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Unser miserables Bildunssystem

Benjamin

Well-Known Member
Registriert
27. Januar 2005
Beiträge
2.268
Ich finde unser Schulsystem in Österreich miserabel. Das ist meine persönliche Meinung und gründet freilich in meiner eigenen Erfahrung mit diesem System.

Dazu möchte ich vorerst einmal erläutern, welche Schulen ich denn überhaupt besucht habe. Das waren ein Jahr Vorschule, vier Jahre Volksschule (Grundschule), vier Jahre AHS Unterstufe, dann habe ich kurz ein Jahr eine Höhere Technische Lehranstalt (HTL) besucht, um letztlich dann doch nach weiteren drei Jahren AHS-Oberstufe mit Matura abzuschließen. Heute studiere ich Physik.

Ich bin für vieles dankbar, das ich in all diesen Jahren gelernt habe. Das betrifft vor allem das Lesen und Schreiben, sowie Kenntnisse der Mathematik und Englisch. Ich kann heute sagen, dass die erworbenen Fähigkeiten (insbesondere in diesen Fächern) mein Leben ungemein bereichert haben.

Und dennoch würde ich als Resümee unserem Bildungssystem heute eine 4 Minus als Beurteilung geben. Es überwiegt meinerseits allgemein das Gefühl, das ich Jahre meines Lebens verschwendet habe, für Dinge, die ich einerseits schon längst wieder vergessen habe, für Dinge, die mich nie interessiert haben, und für Dinge, die mich zwar interessiert haben, aber der Zugang zu diesen mein Interesse wieder untergraben hat.
Überdies sah ich an mir, aber meist noch stärker an meinen Schulkollegen, dass uns diese Art des Lernens die Kreativität und Unvoreingenommenheit, die wir einst als Kinder besaßen, erstickt hat.

Ich finde es sehr verwunderlich, dass man in einer Zeit, wo das Durchschnittsalter der Bevölkerung erheblich hoch ist und weiter steigt, man noch immer bestrebt ist, den jungen Menschen so viel Bildung wie nur möglich zu verpassen. Das führt natürlich dazu, dass auch das Berufseinstiegsalter der Bevölkerung wächst, gegenüber einer zunehmenden Zahl an Pensionisten. Fragt sich nur, wie man diesen Gegensatz einmal finanzieren möchte. Es ist von dem her auch im wirtschaftlichen Sinne Unsinn, den Menschen hinter die Schulbank zu zwingen.

Aber das nur nebenbei. Der Hauptgrund für mein schlechtes Resümee ist jedoch das Bildungssystem selbst.
Wie erwähnt studiere ich heute Physik. Und gerade hier wurde mir bewusst, was ich im Grunde schon Jahre zu vor geahnt hatte, dass nämlich so vieles, wofür ich mich plagte, aus heutiger Sicht Zeitverschwendung war. Das ist meine persönliche Meinung.
Oh, wie angesehen ist doch Allgemeinbildung in unserer Gesellschaft! Wie toll ist es doch gescheit zu reden, und von allem zu glauben, etwas zu wissen!
Ich kann nur den Kopf schütteln, und bedauere es, so viel Zeit meines jungen Lebens für Sachen aufgebracht zu haben, die so nebensächlich und unwichtig sind. Vor allem in Hinblick auf all das, wofür ich meine Zeit hätte nutzen können.
Wie kurzsichtig waren doch die meisten meiner Lehrer! Bildeten sich ein, so vieles wäre wichtig zu wissen! Im Grunde wussten sie selbst doch nichts. Und sah ich auch junge, kluge Menschen, die in diesem System scheiterten, weil sie nicht der Norm entsprachen. Und es ist auch an der Universität nichts anderes. Geschätzt werden die, die gut nachkauen können. Selbstständiges Denken wird am Rande ein klein wenig gewürdigt, aber letztlich wird man hauptsächlich dafür belohnt, wenn man die Gedanken der Professoren wiedergibt - Gedanken, die auch wahrscheinlich hauptsächlich durch wiedergeben in ihren Kopf gelangt sind.
 
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AW: Unser miserables Bildungssystem

oh benjamin,
ich gebe dir in allem vollinhaltlich recht.
ich ergänze dies alles einerseits darum, dass ich es selbst vor mehr als 25 jahren genau so erlebte...und andererseits darum, dass es gerade eben noch immer so ist - bei meinem 12-jährigen sohn.

konnte es vor 2 jahren einfach nicht glauben, dass sich da nix geändert hatte...außer, dass die lehrer (in der hauptschule wohlgemerkt) auch noch zur "null-bock-riege" gehören.

kein wunder, die haben auf unser bildungssystem halt auch keinen bock mehr - was sie aber nicht daran hindert, es auf mord und brand zu verteidigen...no na, stellt es ja ihre lebensgrundlage dar.

ich persönlich bin überglücklich, dass ein engagierter mann namens andreas salcher diese thema profund aufgegriffen hat in seinem unlängst erschienenen buch "der talentierte schüler und seine feinde".
darin spricht er mir aus der seele.

nach dem heutigen wissensstand in pädagogik und gehirnforschung könnte mensch ganz anderen unterricht anbieten. vom zusätzlich unterstützenden einsatz durch mediale möglichkeiten ganz zu schweigen.

hier sei auch noch vera f. birkenbiehl genannt, welche ebenfalls wichtiges wissen hinsichtlich der unterschiedlichkeit von mädchen und buben erforscht hat. auch dies ist ein überaus wichtiger faktor, wenn jungen menschen wissen beigebracht werden soll.

doch der hauptansatz für mích wäre, die jungen menschen darin zu begleiten, sich in der welt der erwachsenen zurecht zu finden und andererseits ihre eigenen fähigkeiten und talente zu entdecken.
dabei wäre auch die gruppendynamik innerhalb der klassen ein wichtiger umstand, der beachtung finden sollte. die jungen menschen sollten ein breites "spielfeld" vorfinden, in dem sie sich und die anderen kennen lernen könnten.
ach - das alles könnte so viel anders sein.....!

all diese kenntnisse und überlegungen an unseren schülern angewandt würde geradezu eine revolution in unserem bildungssystem zeitigen.
ich hoffe inständig, dass ich diese noch einmal erleben darf.

denn in den letzten zwanzig jahren hat sich einfach gar nix bereicherndes getan...und das sollte nach "adam riese" doch auch einmal anders werden können!

liebe grüße
kathi
 
AW: Unser miserables Bildunssystem

Hallo Benjamin,

ich habe natürlich keinen Schimmer über das Bildungssystem in Österreich, ich vermute aber mal, dass es wahrscheinlich nicht sehr viel besser als das deutsche ist.

Ich stimme jedenfalls mit Dir überein, dass das Bildungssystem miserabel ist. Allerdings nicht in der Hinsicht, wie Du es aufgezeigt hast.

Du magst aus heutiger Sicht zwar korrekt beurteilen, dass vieles von dem, das man Dir beigebracht hat (oder beibringen wollte), unnütz oder unwichtig war. Vermutlich geht das jedem von uns so. Ich habe in meiner Schulzeit acht Jahre lang Russisch eingetrichtert bekommen. Für mich gab und gibt es nichts unnützeres, tatsächlich kann ich heute nur noch auf russisch fluchen, unterhalten könnte ich mich nicht mehr.

Allerdings ist es ein Trugschluss, diesen Umstand als Mangel am Bildungssystem abzutun. Das Ziel dieser Bildung ist es nämlich nicht, dass Du von all diesen Dingen im späteren Leben weisst, sondern dass Du davon eine Ahnung hast. Hierin liegt ein gewaltiger Unterschied.

Um das an einem Beispiel zu verdeutlichen: ich bin wirklich keine Koryphäe was das Thema Evolution angeht oder Biologie im Allgemeinen. In meinem täglichen Leben brauche ich es nicht. Aber ich habe zumindest genug davon behalten um beurteilen zu können, dass der momentan aufkommende Kreationismus-Wahn ein böser Wirrglauben und keine Wissenschaft ist. Hätte ich in der Schule nie etwas von der Evolution gehört, dann könnte ich dieses Urteil heute nicht fällen. Ich wäre vielleicht, in Kombination mit dem Umstand, dass ich vielleicht religiös wäre, sogar anfällig dafür es zu glauben und für Wissenschaft zu halten.

Diese Schulbildung soll den Mensch also nicht zu einem allwissenden Doktor machen, sondern ihm ein zeitgemässes Urteilsvermögen an die Hand geben, mit dem er sich in einer immer komplizierter werdenden Welt zurechtfinden kann und mit dem er in die Lage versetzt wird, Unsinn von Wahn zu unterscheiden.

Der Mangel des Bildungssystems ist ein völlig anderer: es wird nicht gefödert sondern gefordert, es wird nicht belohnt, sondern bestraft. Druck, Auslese und Wettbewerb bilden heute den Alltag in den Schulen. DAS ist der Mangel. Nicht die Menge oder die Art des Wissens, das vermittelt wird.

Im übrigen wage ich zu behaupten, dass Du auf die populistische Kampagne einiger Politiker hereingefallen bist (ich weiss, frech, sorry). Dass das Bildungssystem Mängel hat, ist längst bekannt, aber die Politker sind entweder nicht willens oder nicht fähig, die Probleme anzugehen. Statt dessen werden populistische Methoden angewandt, um es "gesundzuschrumpfen". Lehrpläne sollen "entschlackt" werden. Als ob auf diese Weise mehr Kinder, die Förderung nötig hätten, auch tatsächlich gefördert werden würden.

Das ist ein blindes Herumdocktern an den Symptomen, mehr nicht. Verbessern wird sich dadurch gar nichts (siehe die aktuelle 8-Klassen Kampagne beim deutschen Gymnasium), eher verschlechtern. Das Bildungsniveau wird sinken. Die Kinder werden von mehr Dingen keine Ahnung haben als wir früher.

Ich will Dir zum Schluss noch ein kleines Beispiel geben, was für erschreckende Auswirkungen das hat. Mein Stiefsohn, 17, war in der Realschule in Deutschland. Eines Abends haben wir uns zufällig über den Holocaust unterhalten. Und da hat sich herausgestellt, dass er den Begriff nicht kannte. Ich war entsetzt. Und ich bin es noch. Ich habe das dann natürlich umgehend nachgeholt und ihm die Geschichte des Holocaust so gut ich konnte nahegebracht.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es das ist, was Dir bei einer "Verbesserung" des Bildungssystems vorschwebt. Sollte ich mich in meiner Interpretation irren, dann belehr mich aber gern eines bessern :)
 
AW: Unser miserables Bildunssystem

Hallo xcrypto,

in erster Linie: ich bin sehr froh, dass du hier im Forum wieder schreibst.

Ich gebe dir völlig recht in der Beurteilung des Schulsystems, das sicherlich nicht daran krankt, dass es eine Basis des Allgemeinwissens vermitteln sollte. Dein Beispiel mit dem Kreationismus ist auch sehr gut gewählt.
Und im Allgemeinen: wollen wir denn abseits jeder Kultur existieren?

Das war doch auch das Bestreben der Nationalsozialisten: weg von der Kultur, also von der Vermittlung humanistischer Werte – um den Platz und den Weg freizumachen für ihre verheerende und inhumane Ideologie.
Und es wird immer die Auffassung der totalitären Regime sein, alles was humanistisches Denken ist, als eine Gefahr für die eigene Ideologie zu betrachten. Doch humanistisches Denken abseits der Kultur, gibt es einfach nicht.

Übrigens gibt es heute auch sehr gute Schulen, meine Enkelkinder haben das Glück in einer kleineren Ortschaft eine solche zu besuchen. Ich hoffe, dass das auch im Gymnasium der Fall sein wird.

Das Vermitteln von Wissen und das Lernen nur mit dem Zweck die berufliche Ausbildung bzw. Laufbahn zu unterstützen, ist eben der Schwachpunkt der sich im Schulsystem so langsam bemerkbar macht – im diesen Sinne findet ja auch die Verkürzung der Schulzeit statt.

Xcrypto, dein Beispiel mit dem Holocaust ist erschütternd. Aber das Wissen über den Holocaust passt eben nicht ins Vermitteln von Kenntnissen die allein die berufliche Ausbildung unterstützen soll.

Gruß von Miriam
 
Der Mangel des Bildungssystems ist ein völlig anderer: es wird nicht gefödert sondern gefordert, es wird nicht belohnt, sondern bestraft. Druck, Auslese und Wettbewerb bilden heute den Alltag in den Schulen. DAS ist der Mangel. Nicht die Menge oder die Art des Wissens, das vermittelt wird.

Ja, das ist eine sehr verbreitete Ansicht in der Bevölkerung vor allem unter den älteren Menschen, von denen ich das Gefühl habe, dass sie sich ins Schülersein nicht mehr richtig einfühlen können.
Ich stimme dir schon zu, dass Druck in der Schule ein großes Problem ist. Auslese ist jedoch sicher selten ein angestrebtes Ziel unser Lehrer gewesen. Man will die jungen Menschen nicht selektieren. Das konnte ich zumindest nicht erfahren. Das Problem ist viel mehr, man will den jungen Menschen etwas lernen, was sie in Wahrheit gar nicht nötig hätten. Oder sagen wir besser, es wird etwas gelernt, was nur von zweitrangiger Wichtigkeit ist.
Wettbewerb halte ich auch noch nicht für DAS Problem in den Schulen. Ein gewisser Wettbewerb ist gesund, was wir ja auch von der Wirtschaft wissen. Der wirkliche Unsinn an unserem Wettbewerb in der Schule ist in meinen Augen, dass hier jeder mitmachen muss, auch wenn er darin nicht gut ist.
Es wird immer wieder von Förderung gesprochen. Man muss die Kinder fördern. Ja, Förderung ist gut, aber nicht so, wie man sich diese Förderung hierzulande vorstellt. Es macht keinen Sinn einen begabten jungen Schriftsteller in Mathematik zu fördern. Es macht auch keinen Sinn einen begabten Handwerker in Latein zu fördern. Man soll die Begabungen der Kinder fördern und nicht versuchen ihre Schwächen auszumerzen.
Beschäftigt die Kinder mit dem, was sie gern machen, und nicht mit dem, das sie verabscheuen!

Im übrigen wage ich zu behaupten, dass Du auf die populistische Kampagne einiger Politiker hereingefallen bist (ich weiss, frech, sorry). Dass das Bildungssystem Mängel hat, ist längst bekannt, aber die Politker sind entweder nicht willens oder nicht fähig, die Probleme anzugehen.

Da liegst du aber meilenweit daneben! Ich habe mir schon vor Jahren in all meinem Zorn über dieses Bildungssystem völlig selbstständig Gedanken darüber gemacht, was in meinen Augen falsch ist und was ich persönlich ändern würde. Damals war ich selbst noch Schüler, und die Politik hat mich wahrlich nur am Rande interessiert. Aber warum auch? Hat sich denn die Politik für mich und meine Probleme interessiert? Kaum!
Die Ansätze der Politik sind meiner Meinung nach erbärmlich und sie zeigen mir immer nur, dass die keinen blassen Schimmer mehr davon haben, wie es für Schüler eigentlich ist.

Aber ich frage einmal so:
Wann musstet ihr zuletzt 3x²+8x+2 nach x integrieren? Oder wann musstet ihr das letzte Mal die Strukturformel von Saccharose aufzeichnen? Oder wann musstet ihr den 3. König des römischen Reiches nennen? Oder was ist mit den Merkmalen Babylonsicher Säulen?

Ich will nicht sagen, dass diese Dinge alle unnütz und nichts Wert wären. Jeder, der sich dafür begeistern kann, dem soll auch die Möglichkeit gegeben werden, darüber zu lernen. Aber Kinder ganz allgemein zu zwingen diese Dinge auswendig zu lernen?
Das erachte ich für falsch. Wie verbohrt waren doch unsere Lehrer, die uns mit schlechten Noten dazu trieben, jedes noch so unwichtige Detail zu lernen! Heute weiß ich nichts mehr davon. Und gebracht hat es mir in Summe nicht viel. Wenn ich ganz optimistisch zurück blicke, kann ich vielleicht sagen, dass ich lernen lernte, und erfahren habe, wie man es nicht machen soll.
Verglichen mit den unzähligen Stunden der inneren Zerrissenheit, der Befürchtung, man wäre vielleicht nicht gut genug für diese Welt oder den Bauchschmerzen vor der Prüfung, der Angst auf die Tafel geholt zu werden, den langen Nachmittagen, die man damit zubrachte, mit Furcht zu lernen, man würde nicht genügen, ist es doch herzlich wenig, was ich von dieser so genannten allgemein Bildung davon getragen habe.

Wie oft hätte ich am liebsten den Hut an den Nagel gehängt? Am Gymnasium war ich ein mittelmäßig bis schlechter Schüler, jedoch mehr schlecht als mittelmäßig. Im Studium hab ich bis heute nur gut und sehr gut bekommen. In welcher Relation steht das?
Warum musste ich mich in der Schule plagen und heute geht das alles relativ leicht von der Hand? (Obwohl ein Physikstudium nicht unbedingt zu den leichtesten zählt.)

Der Grund ist der: Jetzt mache ich das, was ich gern mache, das, was ich gut kann, wo meine Talente liegen. Und das wusste ich schon von Beginn meiner Pubertät. Es war auch von dort weg, wo ich mich Tag für Tag ärgerte, dass ich so vieles machen muss, was ich nicht machen will, nur damit ich in einer gewissen Gesellschaft angesehen werde.
Doch alles, was ich heute verstehe, hätte ich mit 15 auch schon verstanden. Wenn ich die Chance gehabt hätte, es zwanglos erklärt zu bekommen, von einem Lehrer, der nicht einem unsinnigen Lehrplan folgen muss, der nicht schimpft und bestraft, sondern nur motiviert, der auch von keinem Maturavorsitzenden beurteilt wird, oh, wie weit wäre ich heute schon! Und wie vieles wäre mir erspart geblieben?
Sicher wüsste ich über das eine oder andere Detail unser ach so klugen Welt nicht Bescheid, aber ich hätte gewiss mehr Freude und mehr Freiheit gehabt. Wäre heute schon auf dem Niveau eines Diplomingenieurs und könnte meine Arbeit beginnen, Steuern zahlen und der Gesellschaft mit Hand und Fuß dienen.

Was hat mehr Wert?

Im Übrigen glaube ich, dass mein Allgemeinwissen gar nicht so sehr darunter gelitten hätte. Denn vieles davon habe ich sowieso auf anderem Wege gelernt, aus privatem Interesse und nicht hinter der Schulbank.
 
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AW: Unser miserables Bildunssystem

Auslese ist jedoch sicher selten ein angestrebtes Ziel unser Lehrer gewesen. Man will die jungen Menschen nicht selektieren.

In Deutschland jedenfalls ist das so. Hierzulande wird nach der 4ten Klasse entschieden, ob der Schüler aufs Gymnasium, die Realschule oder die Hauptschule kommt. Wenn das keine Selektion ist, weiss ich auch nicht. Es ist aber so oder so entsetzlich. Immerhin gibt es in verschiedenen Bundesländern (bzw. an verschiedenen Schulen) Ansätze, diese Selektion abzuschaffen und durch eine 10jährige Gesamtschule zu ersetzen.

Oder sagen wir besser, es wird etwas gelernt, was nur von zweitrangiger Wichtigkeit ist.

Und wer sollte denn entscheiden, was zweitrangig für den jeweiligen Schüler ist? Das ist nicht zu entscheiden, weil man vorher nicht wissen kann ob der Schüler später Ingenieur, Tierpfleger oder Raumfahrer wird. Aus diesem Grund versucht man den Schülern von jedem etwas beizubringen, wohlwissend, dass für die meisten Schüler ein Teil des vermittelten Wissens vermutlich nicht von Nutzen sein wird. Liesse man aber irgendeinen Teil einfach weg, dann bestünde die Gefahr, dass genau dieser Teil einigen Schülern später fehlen wird.

Ich hatte darauf eigentlich auch schon mit dem Beispiel des Kreationismus hingewiesen.

Wettbewerb halte ich auch noch nicht für DAS Problem in den Schulen. Ein gewisser Wettbewerb ist gesund, was wir ja auch von der Wirtschaft wissen.

Dem stimme ich ganz und gar nicht zu. Während der Wettbewerb in der Wirtschaft vielleicht eine zielführende Angelegenheit sein mag, trifft das auf Kinder gewiss nicht zu. Kinder sollen in der Schule vor allem Denken lernen und nicht Kämpfen. Dazu werden sie als Erwachsene genügend Gelegenheit bekommen. Damit unterstützt man nur die Ellenbogengesellschaft, in der jeder Lebensbereich dem Wettbewerb unterworfen wird. Teamgeist, Mitgefühl, Hilfe (um der Hilfe willen) oder Verständnis für Andere bleiben dabei auf der Strecke. Und wenn man sich die Zustände in vielen Schulen heutzutage anschaut, kann man die fatalen Folgen einer solchen Politik sehr anschaulich beobachten. Wettbewerb ist für Kinder das mit Abstand desaströseste was man ihnen antun kann.

Es wird immer wieder von Förderung gesprochen. Man muss die Kinder fördern. Ja, Förderung ist gut, aber nicht so, wie man sich diese Förderung hierzulande vorstellt. Es macht keinen Sinn einen begabten jungen Schriftsteller in Mathematik zu fördern. Es macht auch keinen Sinn einen begabten Handwerker in Latein zu fördern. Man soll die Begabungen der Kinder fördern und nicht versuchen ihre Schwächen auszumerzen.

Kann ich nur unterschreiben, ist genau was ich meinte.

Wann musstet ihr zuletzt 3x²+8x+2 nach x integrieren?

Ich! Ich brauche das praktisch täglich beim Programmieren, ich arbeite nämlich unter anderem als Programmierer.

Oder wann musstet ihr das letzte Mal die Strukturformel von Saccharose aufzeichnen?

Meine Frau. Sie arbeitet in der biologischen Forschung.

Oder wann musstet ihr den 3. König des römischen Reiches nennen?

Auch ich, weil mein Hobby die Antike ist.

Warum musste ich mich in der Schule plagen und heute geht das alles relativ leicht von der Hand?

Du gehst von Dir aus, was zwar nachvollziehbar und verzeihlich, aber nicht korrekt ist. Als Gegenbeispiel darf ich Dir von meiner Schulzeit berichten: mir ist das Wissen immer "zugeflogen". Ich habe nie Hausaufgaben gemacht, ich habe nie zu Hause gelernt, ich hatte nie vollständiges Unterrichtsmaterial dabei, ich war der Klassenkasper und Unruhestifter. Aber. Wenn ich aufgefordert wurde, an die Tafel zu gehen, hab ich's gemacht und der Lehrer musste mir zähneknirschend eine 1 geben.

Trotz allem habe ich mein Ziel, Physik und Astronomie in Jena zu studieren nicht erreicht, ich habe eine Lehre gemacht. Und warum? Weil ich a) faul war und b) trotz meiner offensichtlichen Talente weder daheim noch in der Schule gefördert wurde.

Ich will dass das klar ist: ich gebe niemandem die Schuld daran, ich betrachte mich letztlich immer noch als meines eigenen Glückes Schmied. Und es ist ja trotzdem was aus mir geworden.

Aber Deine obige Aussage ist jedenfalls nicht richtig. Sie mag auf Dich zutreffen aber bestimmt nicht auf alle Anderen.

Sicher wüsste ich über das eine oder andere Detail unser ach so klugen Welt nicht Bescheid, aber ich hätte gewiss mehr Freude und mehr Freiheit gehabt.

Und die Unwissenden werden die Glücklichen sein ... :)

(oder wie ging der Spruch, ich bring ihn nicht mehr zusammen, hätte ich doch nur besser in Literatur aufgepasst...)

Lieben Gruss, xcrypto
 
AW: Unser miserables Bildunssystem

Liebe Leute!

Ich war drei Jahrzehnte lang Lehrer und habe so unser Schulsystem von beiden Seiten kennen gelernt.
Als Kind ging ich gern in die Schule und später war ich Lehrer von ganzem Herzen.
Österreichs Schulen, Schüler und Lehrer sind so schlecht nicht, und ich bin stolz meinen Beitrag geleistet zu haben.

Mit freundlichen Grüßen
Raphael
 
"...aber geh - so schlimm ist es nun wieder auch nicht!"

...das macht mir einfach keinen spaß mehr!

dieses ewige herumstreiten und seinen standpunkt verteidigen.
dieses herumdiskutieren und beharren.
dieses "okay, für dich war´s vielleicht nicht so doll - aber für mich hat´s gepasst."

ist es denn noch immer nicht sichtbar genug, dass wir menschen ganz verschieden sind?...und ganz verschiedene bedürfnisse haben?

dass das, was für den einen passt, für den anderen grottenschlecht sein kann?
dass das argument "na für mich war´s nicht schlimm." kein argument für all jene sein kann und darf, für die es eben NICHT PASST?

unser schulsystem kann und darf sich nicht länger an jenen bemessen, für die es "kein problem" darstellt.
es MUSS sich an jenen messen, die darüber scheitern!!!


...und das sind nicht wenige.
raphael, ich bin davon überzeugt, dass du das weißt...
auch wenn ich dir glaube, dass du ein lehrer mit herz und seele warst, und für viele kinder eine vertrauensperson, so kannst du doch sicher auch zustimmen, dass die grundstrukturen unseres schulsystems für das gros unserer kinder nicht die allerbesten sind, um aus ihnen selbstbewusste, gescheite und zufriedene erwachsene zu machen.
doch gerade das sollte doch der bildungsauftrag der schulen sein, finde ich.
und dieses sollten sie auch nie aus den augen verlieren.
die wahrheit jedoch ist, dass sie diese sicht noch nie SO gesehen haben.
da wird nur gelehrt und geprüft. sonst nichts.
für was und für wen?......das wird gar nicht so genau angeschaut. hauptsache alle kinder werden da durch geschleust.
manche schaffen´s ja auch...und die anderen hätten sich halt mehr anstrengen sollen.

.....................................

mir geht es wahnsinnig auf den geist, dass bei einem heute schon augenscheinlichen missstand in unserer gesellschaft nach wie vor verteidigt und beschönigt wird.
nur weil es für manche kinder nicht "schlimm war".

auch zu meiner zeit und in meiner klasse gab es kinder, die sich gerne durch positive noten hervorhoben. die als klassenbeste glänzen wollten. und die den allgemeinen tenor vorgaben...dafür war von "klassengemeinschaft" keine rede...aber dafür war ja auch gar keine zeit. damals.
und heute erlebe ich das in meines sohnes schule ganz genau so.

jetzt kann man sagen: "na gut, die kathi hat da halt ein persönliches thema drauf...das ist ihreigenes traume, ihre eigene angelegenheit!"
"na gut. - aber warum haben wir dann so viele schulabbrecher, analphabeten, jugendkriminelle und komatrinker heute?...etwa weil für unsere kids alles getan wird, was gut für sie ist?"

so lange wir unseren erfolg als gesellschaft nicht an jenen messen, denen der erfolg selbst versagt bleibt, sind und bleiben wir BARBAREN.

das ist meine persönliche meinung.
und zu mehr haben wir´s trotz unserer erforschung des alls und der saccharose nicht gebracht.

traurig aber wahr!
 
p.s.: entschuldigt meine emotionalität!
aber beim thema kinder platzt mir halt gleich der kragen.
weil ich´s einfach nicht mehr mit an sehen kann, wie mit ihnen verfahren wird.
und zwar nicht von den "unfähigen eltern", die "halt keine kinder hätten kriegen sollen"....sondern von fachkräften und bezahlten "pädagogen", von hauptberuflern und bildungspolitikern.
 
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AW: Unser miserables Bildunssystem

Hallo Kathi!

Ich bleibe dabei, ich war gerne Lehrer und würde es wieder werden wollen.
Und zwar nicht in irgendwelchen Alternativ-Schulen, sondern in ganz normalen österreichischen Bildungseinrichtungen.

Ich glaube nicht an Systeme, ich glaube an Menschen.

Mit freundlichen Grüßen
Raphael
 
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