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Sehnsucht? Aber wonach?

Bernd

Well-Known Member
Registriert
3. Mai 2004
Beiträge
8.643
Liebes Forum,

warum werden die Menschen von pompösen Zeremonien, Machtdemonstrationen, bunten Roben und Mützchen, goldenen Kathedralendächern, riesigen Hallen, marmorbestückten Säulen und Böden, heroischer Musik oder Ritualen, die scheinbar gar nicht mehr in unsere Zeit passen, so magisch angezogen und in ein „Größengefühl“ versetzt. Ich verstehe den Zusammenhang nicht. :rolleyes:

Nicht nur in religiösem Zusammenhang merkt man das ja, sondern beispielsweise auch in Hotels oder auf Veranstaltungen, Konzerten, ja selbst im Fußballstadion. Die Menschen mögen eine perfekte Inszenierung von unermesslicher Macht und Reichtum. Sie erwarten inzwischen sogar eine eigenartige Perfektion. Warum?

Die Menschen wissen, dass sie in dem Spiel, also als Hotelgast, als Gläubiger, als Zuschauer, als Hochzeiter, als Politiker oder geistlicher Kongressdelegierter eigentlich nur eine Nebenrolle spielen und dass ihnen all der Reichtum nicht wirklich gehört. Aber warum fühlen sie sich in dieser Atmosphäre so pudelwohl?

Viele Grüße
Bernd
 
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:jump1: Meiner Meinung nach spielt da ein DAZUGEHÖREN-WOLLEN ,
ein IN-DER-MENGE-AUFGEHEN , und ein SICH-NICHT-EXPONIEREN-MÜSSEN
eine große Rolle.

Die Wurzeln dazu sind: "Ich bin nicht allein.", "Was uns allen gefällt, ist sicher richtig." und daher brauche ich mich nicht eigens definieren und für mich selber stehen.
Da gibt´s den Schutz aus der Menge. Da fühle ich mich sicher. Da gibt´s klare Richtlinien. Da kenne ich das Pro und Kontra.

Ich glaube, dass solches Verhalten in gewissen Entwicklungsstufen des Menschen sehr wichtig ist (siehe Bandenverhalten in der Volksschule).

Bei weiterer Reife lässt das dann merklich nach. Da geht´s dann um den eigenen Selbstwert und die Eigendefinition.
 
Im religiösen und auch politischen Kontext gibt es auch häufig gewisse Ansprüche an Transzendentalität, der Glaube an etwas "wahres" und gültiges.

Was den Papst angeht, würde ich heute aber eher auf die Show tippen, das "etwas erleben". Eigentlich viel zu banal, um sich an dem Gedanken wirklich zu erfreuen...

cf
 
Hallo Kathi und Coeur froid,

Ich glaube, dass solches Verhalten in gewissen Entwicklungsstufen des Menschen sehr wichtig ist (siehe Bandenverhalten in der Volksschule).
Das verstehe ich nicht. Warum soll Bandenverhalten wichtig sein? Und warum soll „Dazugehörenwollen“ ein Zwischenschritt zu Individualität sein?
Sind Rückenschmerzen und anschließende Bandscheiben-OP nicht eher Entwicklungsschritte hin zur Frühverrentung, als zur körperlichen Befreiung? :engel2:

Im religiösen und auch politischen Kontext gibt es auch häufig gewisse Ansprüche an Transzendentalität, der Glaube an etwas "wahres" und gültiges.
Den Satz verstehe ich auch nicht, zumindest nicht den Zusammenhang mit meinem Thema. *heute etwas auf dem Schlauch steht* :brav:

Ich meinte eher...warum fühlen sich die Menschen in diesen Inszenierungen und dem Glanz so wohl. Ich würde es garnicht mal so weit wegschieben...die meisten Menschen die ich kenne, mögen es, wenn sie in einem luxuriösen Hotel wie Könige behandelt werden, aber warum? Ob sie dabei für einen Augenblick am Glanz ihrer ICH-Ideale schnuppern? Oder verleiht es dem Menschen eine Illusion von Macht oder Aufmerksamkeit? Oder bedeutet der vorgespielte Reichtum und Glanz „etwas Allgemeingültiges und Wahres“, diesen Zusammenhang z.B. verstehe ich auch nicht.

Bernd
 
Hallo Bernd!
Vielleicht liegt es daran, dass sich manche Menschen sehr unbedeutend fühlen. Wenn sie in einem Hotel wie Könige behandelt werden, fühlen sie sich größer und wichtiger. Wenn man das alles nur als Zuseher genießt, sonnt man sich wenigstens ein bisschen im Abglanz der wahren Großen.
Jemand der im Licht der Öffentlichkeit steht und dem auch noch gehuldigt wird, der MUSS einfach etwas besseres sein als ein gewöhnlicher Mensch.

Ich kann es für mich auch nicht nachvollziehen, aber ich kann mir vorstellen, dass es so wie eben beschrieben sein könnte.

herzlich
lilith51
 
Also mich macht es eher etwas nervös oder unsicher, wenn ich in einem Hotel übertrieben höflich behandelt oder bedient werde.
Ich hab dann ständig die Befürchtung, dass ich mich blamieren könnte. :schaukel:

Aber dass sich Menschen so gerne diese pompösen Großveranstaltungen, wie königliche Hochzeiten, Beerdigungen, Galas und Preisverleihungen ansehen, das mag daran liegen, dass sie diese "Lichtgestalten" auf eine Art bewundern, sie aber auch gleichzeitig beneiden. Sie wissen doch, dass sie den Sprung in diese Gesellschaftsschicht nie schaffen werden.
Schauen sie sich das Ganze aber im Fernsehen an, dann fühlen sie sich höchstens als ein Mitglied der Millionen Menschen, die ebenfalls vor ihren Fernsehern sitzen oder als einer von denen, die fotografierend und um Autogramme bettelnd vor den Konzerthallen, Stadien oder Kirchen stehen.

Spaß macht es doch auch, wenn man hinterher über diese Promis, deren mißlungenes Outfit oder Speckrollen lästern kann.

Sich diese Glanz- und Gloriaveranstaltungen anzusehen ist für mich gleichbedeutend mit dem Lesen dieser gräßlichen Klatschzeitungen.

Rhona
 
Gruppenverhalten und Individualisierung

Hi Bernd,
hab`tatsächlich bei meiner Antwort eher auf die "massenpsychologische" Wirkung abgezielt und nicht Deine Frage nach dem Pomp und Zauber herausgehört.
Möchte dennoch dazu meine Gedanken darlegen.
Bernd schrieb:
Das verstehe ich nicht. Warum soll Bandenverhalten wichtig sein? Und warum soll „Dazugehörenwollen“ ein Zwischenschritt zu Individualität sein?
Sind Rückenschmerzen und anschließende Bandscheiben-OP nicht eher Entwicklungsschritte hin zur Frühverrentung, als zur körperlichen Befreiung? :engel2:
Ich glaube, dass das "Dazugehörenwollen" ein Zwischenschritt zur Individualisation ist, weil mir dies aus der Entwicklung des Menschen heraus auffällt:

Das Kleinkind befindet sich zu Beginn seines Lebens in totaler Abhängigkeit von seiner Umgebung. Ungefragt werden sämtliche Anschauungen und Verhaltensmuster übernommen. Die Autorität der Autoritätspersonen wird nicht angzweifelt. In der Gruppe sucht das Kind Geborgenheit und erwartet, dass alle seine Bedürfnisse befriedigt werden.

Mit der ersten Wahrnehmung der ICH-Identität fängt erstes Aufbegehren an.
Das Kind weist immer wieder auf seinen eigenen Willen hin. Auch die Trotzphase fällt da hinein. Dennoch wird in "Gefahrensituationen" der Schutz der Vertrauenspersonen gesucht (no na!)

Mit größerer Individualisierung (die häufig mit dem Schulalter zusammenfällt) merkt das Kind, dass es auch andere Gruppierungen als die gewohnte familiäre gibt. Gleichgesinnte (Spielkameraden) werden gesucht und gefunden. Es taucht die Frage auf "Bist Du mein Freund?". Das Kind wählt sich seine Partner aktiv und lernt die eigene Macht kennen ("Du bist nicht mehr mein Freund.")
Schutz vor Angriffen (und die gehören nun auch ordentlich dazu) bietet nun vorrangig die gewählte Gruppe (=Bande).
Dies ist auch dafür hilfreich, um die gewohnten Autoritätspersonen (Eltern, Lehrer) in Frage zu stellen und herauszufordern.
Dennoch wird das Dazugehören zur gewohnten "Sippschaft" (=Familie und Umfeld) absolut nicht in Frage gestellt.
Wohl werden die Grenzen ausgelotet - doch nur um sich bessere Freiräume zu schaffen.

Mit dem Einsetzen der Sinnfragen "Was soll das Ganze?", "Wer bin ich?" wird auch die ursprüngliche gewohnte Gruppe und deren Regeln und Normen in Frage gestellt.
Bei konsequenter Infragestellung des bekannten Systems ist die "totale Vereinzelung" die Folge. Der Mensch kommt drauf, dass er bei allen Entscheidungen immer wieder auf sich selbst gestellt ist. Ein Dazugehören zu einer Gruppe scheint nicht möglich, da immer wieder Gewissenskonflikte gegenüber dogmatischen Verhaltensregeln entstehen.
Die innewohnende Angst vor dieser Vereinzelung kann zur Suche von doch noch passenden Gefährten und Gruppen sein, wobei deren Spielregeln dann in der Folge nicht gerne in Frage gestellt werden, weil sonst----> Vereinzelung droht.

Erst mit dem Mut, zu sich selbst zu stehen, hört das große Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu einer größeren Personengruppe auf. Vielmehr werden die Verhaltenskodices und Dogmen als viel zu einengend erlebt.
Stattdessen werden in späterer Folge allmählich Gleichgesinnte gefunden, mit denen individuelle Gemeinschaften möglich sind.

Bernd schrieb:
Ich meinte eher...warum fühlen sich die Menschen in diesen Inszenierungen und dem Glanz so wohl. Ich würde es garnicht mal so weit wegschieben...die meisten Menschen die ich kenne, mögen es, wenn sie in einem luxuriösen Hotel wie Könige behandelt werden, aber warum? Ob sie dabei für einen Augenblick am Glanz ihrer ICH-Ideale schnuppern? Oder verleiht es dem Menschen eine Illusion von Macht oder Aufmerksamkeit? Oder bedeutet der vorgespielte Reichtum und Glanz „etwas Allgemeingültiges und Wahres“, diesen Zusammenhang z.B. verstehe ich auch nicht.
Deine eigene Antwort auf Deine Frage passt mEn vollkommen zu meiner Ansicht.

Solange jemand Inszenierungen von Pomp und Glanz huldigt; sich gerne im Licht von anderen sonnt (Fanverhalten) oder sich zeitweise im Luxus schwelgend wie ein König aufführen muss, zeigt das für mich, dass dieser Mensch sich nicht voll und ganz getraut, zu sich selbst zu stehen - und seinen eigenen Wert und seine eigene Größe noch nicht kennt.
Ist das einmal erreicht, sind "falsche" Inszenierungen nicht mehr nötig.

Wann welches Verhalten und welche Sicht beim jew. Menschen einsetzt ist individuell sehr verschieden. Manche Menschen bleiben hinsichtl. ihrer sozialen Entwicklung ihr Leben lang "Kinder".
Andere individualisieren sich so früh, dass ihnen Gruppenzwang seit sie denken können suspekt ist.

Ich persönlich habe die Teilnahme an Großveranstaltungen schon immer als kindisch empfunden.

Und die "königliche" Behandlung in Hotels ist mir insofern zuwider, als ich nicht will, dass manche Personengruppen andere Menschen "bedienen" müssen.
Im Falle von gegenseitigem Gutes tun habe ich allerdings gegen Luxus keinerlei Bedenken.
Und ich muss zugeben, dass ich in meinem Leben einen gewissen Luxus und Lebensstandard nicht vermissen möchte. Dies soll jedoch nicht zu Lasten von anderen gehen. :kuss3:

Jedoch erfordert die Toleranz auch die Kenntnisnahme, dass nicht alle anderen das genauso sehen müssen wie ich.
Und auch wenn ich diesen Personen zugestehe, anders zu denken, richtet sich mein Verhalten nicht nach deren Anschauungen, sondern lediglich nach meinen eigenen Grundsätzen und eigenen Gefühlen.

So - aber jetzt reicht´s mit Schwofeln.
lg Kathi :winken1:
 
Sehnsucht nach sich selbst

T´schuldigung, hab die Quintessenz zu Deiner Frage vergessen:

Sehnsucht nach dem Erkennen des eigenen Wert und Stehen zum eigenen ICH, zur eigenen Größe.

Das ist meine Antwort (hast sie aber ja selbst schon gesagt).
 
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sensationsgeil

Das hängt auch heute viel mit den Medien ab. Die Menschen heutzutage sind – ich nenn es mal – ‚sensationsgeil’. Wenn man sich die Nachrichten mal etwas kritischer anschaut merkt man (finde ich), dass die in erster Linie Sensationen liefern und alles als wahnsinnig ‚spektakulär’ darstellen. Und so wie die Medien das rüber bringen, ist es meiner Meinung nach auch kein Wunder, dass die Menschen diese „Sensationen“ miterleben möchten.

shirin
 
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