Mir ist rätselhaft, wie jemand zu dieser anthropozentrischen Sichtweise gelangen kann.
Ich spreche in diesem Thread durchweg Schopenhauers Sprache, weil sie hier am besten reinpasst, da er die Welt wörtlich als Strafkolonie bezeichnet hat. Im Sinne seiner Willensmetaphysik ist der Mensch die höchste und feinste Ausprägung des selben blinden Willens, der auch die Schwerkraft oder das pflanzliche Leben steuert. So war das gemeint. Mir ist durchaus klar, dass man das auch alles relativieren kann und den Menschen als gleichwertige Biomasse mit allem anderen ansehen kann.
Allerdings ist es insofern trotzdem bedeutungslos, dass aus diesem Urteil keine Konsequenzen hervorgehen.
Okay -- ist dieser Satz eine Aufhebung der vorherigen Aussagen? Ich bin verwirrt …
Keine Aufhebung, aber eine Relativierung. Ich sagte doch gleich danach:
Dem Willen zum Leben ist das Leben gewiss, da kann ein Individuum noch so urteilen, das Leben geht weiter, als wäre nichts geschehen, sogar für das urteilende Individuum selber.
Aber es gibt natürlich eine Ausnahme: Wenn man das vollzieht, was Schopenhauer die Verneinung des Willens nannte, also die Askese, also das bewusste Vermeiden des Angenehmen und Aufsuchen des Schmerzhaften - dann zieht man die Konsequenz, aber nur dann. Ansonsten bleibt man ein Melancholiker oder Weltverneiner in der Theorie, was sich immer noch innerhalb der Bejahung des Willens befindet, wenn es auch ein Bejahen mit Zähneknirschen ist. (Meine persönliche Theorie dazu ist übrigens, dass die Verneinung des Willens, also die Askese, ein viel weiter verbreitetes Phänomen wäre, wenn die Lebensspanne der Menschen länger wäre. Aber in "den paar Jahren" kommt fast niemand darauf, dass die Antwort und Lösung aller Probleme in der Abtötung des Lebenswillens selbst liegt - und selbst wenn man es in der Theorie versteht, sträubt man sich gegen die Umsetzung, bis man eben irgendwann tot umfällt, das Leben immer noch bejahend und den Trieben hinterherrennend. Wenn wir 300 Jahre leben würden, wären wir ab 200 vermutlich alle an dem Punkt der Einsicht angelangt, den Schopenhauer am Ende des vierten Buches des Hauptwerks beschreibt).