Für Euch gelesen. SALZBURGER NACHRICHTEN 22.10.03
Die Grünen als Dritte Kraft
22. Oktober 2003
DER STANDPUNKT
ANDREAS KOLLER
Mit der Bildung einer schwarzgrünen Koalition hat der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer nicht nur politisches Neuland betreten, sondern auch persönliche Ohrfeigen verteilt.
Die eine Ohrfeige galt SPÖ-Landeschef Erich Haider, der Pühringer im Landtagswahlkampf mit ortsunüblicher Schärfe attackiert hatte. Die andere galt Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, dessen Privatisierungspolitik Pühringer einen glanzvollen Wahlsieg gekostet hatte. Haider wie Schüssel wollten die schwarzgrüne Koalition verhindern. Haider wie Schüssel wurden von Pühringer mit Missachtung bestraft. Die Grünen wurden vom Landeshauptmann nicht (nur) aus politischem Kalkül, sondern (auch) aus persönlicher Kränkung zur Regierungspartei geadelt.
Für die Reputation der Grünen auf Bundesebene hat dies ungeahnte Konsequenzen. Und damit auch für künftige Koalitionsbildungen. Denn die Argumentation des Bundeskanzlers, er sei im März dieses Jahres zur Bildung der schwarzblauen Regierung genötigt gewesen, weil die Grünen leider nicht regierungsfähig seien, ist nicht mehr schlüssig: In Linz wurde das Gegenteil bewiesen. In Wien hingegen wird Tag für Tag vor Augen geführt, dass es die Freiheitlichen sind, die nicht regierungsfähig sind.
Die jüngst vollzogene freiheitliche "Neuaufstellung" (Zitat Jörg Haider) wird daran nichts ändern. Denn die FPÖ verfügt nunmehr über nicht weniger als fünf formale Chefs: Steuerreform-Chefverhandler Jörg Haider; Vizekanzler Hubert Gorbach; die geschäftsführende Parteichefin Ursula Haubner; den nominellen Parteichef Herbert Haupt; und den "Koalitions-Koordinator" Dieter Böhmdorfer. Im Vergleich zu dieser Führungsstruktur waren die Grünen selbst in ihren chaotischbasisdemokratischen Anfängen eine klar strukturierte Truppe, und es gäbe keinen Anlass, von den heutigen Grü-nen mehr Koalitionsturbulenzen zu erwarten als von den heutigen Freiheitlichen.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet ein ÖVP-Landeshauptmann die Grü-nen aus der Schmuddelecke holt, in die sie von der ÖVP gestellt worden sind. Im Nationalratswahlkampf hatte die ÖVP das Wort von den Haschtrafiken geprägt, welche im Fall einer grünen Regierungsbeteiligung an jeder Stra-ßenecke eingerichtet würden. Einzelne Grüne wurden als "Marxisten" abgestempelt. In den Koalitionsverhandlungen waren die Grünen von der ÖVP Wolfgang Schüssels als unverlässliche Kantonisten vorgeführt worden. Pühringer hat jetzt bewiesen, dass es auch anders geht.
In Österreich gibt es mit heutigem Tag eine Regierungspartei mehr. Die Grünen müssen nun beweisen, dass sie es tatsächlich sind. Dann haben sie die Chance, die Freiheitlichen als Dritte Kraft abzulösen.
© SN.