MartinL
Well-Known Member
- Registriert
- 4. Juli 2022
- Beiträge
- 2.643
Ich hatte bis vor einigen Jahren einen Chef, der konnte gut über sich selbst lachen. Da konnte man auch mal eine humoreske Bemerkung machen, durch welche auch er sich angesprochen fühle durfte und er grinste dann. Man kann natürlich nur über sich selbst lachen, wenn im Scherz ein Funke Wahrheit steckt. Mein jetziger Chef ist da anders. Er fühlt sich gleich persönlich in Frage gestellt und denkt vermutlich, dass man auf seine Kosten Witze macht. Die Haltung ist eine ganz andere. Der Unterschied zwischen meinem alten und meinem jetzigen Chef ist auch, dass mein alter Chef Abitur und ein anspruchsvolles Studium hatte und mein jetziger eine sehr niedrige Schulbildung, der Job aber einer ist, bei dem man eigentlich zwingend ein abgeschlossenes Studium braucht. Ich denke, dass es zwischen beiden Dingen einen Zusammenhang gibt. Jemand, der sich sozusagen hochgedient oder hochgeschlafen hat, der fühlt sich permanent unter Druck, seine Fähigkeiten anderen beweisen zu müssen bzw. er braucht sehr viel Energie dafür, den Eindruck zu erwecken, er habe Ahnung. Er lebt in beständiger Angst, durchschaut zu werden. Bildhaft gesprochen kann man sinnbildlich als gelernter Metzger natürlich keine Ingenieursleistungen erbringen, wenn man nicht die nötige intellektuelle und fachliche Reife und Ausbildung dafür hat. Man braucht viel Energie, um im Falle eines wiederholten Flugzeugabsturzes den anderen glaubhaft zu machen, dass man selbst nicht der Schuldige sei, sondern ein anderer. Mir fällt eine deutsche Talkshow ein, zu der einst in der "heißen Sarrazinzeit" Thilo -Kopftuchmädchen- Sarrazin eingeladen wurde und als ideologischer Kontrahent der Wissenschaftsjournalist Rangar Yogeshwar, der einen indischen Vater hat. Es ging um das Sarrazin-Thema. Rangar Yogeshwar schien durchaus bereit zu sein, mit Thilo Sarrazin offen über dessen Lieblingsthema zu diskutieren: "Die bösen Ausländer, vor allem die aus arabischen und afrikanischen Ländern, die ungebildet sind und unserem Staat nur auf der Tasche liegen (=Denkmuster Sarrazin. vereinfacht ausgedrückt)". Irgendwann während der Talkshow schien Yogeshwar am Punkt angelangt zu sein, wo er sich fragte, ob er einfach nur die Gage und die zwei Schoppen teuren Wein mitnehmen oder ob er noch weiter ernsthaft diskutieren solle. Sein Problem schien weniger, dass Sarrazin eine andere Meinung als er vertritt, sondern dass Sarrazin auf ihn einen Eindruck erweckte, als sei Intelligenz nicht seine wichtigste Stärke. Rangar Yogeshwar beugte sich plötzlich zu Thilo Sarrazin und kündigte ihm einen jüdischen Witz an, mit dem er die Intelligenz Sarrazins prüfen wollte (was er ihm natürlich nicht sagte), weil zum Verständnis der Pointe eine nur durchschnittliche Intelligenz nicht ausreicht. Versteht man am Ende des Witzes sofort die Pointe, dann hat man den Intelligenztest bestanden. Ansonsten nicht: Ein Rabbi kommt im Zug am Bahnhof einer deutschen Stadt an und fragt vor dem Bahnhof einen Passanten: "Können Sie mir sagen, wo hier die Synagoge ist?" Antwort: "Die ist in der Schillerstraße 44." Rabbi: "Aber ist dort nicht der Puff?" Antwort: "Nein, der ist in der Goethestraße 43." Thilos Sarrazin verzog das Gesicht wie blöde. Es war erkennbar, dass er die Pointe nicht verstand. Was denkt Ihr? Ist Humor überwiegend von Intelligenz abhängig?