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Skateboarding

Benjamin

Well-Known Member
Registriert
27. Januar 2005
Beiträge
2.268
Es ist nicht nur ein Sport, es ist eine Jugendkultur.
Von manchen auch als Kunst oder gar Lebensweise/Lebenseinstellung verstanden, das Skateboarden.

Als jemand, der ich selbst 8 Jahre mit Herz und Seele Skateboard gefahren bin, möchte ich hier ein wenig darüber erzählen. Aber nicht so sehr über den Sport sondern viel mehr über die Lebensweise und -Einstellung, die ich persönlich damit verbunden habe.


In dem Video sehen wir einen Profi-Fahrer, der dem Anschein nach mit wenig Mühe das Stück Holz unter seinen Füßen ganz nach seinem Willen zum Tanzen bringt.
Man muss hier aber dazu sagen, dass es keine feste Verbindung zwischen Schuhen und Board gibt. Jede Kraftübertragung geschieht rein über Reibung. Allein das Springen mit dem Skateboard - der sogenannte Ollie - ist eine bestimmte Bewegung der Beine, die beim Springen so ausgeführt wird, dass das Brett durch Reibung mit nach oben gezogen wird.
Damit man einige Zentimeter mit dem Skateboard springen kann, bedarf es für gewöhnliche Tage oder sogar Wochen des Übens. Wer dann einmal über eine liegende Mülltonne springen will, muss Jahre üben.

Doch üben allein reicht nicht aus, um das zu schaffen, was man hier am Video sieht. Es ist viel mehr als nur körperliche Geschicklichkeit beim Skateboarden gefragt. Es ist vor allem eine geistige Haltung notwendig, um solch extrem gute Kontrolle über das lose Stück Holz unter den Füßen zu bekommen.
Ich habe gelernt, dass Üben nichts nutzt, wenn man sich vor dem Sprung fürchtet. Späterstens hier habe ich über das Skateboard gelernt, dass Furcht nicht nur schützen kann. Sie kann auch fesseln und behindern.

Es ist für viele unverständlich, töricht oder dumm, über 15 Stiegen zu springen und dabei nicht einmal einen Helm zu tragen. Doch wer so denkt, versteht die Sicht eines Skateboarders nicht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Angst für mehr Verletzungen sorgt, als das Fehlen von Schützern.
Will man einen Trick stehen, darf man nicht daran denken, was passieren könnte, wenn es nicht gelingt. Man darf genau genommen gar nicht denken, während eines Trickes. Die wirkliche Herausforderung im Skateboarden besteht darin, sich zu konzentrieren und alles herum zu vergessen. Wenn man sich dem Ziel genähert hat, läuft alles von selbst ab. Man darf bis zum Schluss die Konzentration auf das Board nicht verlieren.
Ich bin heute noch der Ansicht, dass dabei eine geistige Verbindung mit dem an und für sich leblosen Ding entsteht. Nur so - wenn man praktisch mit der Sache verschmilzt - kann man eine so große Kontrolle über das Skateboard erreichen, wie im Video oben zu sehen.

Entscheidend ist die Fähigkeit Furcht abzulegen und an sich zu glauben. Wer Schützer trägt, der glaubt nicht an sich und ist von Furcht beherrscht, so die Einstellung des Skaters. Die Fähigkeit Furcht zu überwinden, geht mit der Fähigkeit einher, Dinge loszulassen, anders gesagt: Über sie zu stehen.

Hierin findet sich ein Ventil für den jugendlichen Trotz. Die tiefsitzenden Hosen sollen zeigen, wie locker man das Leben nimmt und wie sehr man über den Erwartungen anderer Menschen steht.

Wenn ich so zurückdenke, war es eine wunderschöne Zeit: Wir lebten noch im Elternhaus und wuchsen in eine Welt, die wir oft für so verrückt hielten. Eine Welt, die wir irgendwie nicht wollten, auf die wir aber trotzdem angewiesen waren. Am Skateboard war diese Welt nicht von Bedeutung. Es war uns egal, was die Menschen über uns dachten. Wir machten uns nichts aus wunden Händen und offenen Ellenbogen. Wir hatte auch keine Angst vor Verletzungen, vor dem Asphalt oder von dieser seltsamen Welt, in der wir einen Platz suchten.
 
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Was hab' ich als Mutter eines Skaters gelitten. Ich konnte gar nicht hinschauen, wenn er mit den Board die Straße vor unserem Haus, die leicht abschüssig ist, hinunter raste, über die Gehsteigkante sprang und die Angst, daß er stürzt und sich schwer verletzt schnürte mir oft die Kehle zu.
Ich war hin und hergerissen zwischen Angst und Bewunderung. Die Angst war oft stärker und ich versuchte von "hinten herum" ihm eine weniger gefährliche Sportart schmackhaft zu machen. Am liebsten hätte ich ihm das skaten verboten. Oder ihn gezwungen Helm, Ell- und Knieschützer zu tragen.
Aber er war so unbefangen, so überzeugt davon, daß er unverwundbar war.
"Mama, mir passiert schon nichts" war immer seine fröhliche Antwort, wenn er meine Angst bemerkte.
Durfte ich ihm den Glauben an sich selbst und seine Fähigkeiten nehmen?
Die Antwort, die ich mir selbst gab, war eindeutig nein.
Da ich zu dieser Zeit Trainerin im Turnverein war, beschloß ich meinen Sohn in diesem Sport noch härter "heran zu nehmen" um seine Körperbeherrschung und das Gleichgewicht zu trainieren.
Ich bemerkte erst viel später, daß in dieser Zeit meine Angst vollkommen verschwand und ich mich mit ihm über jeden noch so kleinen Erfolg freute.

Wesentlich schwieriger war, mich mit der "eigenwilligen" Bekleidung anzufreunden.
Wie oft mußte ich mußte ich die Frage, warum ich meinen Sohn "in so unmöglichen Klamotten" rumlaufen lasse, beantworten. Was mir natürlich sehr schwer fiel, da ich es selbst nicht verstand.
Aber ich akzeptierte es. Diese Hosen, (die aus mir bis heute unerklärlichen Gründen beim Gehen nicht runterrutschen), diese T-shirts, die an ihm hängten als hätte er sie dem Nachbarn, der 130 kg wog und 2 m groß war, von der Wäscheleine gestohlen. In meinen Augen sah er aus wie eine Vogelscheuche, aber er war die liebenswürdigste und fröhlichste Vogelscheuche die ich kannte.
Aber Zwang und Verbote waren nicht so mein Ding, also ließ ich ihn rumlaufen wie er wollte und verteidigte ihn gegen Gott und die Welt. Und die Lehrer.

Heute weiß ich, es ist eine Lebenseinstellung. Und ich bin froh, daß er sie hat.

lg.eule
 
AW: Skateboarding

Haha, der Benjamin tut auch skateboarden :)))
sehr fein!
Ich fahre selbst seit ewigkeiten, bin aber leider nicht mehr so aktiv wie früher...
Hab schon vieles verlernt.
Hier ein kleines video von freunde und mir...

Was mir noch in deiner Beschreibung fehlt ist die notwendige Vorstellungskraft welche die Körperbeherrschung optimiert. Erst wenn man sich einen Trick mental vorstellen kann, sprich, eine genaue Vorstellung darüber hat wie man sein Körpergewicht, die Balance und die Bewegungen durchführen muss, erst dann kann ein Trick erfolgreich durchgeführt werden.
So "auf gut Glück" schwere Tricks auszuführen kann sehr weh tun :))
Wie du natürlich richtig sagtest bedarf es auch sehr viel Mut und Konzentration...
Skateboarding ist nicht umsonst eine Extrem-Sportart.

Ich weiss nicht ob du das Skateboardgeschehen auch heute noch aktiv verfolgst, zB auf www.berrics.com, aber ich muss sagen das mir die heutige Skatephilosophie gar nicht gefällt!
Die gesamte Skateszene ist der Dekadenz verfallen, kommerzialisiert und unehrlich/schauspiel. Alles strebt einem perfekten Ideal zu, statt das jeder seinen eigenen Style entwickelt und verwirklicht.
Ein zweiseitiger Aspekt dieser Entwicklung ist, dass die Skateboarder und Videomacher immer mehr Wert auf Kreativität legen.
Meiner Meinung nach ist das gut und schlecht zugleich, denn einer seits freue ich mich über kreative Tricks und Videos, aber andererseits kommen mir dann die Skater nur noch als Schauspieler vor. Die Natürlichkeit und die Liebe zum Sport geht verloren.
 
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hey ihr 3,
danke für die einblicke in euer denken und tun.
ich bewundere daran v.a. euren mut, die risikobereitschaft und die ausdauer.

toll!
kamma was lernen.

...und das video aus gloggnitz ist super!!! :zauberer2
 
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