nicht einem Gott oder einem Kind in einer Krippe gehuldigt wird, sondern dem schieren Wahn des Geldes fein säuberlich aufgeteilt im Sinne eines pseudohinduistischen Kastensystems getrennt nach Käuferqualität.

Hmm. Zwetsche macht mich neugierig, ....ich muss endlich wieder mal von meinem Berg herabsteigen und kucken.

Ich stelle mir nur die Frage, ob wir nicht längst einer ganz anderen Form des "religiösen" Wahns unterlegen sind, ohne es noch zu merken. Wir finden hier sämtliche Elemente, die wir eigentlich religiösen Spinnern vorwerfen: Plumpe Unterwerfung unter Hoffnungsutopien (z.B. auf das ultimative Schnäppchen), Maßloses Anstreben eines immer höher gesteckten Ziels ("eine CD, Hose, sonstwas muß es noch sein zum Glück") und schließlich das unreflektierte Hinnehmen von Vorgaben und Dogmen

Mich wundert dabei, dass an den Kassen und Schreibtischen und in den Kostümchen mit den seitlich geknoteten Halstüchern Menschen stecken, die auf mich so dressiert wirken. Man kann sie beschimpfen und sie grinsen. Oder am Telefon. Ich kann jemanden anrufen, ihn ausfragen und egal wie unfreundlich ich bin und nichts kaufen, am Ende sagt der/die immer in soeinem gesungenen Ton „Dankeé“. Ich denke, man kann ihnen auch paar auf die Mütze hauen, sie würden sich bedanken. Ich frag mich langsam, wie das deren Psychotherapeuten auf Dauer aushalten.

Komisch. Früher haben alle gesagt, es ist „nur billiger Fernostplunder“. Sie brauchten es und es ging schnell kaputt. Heute kaufen sie es ohne es zu brauchen als Konkursware oder Sonderposten. Soviele Insolvenzen gibt’s doch garnicht...ob da nicht jemand mim Schiff aus China schummelt? Vielleicht gibt’s ja ein Schiff, was „Konkurs“ heißt? Vielleicht kommet ja auch ein hoher Priester mit von Bord. Man sagt, in den nächsten Tage würde einer die Gäng-Way herabsteigen, mit dem Namen Sai Pfeng Spot Shuh.

Ich muss das prüfen. Und melde mich wieder.
Bernd (Hoffentlich passen die 3 Hosen.)
 
AW: Gedanken zum vergangenen Weihnachtsfest

Also, hier im Forum ist des öfteren von "Selbst-Bewusstsein" die Rede.

Wie fühlt sich denn das an, wenn du im Kaufrausch bist? Was spürst du da von Kopf bis Fuß?

Ist dir bewusst, was du gerade machst? Nämlich Geld für Müll ausgeben?

Ist es dir so stark bewusst, dass du damit aufhören kannst - obwohl "alle anderen" es nicht können?

Wenn ja, dann ist es (noch) nicht zwanghaft.

Wenn nein: fang an, dir Sorgen zu machen. Um dich selbst. Nicht um die anderen.

lg Frankie
 
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