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nach jahren wieder gelesene bücher

diewege

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14. Februar 2008
Beiträge
4
einst - und das ist bei mir sehr weit zurückliegend - verschlang ich literatur. in der tat hat das frühe lesen eher mich verschlungen und mich weitaus mehr für´s leben geprägt als alles wirkliche, mehr als das was man erziehungs- und umwelt(feld)einflüsse nennt. denn keine schulstunde hat mich je annähernd erreicht, es sei denn, dass ich aus langeweile lesen und schreiben lernte und dort der anfang allen übels begann.

kurz vor dem 14. lebensjahr kam ich in eine lehre, die mir meine sprachlosigkeit bewusst machte. denn ich wuchs in einem umfeld auf, wo nur die sprache der gewalt zählte, kurz: im sozialen brennpunkt. meine lehre ( lehrling ) war für mich ein paradiesischer zustand, es gab plötzlich vorbilder, und das buchstäblich verkörpert durch lebendige personen, deren unterschiedliche fähigkeiten ich wie ein verdurstender in der wüste als lebensrettend empfand. eines der fünf vorbilder, die einzige frau, schenkte mir ein kleines buch mit zitaten ( Goethe ), kurz darauf "Der Kleine Prinz" - meine freude über diese ersten bücher und die weiteren anregungen jener frau waren phänomenal in der langzeitwirkung.

so wunderbar wie ich es damals empfand, in sprache, in schriftsprache denken zu lernen, so unheilvoll waren die spätfolgen. denn meiner illusion, durch das intensive LESEN ( und alsbald auch selbst schreibend ) irgendwann lebenstauglicher, nämlich lebensfroher zu werden, dieser ebenso naiven wie aufrichtigen denkbewegung widersprach das wirkliche leben auf´s heftigste; verbunden mit schmerzhaften erfahrungen und vielem irrlichtern auf der suche nach einem strohhalm, mit dem ich untertauchen und lange unter wasser bleiben, atmen, vor irgendwelchen phantomen der angst eine geraume zeitlang unbemerkt, von der wirklichkeit unbehelligt bleiben könne.

um hier und jetzt mit abruptem zeitsprung die lesbarkeit etwas zu erleichtern, ein enormer sprung - zurück zum titel.

habe nach jahren absoluter leseunlust wieder angefangen, gerne, aufmerksam und konzentriert zu lesen -; ohne konzentration, ohne hingabe, ohne sich - auf die sprache eines jeden buches - einzulassen, wäre das viele lesen auch nicht mehr als eine allzu beliebige projektion, aus gewohnheit. so wie manch einer ohne tageszeitung kein frühstücksgefühl haben kann, auch wenn nur noch schlagzeilen für bruchsekunden das auge strapazieren. ein automatismus? unbewusst wird selektiert, das ist umso notwendiger, je größer die diskrepanz zwischen wunschdenken und gedankenlosigkeiten unsere sinne abstumpfen. was noch bewusst wahrgenommen, aufmerksam gelesen wird, mag am beispiel der tageszeitung völlig egal sein. manch einer liest vor der arbeit nur und immer nur BILD, ein anderer vielleicht sogar stets in einem neuen buch. auf dem weg zur arbeit besteht LESEND weniger die gefahr des bewusstwerdens von tatsachen.
kurzum, ein vorausdenken kann ebenso ärgerlich sein wie ein nachhaltiges klagen über vergangenes. besonders wenn man genau weiss, ahnt, was am arbeitsplatz verlangt wird.

gedankensprung:

habe in den letzten wochen viele bücher gelesen, einige nach vielen jahren wieder gelesen. was mich erstaunt hat, ich erinnerte mich sogar nach jahren noch an einzelne wörter ( ja: wörter ) und an die substanz eines buches, dessen nachhaltige wirkung auf mein "weltbild". in ein weltbild spaziert man ja nicht ohne weiteres hinein und wieder hinaus.
doch das ende eines jeden buches erschien mir fast immer unbekannt, längst vergessen; vielleicht aus einer unbewussten haltung heraus, um der vorstellungskraft noch genug spielraum übrig zu lassen?

um den unterschied zwischen leben und literatur nicht als ermüdungserscheinung abzutun, dem staunen - trotz mehr sinn für die realität als einst die flucht vor der angst - noch immer genug freiraum zu lassen.

punktum.
 
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AW: nach jahren wieder gelesene bücher

Zähle uns doch, wenn Du magst, einige der Titel der Werke auf, die Du " wiederentdeckt" hast.

Ich finde, das ist ein sehr interessanter Einstieg für eine wie mich,
die nie aus dem Lesehunger rausgefunden hat ..
ne Lesesüchtige, halt
 
AW: nach jahren wieder gelesene bücher

Zähle uns doch, wenn Du magst, einige der Titel der Werke auf, die Du " wiederentdeckt" hast.

Ich finde, das ist ein sehr interessanter Einstieg für eine wie mich,
die nie aus dem Lesehunger rausgefunden hat ..
ne Lesesüchtige, halt

nach anmeldung und antwort senden bin ich angeblich nicht angemeldet. das nervt. hatte den text immerhin kopiert, also nochmals ein 2. versuch
.
hallo Marianne,
nun, ich nenne einige, die ich wieder gelesen habe ( nicht chronologisch ):
1984, Schöne neue Welt, Dostojewski "Die Sanfte", Raimund "Der Verschwender", Lesskow "Der Gaukler Pamphalon", Büchner "Lenz", Eichendorff "Aus dem Leben eines Taugenichts", Musil "Die Amsel", Huxley "Schauet die Lilien", Th. Mann: Erzählungen, Nietzsche: Werke I, - alte Kursbucher 1974-1985 - um nur das zu nennen.
NEU: Christa Wolf "Der geteilte Himmel", Paulo Coelho: "Veronika beschließt zu sterben.
"Das Leben von Martin Luther" ( ausgabe 1845 ).
2x gelesen: Bernhard Rammerstorfer: "Nein statt Ja und Amen - Leopold Engleitner - 100 Jahre ungebrochener Wille" ( einer der ältesten Holocaust-überlebenden - habe ihn und B.R. 2007 in Buchenwald persönlich kennengelernt ).

diese auswahl gelesen zu haben, entspricht jedoch nicht dem, was ich eingangs sagte, dass lesen nicht lebenstauglicher macht.
d.h. nach langer leseunlust lese ich gerne, ohne mich vom beeindruckenden inhalt "verschlungen" zu fühlen ;-)

lg dietmar
 
AW: nach jahren wieder gelesene bücher

Danke für Deine Antwort...

Ja, an Dostojewskis "Sanfte" erinnere ich mich auch... irgendwie hat mich der Text sehr traurig gemacht ....
die große Sinnlosigkeit - das ist überhaupt der nachhaltigste Eindruck von der Literatur Dostojewskis in mir...
dieses Sich-nicht-Wehren-Können !!!! Ich zähle für mich Dostojewski zumindest in die Gruppe der existenzialistischen Epiker....

Ich werde - von Dir angeregt - diesen Text wieder einmal lesen..
 
AW: nach jahren wieder gelesene bücher

hallo, diewege!

stimmt, wenn man wieder alte bücher liest macht das spaß, man erinnert sich, was man damals gedacht hatte bzw. wie man da zu der zeit vom verständnis so war. ich hab das erlebt bei "Der Gesellschaftsvertrag" von Rousseau und bei Hesse "Unterm Rad".
 
AW: nach jahren wieder gelesene bücher

Hallo,
auch ich hab zuletzt diese Erfahrung gemacht. Habe eine Zeitlang nur Krimis gelesen (von Henning Mankells "Wallander" hab ich alle Bände), kürzlich fiel mir dann mal wieder "Leutnant Gustl" von Arthur Schnitzler in die Hände, über den ich vor 7 Jahren im Schulunterricht ein Referat hielt.

Seitdem hab ich wieder einen anderen Zugang zur Literatur bekommen, wobei es mir Romane im inneren Monolog geschrieben besonders angetan haben. Neben besagtem Gustl hab ich noch Joyce's "Ulysses" im Schrank stehen, den ich nie weiter als bis Seite 600 gelesen habe. Wenn ich Bernhards "Auslöschung" in ein bis zwei Wochen abgeschlossen habe, möchte ich nochmal an "Ulysses" herangehen.

Gruß Felix
 
AW: nach jahren wieder gelesene bücher

hallo, inntranetz!

würde ich dir empfehlen, weil du sicherlich grad an der stelle aufgehört hast, wo es undurchsichtig und sprachlich total verzerrt wurde. aber dieser abschnitt lohnt sich, wenn man die sprachliche virtuosität eines james joyces lesen will.
 
AW: nach jahren wieder gelesene bücher

Stimmt,
es wurde irgendwann ziemlich wirr, aber ich hab auch davor schon Seiten übersprungen, die mir damals zu wirr erschienen.

Ist im Nachhinein, nach der Lektüre Schnitzlers, Regeners, Bernhards und schließlich Joyce doch mal ganz interessant, die Vielfalt bei der Darstellung des inneren Monologs zu sehen.

Inntranetz
 
AW: nach jahren wieder gelesene bücher

Ich habe mir W. G. Sebald wieder vorgenommen; bin nach "Schwindel. Gefühle." und "Die Ausgewanderten" nun in "Die Ringe des Saturn" - und nach wie vor begeistert von seiner kunstvollen Verbindung der Fiktion mit Historie in einer bemerkenswert eigenen Sprache...
www.wgsebald.de
 
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AW: nach jahren wieder gelesene bücher

Ich bin eigentlich, seit ich lesen kann, Viel-Leserin. Und nicht nur Klassiker, auch moderne Sachen les ich sehr gerne, allen voran Terry Pratchett, Neil Gaiman, Alan Bennett, und noch einige mehr aus dem englisch-sprachigen Raum. Auf der deutschen Seite fehlt mir da manchmal auch die Auswahl - wieder was von Schlink, noch ein Buch von Kehlmann? Gerade die beiden gehen mir mittlerweile schon was auf die Nerven. ;)

Aber zurück zum Thema: Letztens habe ich nach ziemlich genau zehn Jahren The Catcher in the Rye wieder gelesen. Ich hatte das im Englisch LK in der Schule gelesen, und mit sechzehn Jahren fand ich das sehr nervig, redundant, und einfach nur bescheuert. Zehn Jahre später hatte ich dann doch einen anderen Zugang zu der Seelenwelt des Protagonisten. Auch wenn ich immer noch einige Szenen nicht ganz so toll finde, hat mich das erneute Lesen doch nachdenklicher gemacht als vor zehn Jahren.

Und wenn es ein Buch gibt, das wunderschön beschreibt, wie sich durch regelmäßiges Lesen das Weltbild erweitert, wie sich der Geist öffnet, dann ist das The Uncommon Reader (dt. Die souveräne Leserin) von Alan Bennett. Ich liebe dieses Buch, so viel urkomischer feiner Humor, und dabei sehr tiefsinnig.
 
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