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Heidegger und die Rhetorik

Philosophisticus

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2. März 2016
Beiträge
2.351
Hallo,
ich eröffne diesen Thread mit einem Thema , das es bisher soweit ich sehe nicht gab hier im Forum. Nur ein ähnlicher Thread ("Heidegger und die Sprache"), berührt meinen am Rande, würde ich sagen (aber das Thema der Rhetorik kommt dort nicht vor, wie mir scheint) . Hier soll es um Heidegger und die Rhetorik gehen. Es ist ja bekannt, dass sich Heidegger wie Nietzsche mit der aristotelischen Rhetorik beschäftigt haben , wie man in seiner Vorlesung "Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie" z.B. sehen kann, aber auch Sein und Zeit erwähnt die Rhetorik des Aristoteles an einer Stelle , wo er sie als erste "Hermeneutik der Alltäglichkeit des Miteinanderseins" auffasst (Sein und Zeit, § 29, S.138). Für mich wäre interessant zu diskutieren wie Heidegger von der aristotelischen Rhetorik in seinem eigenen philosophischen Diskurs beeinflusst ist. Neben Aristoteles ließe sich auch als weiteres Platon nennen, denn Heidegger hat sich ja auch mit dem Phaidros beschäftigt , wie man anhand seiner Sophistes-Vorlesung sehen kann und wo er sich mit Platons Rhetorikkonzept philosophisch beschäftigt. Ist Heideggers eigene Rhetorik also von antiken Quellen inspiriert? Ich denke mal schon, dass man bei Heidegger von einer eigenen Rhetorik sprechen, die bei ihm in seinem Diskurs am Werke ist. Auch in der philosophischen Forschung gibt es mittlerweile einen Band der heißt "Heidegger über Rhetorik". Man könnte auch fragen ob Heidegger eine genuin philosophische Rhetorik in seinen Texten entfaltet. Denn dass diese Rhetorik insofern philosophisch nur sein kann, lässt sich ja damit begründen, dass Heidegger gerade kein großer Freund der Sophisten war und er daher von diesen nicht beeinflusst sein kann philosophisch. Er kannte übrigens auch Nietzsches Vorlesung über die Beredtsamkeit der Griechen, im Gegensatz zu Nietzsche sagt er aber, dass Sprache nicht Rhetorik ist, sondern dass sie "dichtend" ist. Er hatte nämlich was für Dichtung übrig. Daher hat er ein anderes Verhältnis zur Rhetorik als Nietzsche, was auch seine Sprachauffassung betrifft. Dennoch kann man sagen, dass Heideggers sprachlicher Diskurs in Texten auch rhetorisch geprägt ist mehr oder weniger, und dass er philosophisch sich eben mit Rhetorik (und ihres logos) beschäftigte. Hinsichtlich des Themas "Sprachphilosophie" sei gesagt, dass Heidegger einmal erwähnte, dass es besser ist, dass wir die aristotelische Rhetorik haben, als eine Sprachphilosophie soweit ich mich erinnern kann. Trotzdem ist natürlich Rhetorik ohne einen bestimmten Sprachgebrauch nicht zu denken.

Ich würde gern über dieses Thema diskutieren und eure fachkundige Meinungen dazu hören in diesem Forum. Vielleicht bin ich ja hier nicht der einzige der sich mit Heidggers Denken der Rhetorik beschäftigt..
 
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erstmal viel angesprochen... an anderer stelle sollte nochmal speziell aristotels im verhältnis zu platon geklärt werden... auch im bezug zum idealismus-materialismus-streit..

wenn rhetorik als kunst des redens umschrieben wird hat insbesondere heidegger als neben wittgenstein einer der grössten sprachanalytiket besonderes gewicht. zwei eigenschaftem fallen bei seiner rhetorik besonders auf: einmal sein besonderes talent worte zu zerlegen und neu zudammenzusetzen bzw zu kreieren (heideggern)wie auch seine ständigen ermahnungrn zur nicht ausreichbarkeit der sprache - wobei er das gesprochene wort zum gedachten wort gleichsetzte. später erkannte er mit seiner sigetik-kunst des schweigens ähnlich wie wittgenstein auch die notwendigkeit einer - neben der rationalen - mythische betrachtung der welt. https://de.wikipedia.org/wiki/Terminologie_Heideggers
https://de.wikipedia.org/wiki/Sigetik
 
@EarlGrey : Ja ich habe in diesem Thread sehr viel angesprochen, weil auch bei Heidegger das ein riesiger Komplex eher ist. Er hat sich nämlich eben mit der Rhetorikvorstellung bei Platon und Aristoteles beschäftigt, z.B. in der Sophistes-Vorlesung oder den "Grundbegriffen der aristotelischen Philosophie" aus den 1920er Jahren , also vor der Veröffentlichung von Sein und Zeit . Und es ist vor allem interessant, dass er sich überhaupt damit beschäftige und so ausführlich die logos-problematik bei den beiden antiken Denkern analysierte. Es gibt in der Forschung dazu auch mittlerweile einen Band der heißt "Heidegger über Rhetorik". Wenn sich Heidegger mit Rhetorik beschäftigt, dann macht er dies nur auf philosophischer Seite bei Platon und Aristoteles, während er die Sophisten gerade nicht liest und interpretiert (z.b. Gorgias Rede über Helena), sondern sich rein auf die philosophische Seite beschränkt. Anderseits macht er dies nur in den 1920er und 1930er Jahren soweit ich sehe, danach gilt seinem Interesse die Dichtung und Hölderlin. Also von der Rhetorik zur Dichtung. Und die Sprache ist für ihn auch keine Rhetorik (wie bei Nietzsche, der er kannte), sondern ist "dichtend".

Heidegger hat sich eben sehr für das Phänomen der Sprache interessiert vom Früh bis zum Spätwerk, und ist bei seiner Beschäftigung mit der antiken Philosophie auch auf die antik-philosophische Rhetorik zu sprechen gekommen und gibt dazu sehr ausführliche Analysen z.B. in seiner Sophistes Vorlesung. Er kommt dabei auch auf das Thema des Schweigens ein in diesem Zusammenhang. Wittgenstein und Heidegger interessieren sich beide für die Sprache, allerdings und das ist ein wichtiger Unterschied zu Wittgenstein, kommt Heidegger dabei auch die Rhetorik eben zu sprechen, was man eben bei Wittgenstein nicht findet. Heidegger hat also damit das rhetorische Potential von Sprache weiter reflektiert philosophisch, als dies Wittgenstein tat. Trotzdem ist das Sprachdenken Wittgensteins nicht uninteressant deshalb, es hat halt nur nicht so viele Dimensionen wie dies bei Heidegger der Fall ist. Das ist jedenfalls mein Eindruck dazu. Ich danke dir übrigens für die beiden Links dazu.

Und ja Heideggers Verhältnis zur Sprache , zeigt sich auch daran, dass er sehr Sorgfalt auf seine eigene Sprache bzw. seine eigene Terminologie legte. Ich denke man kann auch sagen, dass er einen eigenen Rhetorik-Begriff hatte und dass in seinem philosophischen Diskurs eine Rhetorik am Werke ist , wie mir scheint (also hinsichtlich des Punktes wie er mit der Sprache umgeht dort).
 
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Heidegger hat sich eben sehr für das Phänomen der Sprache interessiert vom Früh bis zum Spätwerk, und ist bei seiner Beschäftigung mit der antiken Philosophie auch auf die antik-philosophische Rhetorik zu sprechen gekommen und gibt dazu sehr ausführliche Analysen z.B. in seiner Sophistes Vorlesung. Er kommt dabei auch auf das Thema des Schweigens ein in diesem Zusammenhang. Wittgenstein und Heidegger interessieren sich beide für die Sprache, allerdings und das ist ein wichtiger Unterschied zu Wittgenstein, kommt Heidegger dabei auch die Rhetorik eben zu sprechen, was man eben bei Wittgenstein nicht findet. Heidegger hat also damit das rhetorische Potential von Sprache weiter reflektiert philosophisch, als dies Wittgenstein tat. Trotzdem ist das Sprachdenken Wittgensteins nicht uninteressant deshalb, es hat halt nur nicht so viele Dimensionen wie dies bei Heidegger der Fall ist. Das ist jedenfalls mein Eindruck dazu. Ich danke dir übrigens für die beiden Links dazu.

"Seine Sprache ist Musik und bekundet eine Feinheit des inneren Gehörs, eine Meisterschaft des Sinnes für Fall, Tempo, Rhythmus, wie sie wahrscheinlich bisher ohne Beispiel war. (Thomas Mann)

Die Rhetorik ist die eine Sache, aber sie mit allen Sinnen meisterlich zu verweben, dies ist eine hohe Kunst!
Reine Rhetorik dienen dem Machterhalt, weiter nichts.
 
@EarlGrey : Ich danke dir auch für die Grafik, die den Zusammenhang der einzelnen Begriffe in Sein und Zeit darstellt. Es wäre auch schön, wenn es auch diese Art von Grafik auch für seine Vorlesungen geben würde. Ein erstes Heidegger Lexikon bietet Vetters Grundriss zu Heidegger (2014), was einzelne Begriffe Heideggers auch erklärt. Ein richtiges Heidegger Lexikon soll aber erst in zwei Jahren erscheinen und wird von Figal herausgegeben. Ich bin darauf jedenfalls gespannt, weil sowas bisher in der philosophischen Forschung zu Heidegger eben gefehlt hat und jeder der Heidegger liest, weiß wie komplex Heideggers Terminologie ist. Und es nicht einfach die einzelnen Begriffe Heideggers zu erklären, ohne selbst dabei zu "heideggern". Wer also das in einer andere Sprache als der Heideggers kann, hat schonmal geleistet. Aber Heidegger hat nicht wenige philosophische Begriffe gebildet und ich glaube man kann sagen, dass er auch einen Begriff von Rhetorik hatte (und natürlich auch von Sprache und Rede). Bei Vetter gibt es allerdings keinen eigenen Artikel zu diesem Begriff, sondern nur zur Sprache. In einem Heidegger-Lexikon sollte es aber auch zum Begriff der Rhetorik einen eigenen Lexikonartikel geben wie ich finde.
 
@Ellemaus: Natürlich ist Rhetorik auch eine Kunst, und man muss natürlich dabei auch ein feinfühliges Gefühl für Sprache haben. Ich würde sagen, dass Heidegger eine für ihn eigentümliche Rhetorik entwickelt hat, die man auch eine philosophische Rhetorik mitunter nennen kann. Diese Art von Rhetorik geht glaube ich auch aus seiner philosophischen Beschäftigung mit der antiken philosophischen Rhetorik bei Platon und Aristoteles hervor. Ich glaube jedenfalls , dass es dort einen Zusammenhang gibt. Heidegger selbst hat ja nicht wenige Reden bzw. Vorträge gehalten und man kann dort eine Rhetorik aus meiner Sicht jedenfalls am Werk sehen (schwieriger wäre das in Bezug zu seinem sog. Hauptwerk Sein und Zeit beurteilen). Auch in seinen Vorlesungen findet man davon was. Insofern war Heidegger ähnlich wie Nietzsche ein Sprachkünstler, oder wenn man so will ein philosophischer Rhetoriker mitunter.

Ich danke dir übrigens für das Zitat, würde aber gern nachfragen ob das Thomas Mann auf Heidegger bezogen hat oder ob das ursprünglich jemand anders galt. Ich könnte mir vorstellen, dass das Thomas Mann vielleicht eher auf Nietzsche bezog. Auf jedenfall ist es aber ein schönes Zitat. Wobei es natürlich auch Kritiker der Heideggerschen Sprache gibt, bezüglich der Art wie er mit der deutschen Sprache umgeht usw...(siehe Adorno). Bei Heidegger findet man jedenfalls keine "reine Rhetorik" am Werke.
 
Ich danke dir übrigens für das Zitat, würde aber gern nachfragen ob das Thomas Mann auf Heidegger bezogen hat oder ob das ursprünglich jemand anders galt. Ich könnte mir vorstellen, dass das Thomas Mann vielleicht eher auf Nietzsche bezog. Auf jedenfall ist es aber ein schönes Zitat. Wobei es natürlich auch Kritiker der Heideggerschen Sprache gibt, bezüglich der Art wie er mit der deutschen Sprache umgeht usw...(siehe Adorno). Bei Heidegger findet man jedenfalls keine "reine Rhetorik" am Werke.

Ja dieses Zitat galt Nietzsche. Und Rhetorik schafft mich nicht, von 'Innen' zu berühren. Dies wollte ich damit nur aussagen.

Diesen Zusammenhang (s.o. Grafik) finde ich interessant. Danke! (Später mehr dazu!)
Habe auch 'SuZ' privat gelesen und noch andere Werke. Eines lag aber noch unberührt im Schrank. Gesamtausgabe II. Abteilung: Vorlesung 1925- 1944 Band 32 Hegels Phänomenologie des Geistes und ich stellte erstaunt fest, wie Heidegger über Hegel und Kant dachte. ;)

Laut Grafik teilt Heidegger ja Zweideutigkeit im Dasein - zu Angst - Sorge und gerade darin sehe ich ja die Widersprüche zwischen Rhetorik und Nietzsches (Wittgenstein) Verständnis zur Sprache.

Und Hegel und Heidegger gingen davon aus, tiefer als Kant zu sein. Nehme ich aber beiden nicht ab. ;)

Muss mich noch sortieren und das Band 32 dazu lesen.
 
@Ellemaus: Ja das habe ich mir ja gedacht, dass das Zitat Nietzsche galt, weil sich Thomas Mann mit Nietzsche eben beschäftigte. Ich weiß aber nicht, ob Thomas Mann sich auch mit Heidegger beschäftigte und was er von dessen Sprache gehalten hat. Nietzsche konnte jedenfalls sehr feinfühlig mit der Sprache umgehen und hatte rhetorisches Talent auch (man lese nur seinen Zarathustra oder seine Vorlesungen zur antiken Rhetorik, die er als klassischer Philologe hielt).

Heidegger hat sich ja nicht nur mit Nietzsche beschäftigt, sondern mit Hegel, Kant und anderen philosophischen Klassikern. Wobei mir nicht ganz klar ist, inwiefern Heideggers Termini wie Angst bzw. Sorge im Widerspruch zu Nietzsches/Wittgensteins Verhältnis zur Sprache stehen. Was alle drei Denker verbindet ist, dass sie ja philosophisch die Sprache reflektieren. Nietzsche und Heidegger tun dies aber auch aus der Beschäftigung mit der antiken Rhetorik heraus , was bei Wittgenstein nicht zu finden ist. Nietzsche und Heidegger waren sprachgewaltige Philosophen und zwar deshalb, weil sie sich auch mit Rhetorik philosophisch beschäftigen. Das ist - wenn man so will- meine These hier. Und ich glaube man kann gerade in Bezug auf ersteren -also Nietzsche- sagen, dass dessen philosophische Wirkung auch mit seiner kraftvollen Sprache zusammenhängt. Hans Blumenberg hat einmal in Bezug auf Nietzsche gesagt, dass dessen Philosophie von ihrem innersten Wesen her Rhetorik ist (so sinngemäß das Zitat von Blumenberg). Das Nietzsche die Sprache mit der Rhetorik gleichsetzt hängt natürlich damit zusammen, dass er sich eben intensiv mit antiker Rhetorik beschäftigte.

Es gibt übrigens auch bei Hegel eine Beschäftigung mit der Rhetorik , nämlich in seiner Ästhetik ;-) Während Kant leider das unsinnige Urteil über die Rhetorik fiel, dass es sich bei dieser um eine "hinterlistige Kunst" handle, die keiner "Achtung" würdig sei usw.., was ich persönlich für ein Fehlurteil bei Kant finde (er sagt das übrigens in der Kritik der Urteilskraft). Kant hat vermutlich nicht die Rhetorik des Aristoteles gelesen oder Platons Phaidros. Für Aristoteles war die Rhetorik eben keine "hinterlistige" Kunst, sondern nützlich in Bezug auf das Wahre und Gerechte. Heidegger und Nietzsche haben übrigens auch über die aristotelische Rhetorik gearbeitet und dort philosophische Inspiration gefunden, würde ich sagen.

Zur Rezeption der aristotelischen Rhetorik bei Heidegger empfehle ich zur Lektüre die Vorlesung "Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie" und bei Nietzsche dessen Übersetzung der aristotelischen Rhetorik (zu finden in den Vorlesungsmitschriften). Dort kann man das alles in Ruhe nachlesen.... :)

Ich denke "gute" Rhetorik kann schon jemand sprachlich berühren, mich haben Philosophen wie Nietzsche eben auch sprachlich berührt und so muss "gute Philosophie" auch sein ;-)
 
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Rhetorik heisst ja wortwörtlich die Kunst der Sprache - ist wie mit allen hohen Künste. So kann ein Schmied ein Messer bauen welche in Chirurgenhand Leben retten wie auch in Mörderhand Leben vernichten kann. die Anwendung ändert nichts an der Kunst des Schmiedes. So wie alles andere kann man auch die feinste Sprache missbrauchen - es ändert nichts daran das sie für mich die erhabenste aller Künste ist. Es ist ja nicht nur in der Kommunikation mit anderen wo sie gebraucht wird - auch in der Kommunikation mit sich selbst - also im Denken - tut sie ihren Dienst und ist so die Baumeisterin unseres Seins als unsere Welt.
 
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