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Oh über die Gerüche der Kindheit

M

majanna

Guest
Oh über die Gerüche der frühen Kindheit!


Lacht mich aus – haltet mich für eine sentimentale alte Kuh – aber:
ich muss das noch einmal loswerden, bevor ich bald wieder auf Achse gehe:


Vor ein paar Tagen wollte mir eine Bäurin hier bei uns am Dorf etwas in ihrem Keller zeigen.
Wir stiegen die Treppen hinunter und:
Ich war wieder vier bis fünf Jahre alt, in dem Dorf meiner Großmutter, ich schaue vom Kellereingang, was die Oma, die Tante und noch Frauen so tun. Sie stampfen mit hocherhobenen Röcken und nackten Füßen in einem Fass herum, es riecht modrig und sauer.
Oma erklärt mir später, dass das, was ich gesehen habe, Sauerkrautstampfen war.

Ich liege im Gras. Neben mir Kohlenhalden. Die Ziege, auf die ich aufpassen soll, frisst malmend neben mir irgendetwas Grünes. Ich starre in den Himmel. Ich sehe Türme, Hexen, Zauberfahnen. Es riecht so „grün“ und so“heimatlich“ vertraut. .Heute weiß ich, dass es die Kohlenmonoxyddämpfe der nahe gelegenen Kokserei war.

Und immer, wenn ich seitdem von solchen oder ähnlichen Gerüchen überfallen werde, habe ich eine Begegnung mit dem kleinen Mädchen, das ich einst war.


Es scheint so zu sein, dass in der Kindheit die Welt ganz unvermittelt auf der Gefühlsebene begreifbar wird.

Was sagt Ihr dazu?

Marianne
 
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Ich habe irgendwo gehört, dass von all unseren Sinnen der Geruchssinn derjenige ist, welcher die grösste Macht hat, beim Menschen Erinnerungen hervorzuholen. Ich kenn das von mir selbst, wenn ich irgendwo durch Zufall einen ganz bestimmten Geruch von Rahm, Erdbeeren und Aprikosen rieche, dann bin ich auf der Stelle wieder 4 Jahre alt, nehme die noch leeren Plastikförmchen zur Hand in welcher meine Mutter selbst Eiskrem herstellt.

Oioioi, nur wenn ich daran denke, werde ich nostalgisch...
 
@ Marianne,

Und immer, wenn ich seitdem von solchen oder ähnlichen Gerüchen überfallen werde, habe ich eine Begegnung mit dem kleinen Mädchen, das ich einst war.

...ach von wegen sentimentale alte Kuh...

Wenn du so deutlich spürst, dass "es" da ist, vielleicht kannst du diese gerüche dann nutzen, wenn du mit ihm in Verbindung treten willst. Vielleicht hast du dann leichter zugang zu ihm...ich finde das ein schönes Experiment für jemanden, der noch oder wieder keinen Zugang zu dem Kind hat, es aber möchte, eben z.B. auf die frischgemähte Wiese, unter die Apfelblüten oderin das alte Treppenhaus des Elternhauses setzen. Es klappt manchmal erstaunlich gut, vermutlich weil "es" sich da so wohl fühlt. es "redet" manchmal, wenn man sich in dem Moment viel zeit nimmt und sich entspannt, wie von selbst...erstaunlich, was diese Gerüche bewirken können.

Viele Grüße
Bernd
 
Ach entzaubernde Wissenschaft!
Wie immer gibt sie eine banale Erklärung ab: Die Nerven des Geruchszentrums liegen nämich besonders dicht neben dem Zentrum für Langzeiterinnerung.
Oder so eine ähnliche Erklärung war es, die ich mal las.

Über meine neue Heimat Potsdam sagte ich einmal: Hier riecht es so, wie meine Kindheit hätte sein sollen...
nein, stimmt nicht, ich sagte es ein bisschen anders.
Aber was soll's? :dreh:
 
Danke, dass Ihr, fckw, Bernd und Robin Euch meines Gedankens angenommen habt.

Dir, fckw scheint es ja mitunter auch so zu gehen wie mir. Du sagst, Du nimmst sogar die Plastikförmchen in die Hand, wenn Du Rahm, Erdbeeren und Aprikosen riechst. Da scheinst Du ja sogar den Tastsinn zu erinnern.
Aber - viielleicht liegt der ja auch neben dem Langzeitgedächtnis.

Ich bezweifle nicht diese Erkenntnis der Humanbiologen, frage mich allerdings,
wieso es uns - na mir wenigstens - nicht gelingt, Gerüche über den Kopf herzuzaubern.Ich kann noch so intensiv an z.B. den Mief der Klassenzimmer, den Schulmief denken, rieche ihn aber nicht. Hingegen, selbst wenn ich mit verschlossenen Augen ein Schulgebäude betrete, " rieche" ich Große Pausen, Schweißfüße,Butterbrote usw..

Könnte diese Beobachtung von mir nicht auch Ursachen haben, die in der Evolution zu finden sind.
Übers Riechen konnte der Neandertaler / der homo erectus vielleicht noch nicht reden, erriechen muste er aber sein Jagdwild unbedingt. Das musste ganz schnell gehen - sonst war das Wild weg - und die Gruppe hatte Hunger.Die Realebene liegt eben immer über der Metaebene.


Du, Bernd, bringst mich wieder, ich möchte mal sagen, mehr auf die Ebene des Unbewussten.
Deinen Gedanken der Begegnung mit dem "Es" kann ich viel Sympathie entgegenbringen, erklärt er mir doch viel mehr die Tatsache, dass "Riecherlebnisse" nicht auf Kopfbefehl rückerinnerbar sind.Eben auch die Tatsache, dass es Möglichkeiten gibt - Meditation z.B. -, sie erinnerbar zu machen.

Na ja, Robinke, es freut mich, dass die " böse" Wissenschaft desillusioniert.Schließlich ist es ja durchaus im Sinne der "Erhellung" der Welt, alles ganz genau zu wissen.


PS: Welche Potsdamer Gerüche meinst Du?
Kommen Dir beim mitunter schon musikalischen Knacken der Kienäppel im rtockenen, harzigen Geruch der Kiefernwälder Musiktexte in den Sinn?
Wenn Du am Ufer der Havel liegst- an nichts denkst- hörst Du das ganz leise Ufergeräusch und riechst das leicht faulige Wasser dieses trägsten aller Flüsse der Mark?

In diesen Momenten braucht`s die Wissenschaft nicht - auch wenn es gut ist, mit ihrer Hilfe cool zu sein.


Danke euch dreien

Marianne :) :winken1:
 
guten Morgen,
vermutlich hat die Geruchserinnerung auch einen starken Einfluß auf das seelische Befinden. Bin kein Psychotherapeut, aber ich kann mir gut vorstellen, daß hier eine Möglichkeit zur Behandlung psychischer Schäden besteht.
Auf jeden Fall weckt auch bei mir der Geruch bestimmter Dinge angenehme Assoziationen. Selbstgemachter Gelee und Marmelade sowie Sauerkraut lassen meine schönen Kindheitserinnerungen ständig gegenwärtig sein. Ich halte die Traditionen aufrecht und fühle mich sauwohl dabei.
Gruß Blitz2
 
Grüß Dich Blitz 2 in unserer Riecherrunde!


Marmeladekochen habe ich zwar mehr aus der Sicht der Köchin erlebt, im Hochsommer auch schwitzend am Herd - aber meinen Kindern ist dieser Geruch sicher Kinheitserlebnis.
Im Ernst: ich denke auch, dass die positiven Gerüche der Kindheit den Menschen irgendwie zu sich bringen. Ob aber und in wie weit man diese Tatsachen auch therapeutisch nützen kann, entzieht sich meiner Kenntnis.
Freundliche Grüße

Marianne
 
Gerüche wecken Erinnerungen, aber auch wenn ich einen "alten", "wichtigen" Gegenstand wieder mal in der Hand halte, der mit vielen Erinnerungen verbunden ist, glaube ich, den Geruch, der damals in der Luft lag, wahrzunehmen. Das ist unheimlich schön aber auch lästig. Einerseits wird man auch an Sachen erinnert, die man lieber vergessen würde und andererseits wird man so zum "Lumpensammler" :rolleyes: .

Ob man Sauerkrautgeruch therapeutisch einsetzen könnte, bezweifle ich. Tschuldigung, aber für mich hängt er nur wie eine nasse Sportsocke in der Luft, die Präferenzen sind sicher individuell, kulinarisch und erinnerungstechnisch würde ich mich spontan für einen frisch gebackenen Berliner mit Aprikosenmarmelade entscheiden. Aber die Aromatherapie ist mind. seit der Antike bekannt. Da waren doch die Griechen, die Römer und auch die Araber geradezu verschwenderisch damit. Räucherungen und ätherische Oele kannte man gar schon "vor Christi". Aufzeichnungen über die Heilwirkung findet man auch bei Hippokrates, obwohl der Name "Aromatherapie" erst im 20. Jahrhundert auftauchte, als der franz. Chemiker Gallefosse in Grasse (in der Nähe von Cannes) mit verschiedenen Pflanzenessenzen und ätherischen Oelen zu experimentieren begann und darüber unter "Aromatherapie" ein Buch geschrieben hat. Heute ist Grasse das wichtigste Handelszentrum (weltweit) der ätherischen Oele nicht nur für die Parfümindustrie, sondern eben auch für therapeutische Zwecke und Lebensmittelindustrie.
Die stimulierende Wirkung dieser Oele kennen wir alle, ohne Esoteriker zu sein: Dufttherapie für Räume *lol*, Duftbäder, Duftkerzen, Körpermassagen mit ätherischen Oelen, Inhalationen, Kompressen, Wickel... Wellness eben. Alles, was unser Wohlbefinden steigert oder herstellt. Warum also nicht die Düfte verwenden, die auch noch mit schönen Erinnerungen verbunden sind? Verdampfen, verdünsten lassen, einreiben - wenn es nichts nützt, so schadet es wenigstens auch nicht!

:autsch:
 
majanna schrieb:
Ich liege im Gras. Neben mir Kohlenhalden. Die Ziege, auf die ich aufpassen soll, frisst malmend neben mir irgendetwas Grünes. Ich starre in den Himmel. Ich sehe Türme, Hexen, Zauberfahnen. Es riecht so „grün“ und so“heimatlich“ vertraut. .Heute weiß ich, dass es die Kohlenmonoxyddämpfe der nahe gelegenen Kokserei war.

Und immer, wenn ich seitdem von solchen oder ähnlichen Gerüchen überfallen werde, habe ich eine Begegnung mit dem kleinen Mädchen, das ich einst war.


Es scheint so zu sein, dass in der Kindheit die Welt ganz unvermittelt auf der Gefühlsebene begreifbar wird.

Was sagt Ihr dazu?
Das einzige, worauf ich mich - mit meinen 55 Lenzen - spontan erinnern kann (was zu meiner frühen Kindheit zählt), ist, dass ich von einem Polizisten(!) mit seinem Motor-Roller üerfahren wurde und mit einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus kam - ist ausgeheilt :).

Mein erster Geruch - lass' mich nachdenken - Sauerkraut-Nockerl.

Du schreibst, Du gehst auf Achse. Ich hoffe, dass die "Achse" Dir auch etwas Vergnügen bereitet und freue mich schon darauf, dass Du Dich dem Denkforum wieder widmest.

Gute Reise - well travel (?) or have a good journey(?) - Bon voyage !
 
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Hallo, Celine!


Ich weiß schon: Aromatherapie uns so. Winters vertreibe ich mir mein miesen Gefühle ebenfalls mit allerhand Duftstofferln, die über der Wachsfunzel beruhigend vor sich hin duften.

Meist muss ich allerdings höllisch aufpassen, dass ich diese Funzel auch vor den Zubettgehen lösche - und - schwupps, die Erleuchtung ist weg.


Darum ging es mir eigentlich mit meinen Kindheitsgerüchen. Erklärung folgt: hihi

Bei der Aromatherapie wird ja ein Zustand herbeigeführt, der das Zusichfinden erleichtern soll: sozusagen: zweckgebunden.Wenn ich aber " von Gerüchen überfallen werde", so ist das völlig unabsichtlich.
Blitzartig bekomme ich Zugriff auf Bereiche von mir, die mir nicht präsent waren. Ich habe ja gar nicht gemeint, dass diese Erinnerungen immer positiv besetzt sind. Sie werden eben olfaktorisch übermittelt.


Halo, Zeilinger!

Warum eigentlich so militärisch? Hast Du netter Mensch nicht auch einen netten Vornamen oder einen vornamenähnlichen Nick?

Auf Achse war ich schon und werde es ab 5. September wieder sein. Stichwort: Wohnmobil :jump1:


Ich musste grinsen, dass einer Deiner frühen Kindheitsgerüche ebenfalls mit Sauerkraut zusammenhängt.
Fast wäre man versucht: Ich esse gerne Sauerkraut und tanze gerne Polka....
zu singen.
Wenn es bei mir nur stimmte, das mit dem Sauerkraut. Polka tanze ich allerdings sehr gerne. Und da trifft es sich ja prima, dass Deine Gehirnerschütterung schon ausgeheilt ist.
Legen wir mal eine Sohle aufs Parkett des Forenraumes?

Fröhliche Grüße Euch beiden

Marianne :winken1:
 
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