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Methylphenidat-Therapie

Bernd

Well-Known Member
Registriert
3. Mai 2004
Beiträge
8.643
Liebes Forum.

Die AufmerksamkeitsHyperaktivitäts-Störung (-Syndrom), auch Zappelfillip-Syndrom genannt, wird mit dem Wirkstoff Methylphenidat (Ritalin) behandelt.

Der Wirkstoff hat aufputschende, wachmachende, energiemobilisierende Wirkung. Welchen Sinn macht es, einem unausgelasteten, aufgedrehten und damit unaufmerksamen Kind ein Aufputschmuttel zu geben?

Fragt
Bernd
 
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AW: Methylphenidat-Therapie

Ich denke, dass die augenscheinliche Hyperaktivität nicht zu vergleichen ist mit einer "üblichen", aufgrund von emotionaler Aufgekratzheit oder überdosis Aufputschmittel.

Ähnlich beim beispiel Schlaflosigkeit: leidest du an Schlaflosigkeit, bist do idR müder als einer, der nicht daran leidet. Und trotzdem sind hier Schlafmittel angezeigt.
So gesehen könnte man analog fragen: warum gerade jemandem, so sowieso viel müder ist als ein Gesunder, noch Schlafmittel dazu verabreichen ?
 
AW: Methylphenidat-Therapie

von muzmuz: Ich denke, dass die augenscheinliche Hyperaktivität nicht zu vergleichen ist mit einer "üblichen", aufgrund von emotionaler Aufgekratzheit oder überdosis Aufputschmittel.

Hallo muzmuz.

Den Satz hab ich nicht ganz verstanden. Du meinst, ein Kind was sich unaufhörlich bewegen muss, ist in Wirklichkeit antriebslos und wird damit mobilisiert. Das würde mir einleuchten.

Bei Schlafmangel nimmt man Schlaftabletten, bei Hyperaktivität nimmt man Hyperaktivitätstabletten. Meintest du es so?

Bernd
 
AW: Methylphenidat-Therapie

Ich kenne diese "Störung" unter dem Namen ADHS, also Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom. Dabei fällt mir jedesmal auf, dass die Heilung ja schon im Namen angekündigt wird: Das Defizit an Aufmerksamkeit ausgleichen.
Bei einem meiner Enkel wurde das diagnostiziert, allerdings hat der Psychologe, der die Tests durchgeführt hatte, gleich dazugesagt, dass er von einer Behandlung mit Ritalin abrate, da mit sehr unangenehmen Auswirkungen zu rechnen sei. Die Kinder die das einnahmen, würden einfach nur ruhig gestellt. Offensichtlich wirkt das Medikament bei ADHS-Betroffenen genau gegenteilig wie bei nicht Betroffenen.

Sein Rat: Am wirksamsten sei es, wenn sich die Eltern immer wieder bewusst machen, dass das Kind nicht absichtlich chaotisch, unaufmerksam, unkonzentriert sei, sondern genauso darunter leide. Denn dann ist es auch möglich, dem Kind Hilfe und Unterstützung anzubieten. Wenn dann noch von der Schule Verständnis und Unterstützung kommt, dann braucht man keine Tabletten.
 
AW: Methylphenidat-Therapie

Hallo muzmuz.

Den Satz hab ich nicht ganz verstanden. Du meinst, ein Kind was sich unaufhörlich bewegen muss, ist in Wirklichkeit antriebslos und wird damit mobilisiert. Das würde mir einleuchten.

Bei Schlafmangel nimmt man Schlaftabletten, bei Hyperaktivität nimmt man Hyperaktivitätstabletten. Meintest du es so?

Bernd

Ja, geht in die richtige Richtung. Ein Hyperaktives Kind ist nicht hyperaufmerksam, sondern lediglich unruhig und NICHT aufmerksam - daher Aufmerksamkeitsdefizit. Ähnlich wie ein Parkinsonpatient, der -obwohl er nicht still halten kann- auch keinen ausgeprägten Bewegungsdrang wie manch ein Kind hat.

Ebenso anschaulich ist der Vergleich Müdigkeit/Wachheit mit Ruhigkeit/Unruhigkeit. Ist jemand müde, ist er nicht automatisch ruhig und ist er wach, ist er nicht automatisch unruhig. So haben Müdigkeit und Ruhigkeit manchmal den gleichen Anschein, sind aber verschiedene Zustände - so wie ausgeprägte Aktivität und das, was man Hyperaktivität nennt.
Insofern ist ein hyperaktives Kind nicht übermäßig wach, sondern übermäßig unruhig.
 
AW: Methylphenidat-Therapie

Ich kenne diese "Störung" unter dem Namen ADHS, also Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom. Dabei fällt mir jedesmal auf, dass die Heilung ja schon im Namen angekündigt wird: Das Defizit an Aufmerksamkeit ausgleichen.
Bei einem meiner Enkel wurde das diagnostiziert, allerdings hat der Psychologe, der die Tests durchgeführt hatte, gleich dazugesagt, dass er von einer Behandlung mit Ritalin abrate, da mit sehr unangenehmen Auswirkungen zu rechnen sei. Die Kinder die das einnahmen, würden einfach nur ruhig gestellt. Offensichtlich wirkt das Medikament bei ADHS-Betroffenen genau gegenteilig wie bei nicht Betroffenen.

Sein Rat: Am wirksamsten sei es, wenn sich die Eltern immer wieder bewusst machen, dass das Kind nicht absichtlich chaotisch, unaufmerksam, unkonzentriert sei, sondern genauso darunter leide. Denn dann ist es auch möglich, dem Kind Hilfe und Unterstützung anzubieten. Wenn dann noch von der Schule Verständnis und Unterstützung kommt, dann braucht man keine Tabletten.

Klingt fein, wie sieht diese "Unterstützung" aus und worauf basiert dessen therapeutische Wirkung ?
 
AW: Methylphenidat-Therapie

Hallo liebes Schwarzes Schäfchen.

Nach allgemeinem Kenntnisstand scheint diese Störum ihre Ursachen eher darin zu haben, dass die kleinen Jungs einfach keine sinnvollen Tätigkeiten haben, bei denen sie nach und nach in die tatsächlichen, täglichen zu bewältigenden Aufgaben der Familie hineinwachsen können.

Sie arbeiten zwar in Theaterstücken... Arbeitsgruppen, an Projekten, lernen musizieren und Sprachen, Videogruppen und Zeitungen, aber sie merken, dass, sobald das Pausenklingeln kommt, sobald die Note vergeben wurde, sobald das Schuljahr beendet oder das Projekt abgeschlossen wurde, dass es dann doch nur Beschäftigung war. Belanglos. Sie bekommen sinnlose Beschäftigungen, die zwar ihren Ehrgeiz anregen, Freude machen, aber bei denen sie eigentlich nichts tun. Das was in diesem Zusammenhang wichtig ist, sind scheinbar immer nur die Rahmenbedingungen. Die Note, der Abschluss, der Erfolg, später der Ertrag, der Zins, das Einkommen. Und indem ich die Lust am spielerischen Erleben ausnutze, kann ich scheinbar meine speziellen Absichten (Regeln verinnerlichen, auf Außen ausgerichtet sein) innerhalb der Projekte verbinden.

Das ist zwar eine logische Abrichtung des Menschen zunächst auf die Zahl der Note, später die Zahl des Euros, (als Maßstab)...aber scheinbar fehlt diesen Beschäftigungen der Sinn. Die meisten Erwachsenen haben sich dann damit abgefunden, dass der Gewinn/Gehalt den Inhalt und Sinn ersetzt. Ihr Ritalin ist dann der Fernseher und der Konsum.

Zurück zum Kind. So scheint es notwendig, die Kinder an einfachen, schaffbaren täglichen Verrichtungen zu beteilugen, bei denen sie merken, dass sie etwas tun, etwas sinnvolles tun, Wertschätzung erhalten und gestalten können...und dabei Verantwortung, etwa beim Hühnerfüttern oder Gemüse-gießen bekommen. Das Problem heute scheint, dass die Menschen ihr Leben ja gaarnicht direkt mehr gestalten, sie kaufen sich alles. So wird nur das Geld als Mittel, nicht die Fähigkeiten, zum Maßstab. Siehe Schulhofwettbewerbe mit Markensachen.

*überleg*
Der Bewegungs-, Erlebens- und Gestaltungsdrang eines kleinen Menschen scheint nicht durch inszenierte Beschäftigungen und das Gewöhnen an Spiel-Regeln auslebbar zu sein.

Viele Grüße aus dem tief verschneiten Norden
Bernd
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Methylphenidat-Therapie

Klingt fein, wie sieht diese "Unterstützung" aus und worauf basiert dessen therapeutische Wirkung ?

Erstmal ist es für das Kind schon eine große Entlastung, wenn Eltern und Lehrer akzeptieren, dass es nicht absichtlich so sein will. Durch die Nörgeleien und das Schimpfen stehen die Kinder sonst unter Dauerstress und werden noch unruhiger. Die Lehrer reagieren auf vergessene Aufgaben, verlorene Bücher etc. nicht mit Geschimpfe und schlechten Noten, sondern mit Erinnern, Ermahnen, noch einmal Erklären. (Nebenbei bemerkt, es ist eine Privatschule, die auf die Schulgelder aller Kinder angewiesen ist. In öffentlichen Schulen geht es möglicherweise nicht so zu, aber darüber weiß ich nichts.) Seine Noten sind trotzdem sehr gut.

Wie auch Bernd schon erwähnte ist es hilfreich, dem Kind Aufgaben zu übertragen, wie z.B. die Familienkatzen regelmäßig zu füttern, beim Kochen mitzuhelfen etc. Das macht er auch gern.

Zusätzlich gibt es Trainingsprogramme, wo durch spezielle Körperübungen eine mentale Wirkung erreicht werden kann, die ähnlich wie Yoga-Übungen innere Ausgeglichenheit und Konzentration positiv beeinflussen.

Das Aufmerksamkeitsdefizit ist jedenfalls durch die Tests und speziellen Übungen sehr viel kleiner geworden.
 
AW: Methylphenidat-Therapie

Nach allgemeinem Kenntnisstand scheint diese Störum ihre Ursachen eher darin zu haben, dass die kleinen Jungs einfach keine sinnvollen Tätigkeiten haben, bei denen sie nach und nach in die tatsächlichen, täglichen zu bewältigenden Aufgaben der Familie hineinwachsen können.

In meinem Ü80-Kurs für graue Krokodile bringe ich in 45minütigen Schäferstündchen den kleinen Jungs bei, wie sie sich in tiefem Gewässer bewegen können: mit Wortschwallen für Antrieb sorgen, sich von der großen Gruppe nicht vom Kurs ab-bringen lassen, sondern gezielt einzelne Krokodilkomplizen ansprechen, um sich Unterstützung beim Theater zu holen. Die Arbeitsgruppe "Satire vs. Ernsthaftigkeit" macht allen besonders Spaß...
 
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Hallo liebes Schwarzes Schäfchen.

Nach allgemeinem Kenntnisstand scheint diese Störum ihre Ursachen eher darin zu haben, dass die kleinen Jungs einfach keine sinnvollen Tätigkeiten haben, bei denen sie nach und nach in die tatsächlichen, täglichen zu bewältigenden Aufgaben der Familie hineinwachsen können.

Sie arbeiten zwar in Theaterstücken... Arbeitsgruppen, an Projekten, lernen musizieren und Sprachen, Videogruppen und Zeitungen, aber sie merken, dass, sobald das Pausenklingeln kommt, sobald die Note vergeben wurde, sobald das Schuljahr beendet oder das Projekt abgeschlossen wurde, dass es dann doch nur Beschäftigung war. Belanglos. Sie bekommen sinnlose Beschäftigungen, die zwar ihren Ehrgeiz anregen, Freude machen, aber bei denen sie eigentlich nichts tun. Das was in diesem Zusammenhang wichtig ist, sind scheinbar immer nur die Rahmenbedingungen. Die Note, der Abschluss, der Erfolg, später der Ertrag, der Zins, das Einkommen. Und indem ich die Lust am spielerischen Erleben ausnutze, kann ich scheinbar meine speziellen Absichten (Regeln verinnerlichen, auf Außen ausgerichtet sein) innerhalb der Projekte verbinden.

Das ist zwar eine logische Abrichtung des Menschen zunächst auf die Zahl der Note, später die Zahl des Euros, (als Maßstab)...aber scheinbar fehlt diesen Beschäftigungen der Sinn. Die meisten Erwachsenen haben sich dann damit abgefunden, dass der Gewinn/Gehalt den Inhalt und Sinn ersetzt. Ihr Ritalin ist dann der Fernseher und der Konsum.

Zurück zum Kind. So scheint es notwendig, die Kinder an einfachen, schaffbaren täglichen Verrichtungen zu beteilugen, bei denen sie merken, dass sie etwas tun, etwas sinnvolles tun, Wertschätzung erhalten und gestalten können...und dabei Verantwortung, etwa beim Hühnerfüttern oder Gemüse-gießen bekommen. Das Problem heute scheint, dass die Menschen ihr Leben ja gaarnicht direkt mehr gestalten, sie kaufen sich alles. So wird nur das Geld als Mittel, nicht die Fähigkeiten, zum Maßstab. Siehe Schulhofwettbewerbe mit Markensachen.

*überleg*
Der Bewegungs-, Erlebens- und Gestaltungsdrang eines kleinen Menschen scheint nicht durch inszenierte Beschäftigungen und das Gewöhnen an Spiel-Regeln auslebbar zu sein.

Viele Grüße aus dem tief verschneiten Norden
Bernd

Lieber Bernd,
leider können die lieben Kinder und ihre Eltern nicht selbst entscheiden, ob sie zur Schule gehen wollen oder nicht. Es bleibt ihnen also nichts weiter übrig, als eine erträgliche Möglichkeit zu finden, wie sie mit den Gegebenheiten umgehen können.

Dass das nicht die Form von Leben ist, die ich den Kindern wünsche, das ist klar. Aber wenn ich es auch sehe, was unser "System" alles an Schäden und Störungen an den Menschen von klein auf anrichtet, so muss ich doch in diesem System leben und mich damit arrangieren. Ab und zu steigt eben die Wut hoch, aber aussteigen ist nicht so einfach möglich.

Grüße in den Schnee, hier scheint grad die Sonne auf die kläglichen Schneereste.
Blacksheep
 
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