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Psychologie als Zwischenlehre

Bernd

Well-Known Member
Registriert
3. Mai 2004
Beiträge
8.643
Liebes Forum.

Oft beschreiben Psychologen, dass ihr Patient inzwischen wieder einer geregelten Arbeit nachgeht, bzw. eine bessere Position bekommen hat, dass er inzwischen in einer Beziehung ist, bzw. (erneut) die Ehe eingegangen ist... „inzwischen beschwerdefrei“ oder er „kann damit besser leben“ oder er nimmt wieder am gesellschaftlichen Leben teil oder er ist für sich und andere keine Gefahr mehr. Oder aber, der Klient oder Lehrgangsteilnehmer oder Gruppenthera-teilnehmer hat inzwischen bedeutend mehr Selbstbewusstsein und „leidet nicht mehr unter der Behinderung/Erlebnissen/Gewicht/Krankheit...“. Lauter solche Formulierungen.

Eine Grundsatzfrage währe m.E., ist die Psychologie eher eine Lehre, die den Menschen in der Gesellschaft “funktionstüchtig machen“ will/kann. Oder ist es eine Lehre, die als Maßstab den Menschen und seine ganz persönlichen Gegebenheiten wirklich unterstützt, die ihm zeigt, wie er ist, dass er ist und wie er die Welt erkennen kann, ohne Milchglas. Auf dem Okular der Psychologie ist bereits ein Fadenkreuz und kleine Fähnchen.

Bringt sie den Menschen zu einem leichten und zufriedenen Leben oder bringt sie ihn zurück an das Halsband der Gesellschaft. Oder noch geistloser, innerhalb der Gesellschaft "oben auf".

Ich bin mir nicht im klaren, ob sich jeder vorstellen kann, was es „außerhalb der Gesellschaft“ so schönes geben kann. Nennen wir es doch mal „das was ist“. Ich weiß, ich klinge sicher wieder nicht kompliziert genug, aber ich sag das bewußt so. Ohne eine neue Lehre ein neues Schema ins Spiel zu bringen.

Und wäre es dann nicht sinnvoller, die Psychologie hilft dem Menschen, das zu sehen und zu erleben, was er ist und was da ist, anstatt ihn einer Vorstellung einer Norm, einem Entwicklungsstand näher zu bringen oder ihm zu sagen „dir wird es besser gehen, wenn du meinem Schema/Ritual/philosophischen Konstrukt vertraust“.

Verlangt der Psychologe nicht eigentlich vom Patienten, dass dieser ihm glaubt? Liegt die Psychologie dann nicht näher an der Religion als an etwas wirklich neuem?

Ist die Psychologie noch keine Lehre, die den Menschen behutsam befreit? Oder will sie nur den gescheiterten Glauben durch einen neuen ersetzen.

Mir scheint heute, dass Psychologie noch eine sinnvolle Vorstufe ist, die leider sehr schnell, wie Religion und Pädagogik zur Ausbeutung und Vergrößerung der eigenen Seifenblasen benutzt wird...die noch zu sehr vom „ich weiß was für dich gut ist“ belastet ist. Den Aberglauben des Schemas lässt sie noch nicht los, weshalb sie m.E. noch nicht weit führt.

Mit freundlichen Grüßen
Bernd
 
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AW: Psychologie als Zwischenlehre

hallo bernd,

also ich hatte schon psychologen und muss echt sagen das bis auf einen die anderen nie mir einen weg vorgaben, ihren fragen waren eher so, das wenn ich was erzählte und eine antwort vom psychologen wollte dieser nur sagte:"was glauben/meinen sie denn?" oder bei fragen über ängste, wurde immer nur hinterfragt:"wovor haben sie angst, was könnte denn im schlimmsten falle passieren?" und so weiter.

der psychologe ist eher wie ein menschlicher spiegel der dich immer wieder auf dich zurück wirft ohne zu bewerten oder zu urteilen.

aber es gibt ja verschiedene richtungen der behandlung und so kann es natürlich schon sein dass es welche gibt die nur vorschläge machen und einen weg vorzeigen, die wäre aber ziehmlich übel und nicht gerade patienten freundlich.
dann würde ich auch sagen es sind scharlatane die einen leicht verwirrten oder kranken menschen nur wieder in die otto-normal-norm pressen wollen, damit er wieder "richtig" funktioniert in dieser gesellschaft.

lg binchen
 
AW: Psychologie als Zwischenlehre

hallo,

ich denke, zum psychologen bzw psychiater geht man, wenn man leidet
die aufgabe des arztes ist es, das leiden zu vermindern oder gar zu beenden
die ursachenforschung ist von relevanz, nicht aber die schuldfrage
d.h. es hülfe nichts, wenn der psychologe seinen patienten überzeugt, dass er selbst eh "in ordnung" ist, er aber außerhalb der praxis, in der gesellschaft, leidet

der mensch als soziales wesen ist körperlich, aber insbesondere psychisch davon abhängig, in einer gesellschaft integriert zu sein
dabei bedarf es eines gleichgewichtes zwischen "ich bin wie ich bin" und "ich bin so, dass ihr mich akzeptiert"
deswegen finde ich die unterscheidung zwischen "in der gesellschaft funktionstüchtig machen" und "seine ganz persönlichen gegebenheiten wirklich unterstützt" als antagonisten nicht angebracht
vielleicht ist es ja des patienten wunsch, in der gesellschaft funktionstüchtig zu sein, dadurch anerkannt zu werden, ein selbstwertgefühl zu haben, usw....

eine psychologische "therapie" gegen den willen des patienten, so wie du sie vielleicht im auge hattest, lässt sich schwer durchführen
wenn der patient nicht will, hat der psychologe keine chance

ich denke nicht, dass der psychologe *verlangt*, dass der patient ihm glaubt
was aber würde mich als patienten dazu bewegen zu einem psychologen zu gehen, dem ich nicht vertraue ?
stelle ich mein auto in eine werkstatt, deren arbeitnehmer ich nicht vertraue ?
ist deshalb automechanik ebenfalls eine religion ?
dabei verstehe ich auch nicht den passus "Liegt die Psychologie dann nicht näher an der Religion als an etwas wirklich neuem?"
schließen sich religion und das attribut "neu" aus ?

psychologie als therapieform hat nicht als ziel einen glauben zu schaffen, sondern, wie schon eingangs erwähnt, leiden zu lindern oder gar zu beenden

so wie die medizin insgesamt, ist psychologie keine exakte wissenschaft
innerhalb der medizin vielleicht sogar der teil, der am wenigsten exakt ist
das liegt aber nicht an der herangehensweise, sondern in der vielfältigkeit der forschungsobjekte
ein aberglaube ist etwas völlig anderes

lg,
Muzmuz
 
AW: Psychologie als Zwischenlehre

schönen tag.
ja, ich glaube, es sollte bei der menschenhilfe - und ich kann als psychotherapeut nur für meine ansichten der psychotherapie sprechen - nicht um die funktionstüchtigmachung für die gesellschaft (wirtschaft, firma, eltern, partnerIn...) gehen - darauf weise ich auch auf meiner webseite http://www.therapeut.at hin, denn dann kann ich mich gleich "coachen" lassen, mich hochtrimmen zum leistungssuperfunktionierenden.

in der psychotherapie soll es darum gehen, den platz sich zu erobern, damit die frage wirklich platz hat: was will ich? und da kann rauskommen, was ich, der suchende, der schauende will. und da darf rauskommen, was immer es ist. auch wenn wir massiv von den umwelteinflüssen beindruckt sind, kann da beim hinschauen rauskommen: ich will groß und stark werden, in dem ich supermanager, superärztin, superanwalt etc. aber es darf auch rauskommen: ich will mich im wirtschaftsleben zurücknehmen, damit ich mehr zeit für ... habe.
deswegen empfehle ich jungen leuten in eine solche psychotherapie zu gehen, denn die meisten menschen sind mit 30 jahren bereits wirtschaftlich dermaßen "eingebettet", daß man von freiwillig gewählter gefangenschaft sprechen muß.
also: mit 50 jahren ist es gut ein stück sein leben ändern zu können, mit 20 jahren haben wir noch viel mehr die möglichkeit gewaltig zu verändern.
 
AW: Psychologie als Zwischenlehre

Hallo,

ich kann Binchens Erlebnis bestätigen, wenn auch nur aus zweiter Hand.

Um in der Gesellschaft zu "funktionieren" eignet man sich Abwehrmechanismen an, die selbst nicht leicht zu durchschauen sind und zu ernsthaften seelischen Erkrankungen führen können.
Der Psychologe hat die Aufgabe, seine Patienten aus diesen wieder herauszuführen.

LG
v
Himmelblau
 
Thread-Neuauflage mit abweichender Themenstellung:

Mir ist gestern was aufgefallen.
Psychologen sind oft sehr geschickt in die Gesellschaft integriert, spielen das Spiel erfolgreich mit. Sie äußern sich so gut wie nie zu gesell. Missständen, nie politisch, sie riskieren nichts, mischen sich nicht ein, weder öffentlich, noch privat. Mir fiel auf, dass die gegenwärtigen gravierenden gesell. Veränderungen von 2 Psychologen, die ich kenne, garnicht wahrgenommen werden.

Stöbert man in psychologischen oder therapeutischen Foren, merkt man, dass auch auf der Seite der Behandelten systemkonforme Ansichten tief verankert sind. Also so tief, dass ich gestern erschrocken war. Schaut man sich nun die Vorträge des Hochstaplers Gert Postl an, der als gelernter Postbote 1,5 Jahre unerkannt als leitender und hoch geschätzter Oberarzt in einer Psychiatrie arbeitete, und liest man, wie diese Leute so sind, dann gruselt es einen. Von Gutachtern, die Gefälligkeitsgutachten wie im Zusammenhang mit G. Mollath schreiben, reden wir erst garnicht.

Mir ist noch nie so deutlich geworden, was im Umkreis der Psychologie so abläuft. Ist das nicht eigentlich eine ihrer Grundausrichtung nach systemstabilisierende Einrichtung, die die Menschen nicht etwa freier macht, sondern alles darauf anlegt, willige Systemsklaven zu erzeugen?

Bernd
 
DIE Psychologie gibt es gar nicht, Bernd!
Vielmehr gibt es auch in der Psychologie die unterschiedlichsten Theorien, Richtungen, Methoden und Intentionen.
Je unangepasster und tiefer, desto unbekannter sind sie.
Wen wundert 's?
 
Kann man sagen, dass sie genauso wie die Kirche geschickt den Eindruck erweckt haben, sie seien die guten. Sind es aber nicht!
 
Naja, das alte Spiel mit der Verallgemeinerung. Irgendein Löwe wird sicher auch Vegetarier sein. Es geht um das Milleu.
 
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